VwGH vom 17.02.1994, 93/16/0126
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des Roland G in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11-1174/92, betreffend Rechtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit einem Kaufvertrag vom erwarben der Beschwerdeführer und Monika F. ein Einfamilienhaus in der Katastralgemeinde H. je zur Hälfte. Die Gegenleistung betrug für jeden Hälfteanteil S 1,490.000,--.
In Punkt XII der Kaufvertragsurkunde schlossen die beiden Erwerber folgende Vereinbarung ab:
"Käufer Roland G., geboren am , und Monika F., geboren am , kommen hinsichtlich der künftig in gemeinschaftlichem je Hälfteeigentum stehenden Liegenschaft, wie folgt überein:
a) Roland G., geboren am , erhält das lebenslängliche Fruchtgenußrecht an der gesamten Liegenschaft. Er ist jedoch berechtigt, auf dieses Fruchtgenußrecht, einseitig, jederzeit zu verzichten.
b) Der Fruchtgenußberechtigte übernimmt sämtliche, mit der gegenständlichen Liegenschaft verbundenen Lasten und Belastungen, Instandhaltung und Kosten, sodaß Monika F., geboren am , aus dem Besitz und Eigentum, insbesondere auch aus der Anschaffung und der Bedienung der Lasten von Anbeginn an, bis zum Ende des Fruchtgenußrechtes kein Aufwand entsteht.
c) Roland G., geboren am , und Monika F., geboren am , erklären ihre ausdrückliche Einwilligung, daß aufgrund dieser Vereinbarung ob der ihnen je zur Hälfte gehörenden Liegenschaft EZ 1115 des Grundbuches H, bestehend aus dem Grundstück Nr. 1566/11, das lebenslängliche Fruchtgenußrecht für Roland G., geboren am , einverleibt werde."
Auf eine entsprechende Anfrage des Finanzamtes gab der Beschwerdevertreter in einer Eingabe vom bekannt, daß der Beschwerdeführer und Monika F. zueinander fremd seien, jedoch die Absicht hätten, nach Scheidung der bestehenden Ehe des Beschwerdeführers miteinander die Ehe einzugehen. Das Fruchtgenußrecht solle sicherstellen, daß der Beschwerdeführer für seine Lebenszeit auf der Liegenschaft verbleiben könne, auch wenn die Lebensgemeinschaft mit Monika F. zerbreche. Für die Dauer der aufrechten Lebensgemeinschaft werde das Fruchtgenußrecht keine Auswirkungen haben. Für den Fall der Beendigung der Lebensgemeinschaft werde Monika F. allerdings keine Wohnmöglichkeit haben, sodaß sie zumindest von den laufenden Zahlungen entlastet werden müsse. Es werde vorgeschlagen, das Fruchtgenußrecht mit S 2.500,-- monatlich zu bewerten.
In einer weiteren, auf Grund eines Vorhaltes eingebrachten Eingabe vom wurde folgendes vorgebracht:
"Monika F. finanziert S 500.000,-- zum Ankauf der gegenständlichen Liegenschaftshälfte im Wege der ... Bausparkasse. Mit dem Kaufpreisanteil der Monika F. ist Roland G. gegenüber den Verkäufern in Vorlage getreten. Aufgrund der mir erteilten Treuaufträge ist der Finanzierungsbetrag Roland G. auszuhändigen, sodaß die Anschaffung der Liegenschaftshälfte tatsächlich von Monika F. bezahlt wird."
Mit Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer aus Anlaß der Vereinbarung mit Monika F. eine Rechtsgebühr nach § 33 TP 9 GebG 1957 vorgeschrieben, wobei als Bemessungsgrundlage der Betrag von S 1,490.000,-- (das war der halbe Kaufpreis für den Erwerb der Liegenschaft) angenommen wurde.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde ausgeführt, es sei ein lebenslängliches Fruchtgenußrecht eingeräumt worden, das vom Fruchtgenußberechtigten vorzeitig beendet werden könne. Gemäß § 16 Abs. 2 Z. 8 BewG sei daher der neunfache Jahreswert anzusetzen. Gemäß der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde, welche zu BRP 349065 des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern vergebührt worden sei, sei die monatliche Rückzahlungsrate mit S 12.300,-- festgesetzt worden; das "darlehensmäßig sichergestellte Kapital" betrage S 918.000,--. S 600.000,-- seien aus eigenem aufgebracht worden und würden mit Zuzählung des Bauspardarlehens wiederum zurückgezahlt. Demgemäß könnte die Bemessungsgrundlage höchstens mit S 918.000,-- angenommen werden.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, als Gegenleistung für das Fruchtgenußrecht sollten nach der Vereinbarung die Kosten der Anschaffung bzw. "Lastentragung" übernommen werden. Darunter könne zumindest die monatliche Rückzahlung des "wirtschaftlich relevanten Darlehens" verstanden werden. Die Entgeltlichkeit könne nicht im Überschuß über den Nutzwert gesehen werden, da dies "der Lehre von der Äquivalenz" entgegenstehe. Die Gebühr sei daher folgendermaßen zu berechnen: Kapitalisierung des monatlichen "Rückzahlungsbetrages" von S 12.300,-- ergibt bei einem Faktor 9 S 1,328.400,--. Die Bemessungsgrundlage sei aber mit dem "Kapital" von S 918.000,-- begrenzt.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens - allerdings nur in eingeschränktem Umfang - vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dienstbarkeiten, wenn jemandem der Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt wird, unterliegen gemäß § 33 TP 9 GebG einer Rechtsgebühr in Höhe von 2 vH vom Wert des bedungenen Entgeltes.
Nach § 15 Abs. 3 GebG sind unter anderem Rechtsgeschäfte, die unter das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz fallen, von der Gebührenpflicht ausgenommen.
Die für den Beschwerdefall maßgebende Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und Monika F., die im Punkt XII der Urkunde über den Kauf des in Rede stehenden Einfamilienhauses schriftlich niedergelegt wurde, enthält als ein gemischter Vertrag, der die Merkmale verschiedener Vertragstypen des bürgerlichen Rechts aufweist, sowohl die Übernahme der gesamten Anschaffungskosten der von Monika F. erworbenen Liegenschaftshälfte und aller weiteren mit der Liegenschaftshälfte zusammenhängenden Kosten - also offenkundig auch der laufenden Betriebskosten - als auch die Einräumung eines Fruchtgenußrechtes gegenüber dem Beschwerdeführer hinsichtlich der "gesamten Liegenschaft". (Verständigerweise kann dabei - wie dies auch die belangte Behörde getan hat - abweichend vom strengen Wortlaut der Urkunde im Hinblick auf den gleichzeitigen Erwerb der anderen Liegenschaftshälfte nur ein Fruchtgenußrecht an der von Monika F. erworbenen Liegenschaftshälfte gemeint sein.)
Schließen die Parteien einen aus entgeltlichen und unentgeltlichen Elementen vermischten Vertrag, so liegt eine gemischte Schenkung vor (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/14/0102). Ein wesentliches Anzeichen für die Annahme einer gemischten Schenkung stellt ein offenbares Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung dar. Ein solches Mißverhältnis liegt dann vor, wenn sich nach Lage des Falles für den einen Teil auf jeden Fall eine Vermögenseinbuße, für den anderen Teil auf jeden Fall eine Bereicherung ergibt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/15/0084). Im Beschwerdefall hat sich der Beschwerdeführer vertraglich verpflichtet, die Anschaffungskosten der Liegenschaft in Höhe von S 1,490.000,-- sowie sämtliche damit im Zusammenhang stehenden weiteren Kosten zu übernehmen. In welcher Höhe Monika F. dabei - abweichend von der urkundlichen Vereinbarung - tatsächlich Teile der Anschaffungskosten getragen hat, ist dabei trotz eines darauf gerichteten Vorhaltes der Abgabenbehörde im Abgabenverfahren nicht geklärt worden: Der Eingabe vom kann nicht entnommen werden, ob es sich bei dem dort genannten Betrag von S 500.000,-- um Eigenmittel der Monika F. oder lediglich um den nach den Geschäftsbedingungen der Bausparkassen zuzuteilenden Betrag des Bauspardarlehens gehandelt hat. Unklar ist dabei auch geblieben, aus wessen Vermögen die Bausparbeiträge tatsächlich geleistet werden. Andererseits wurde vom Beschwerdeführer selbst der Wert des Fruchtgenußrechtes mit S 2.500,-- monatlich beziffert. Eine - nach versicherungsmathematischen Grundsätzen vorzunehmende - Vervielfachung dieses Betrages ergibt z.B. bei der Annahme einer Verzinsung von 5,5 % im Hinblick auf das Lebensalter des Beschwerdeführers von 63 Jahren einen Wert des Fruchtgenußrechtes von S 293.013,-- (Vervielfacher nach Lindmayr-Musger, Leibrententabellen nach der Sterbetafel 1980/82 für Österreich, bei 63 Jahren und 5,5 % 9,7671).
Das im Streitfall damit zu Tage tretende Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung legt unter Bedachtnahme auf die im Abgabenverfahren als Lebensgemeinschaft bezeichnete Beziehung der Vertragspartner den Schluß nahe, daß es sich bei der Vereinbarung um eine gemischte Schenkung handelt. Ein solches Rechtsgeschäft unterläge aber der Schenkungssteuer im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG. Im Hinblick auf § 15 Abs. 3 GebG besteht für den entgeltlichen Teil des Rechtsgeschäftes keine Gebührenpflicht (in diesem Sinne siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1739/53, Slg. 1060/F). Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da der angefochtene Bescheid der Beschwerde nur in einfacher Ausfertigung beizulegen ist, war ein Ersatz der Beilagengebühr nur im Ausmaß von S 60,-- zuzusprechen.