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VwGH vom 17.08.1998, 98/17/0038

VwGH vom 17.08.1998, 98/17/0038

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MD-VfR - M 18/97, betreffend Haftung für Lohnsummensteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 7, 54 WAO für den Rückstand von Lohnsummensteuer in der Höhe von S 50.759,-- für einen näher bezeichneten Verein für den Zeitraum Jänner 1985 bis Dezember 1990 und November 1994 haftbar gemacht und aufgefordert, diesen Betrag zu entrichten. Der Beschwerdeführer sei Präsident des genannten Vereins und habe die ihm auferlegten Pflichten verletzt. Er sei daher für den Rückstand haftbar, weil dieser bei dem Verein uneinbringlich sei. Er hätte ab dem Jahre 1987 für die Sicherstellung einer allenfalls entstehenden Steuerpflicht Sorge tragen müssen. Nach der Aktenlage bestehe kein Hinweis, daß der aushaftende Betrag bei der Primärschuldnerin überhaupt eingebracht werden könnte.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer - wie schon in einer Stellungnahme vor Erlassung des Haftungsbescheides - auch vor, durch Einbringungsmaßnahmen (Sicherstellungsauftrag und Pfändung von Geldforderungen) des Finanzamtes im März 1987 seien sämtliche Geldmittel des Vereins eingezogen worden. Er habe daher die Abgabe weder bezahlen noch Rücklagen bilden können. Bis Abschluß der Betriebsprüfung im Jahre 1987 habe er eine Abgabepflicht im Hinblick auf die vertretene Auffassung, es liege Gemeinnützigkeit des Vereins vor, nicht erkennen können.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der aushaftende Steuerbetrag auf S 46.058,-- für den Zeitraum Jänner 1985 bis Dezember 1989 eingeschränkt und im übrigen die Berufung abgewiesen. Dies mit der Begründung, es sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer in den Kalenderjahren 1985 und 1986 noch gutgläubig die Lohnsummensteuer nicht abgeführt habe. Dies sei jedoch auf Grund einer Betriebsprüfung des Finanzamtes ab dem Kalenderjahr 1987 nicht mehr der Fall gewesen. Der Beschwerdeführer wäre daher ungeachtet seiner eigenen Rechtsmeinung und der seiner Rechtsfreunde jedenfalls gehalten gewesen, auch für die Jahre 1985 und 1986 eine Rücklagenbildung vorzusehen, weil er mit Steuernachzahlungen habe rechnen müssen. Der Beschwerdeführer hätte als Vertreter des Vereins für die ordnungsgemäße Entrichtung der Abgabe Sorge tragen müssen. Er könne nicht die Abgabenbehörde dafür verantwortlich machen, daß die Lohnsummensteuer zu einem Zeitpunkt vorgeschrieben werde, zu dem der Verein bereits in Zahlungsschwierigkeiten gewesen sei, zumal es sich bei der Lohnsummensteuer um eine Selbstbemessungsabgabe gehandelt habe, bei der der Abgabepflichtige von sich aus die Steuer zu erklären, zu berechnen und termingerecht zu entrichten gehabt hätte. Daß der Verein während des Haftungszeitraums bereits zahlungsunfähig gewesen wäre, habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Mit der Unterlassung der Abgabenentrichtung habe der Beschwerdeführer seine Pflichten als Vertreter des Vereins verletzt. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung nicht den Nachweis erbracht, daß ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichterlassung eines Haftungsbescheides verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den §§ 7 und 54 WAO setzt eine darauf gestützte Haftungsinanspruchnahme voraus, daß die rückständigen Abgaben uneinbringlich wurden und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen ist. Die Heranziehung des Vertreters zur Haftung gemäß § 7 Abs. 1 WAO hat weiters zur Voraussetzung, daß zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und der Uneinbringlichkeit der Forderung ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht. Das Tatbestandsmerkmal, daß die Abgaben "infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können", ist u.a. dann als erfüllt anzusehen, wenn der Vertreter bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeiten Mittel für die Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung der Zahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung hatte und er nicht - wenn auch nur anteilig - für die Abgabentilgung Sorge getragen hat. Insoweit - der Vertreter darf Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichenden Schulden, auch wenn nicht verlangt wird, daß der Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern befriedigt wird - ist auch das Ausmaß der Haftung bestimmt (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/17/0216).

Im Beschwerdefall ist die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung unbestritten. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, daß er jedenfalls während des im Abgabenfestsetzungsbescheid bezeichneten Abgabenzeitraumes verantwortlicher Präsident des abgabepflichtigen Vereines gewesen ist. Bei Abgaben, welche der Abgabenschuldner selbst zu berechnen und abzuführen hat, bestimmt sich der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob der verantwortliche Vertreter seinen abgabenrechtlichen Pflichten nachgekommen ist und ob der Abgabenschuldner die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/14/0077).

Für die gegenständlichen Abgabenzeiträume Jänner 1985 bis Dezember 1989 wäre die Lohnsummensteuer gemäß § 28 Gewerbesteuergesetz jeweils am 15. des darauffolgenden Monats fällig geworden. Auf den Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Selbstbemessungsabgabe kam es für die Prüfung der Haftungsvoraussetzungen nicht an.

Der Beschwerdeführer brachte vor, ihm seien keine liquiden Mittel zur Entrichtung der Abgabe zur Verfügung gestanden. Dagegen stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht behauptet, daß der Verein während des Haftungszeitraumes bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Diese Feststellung der belangten Behörde ist aktenwidrig. Eine solche Behauptung wurde vom Beschwerdeführer bereits vor Erlassung des Haftungsbescheides und dann auch noch im Berufungsverfahren erhoben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des verantwortlichen Haftungspflichtigen darzutun, weshalb er nicht Sorge dafür tragen konnte, daß der Verein die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Nicht die Abgabenbehörde hat daher das Ausreichen der Mittel der Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Ebenso hat dieser darzutun, daß er die Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (sogenanntes Gleichbehandlungsgebot). Diese den Vertreter treffende qualifizierte Mitwirkungspflicht kann freilich nicht so aufgefaßt werden, daß die Abgabenbehörde jedweder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0042).

Der Beschwerdeführer behauptete, durch den Sicherstellungsauftrag des Finanzamtes und die Pfändung der Geldforderungen seien ihm ab 1987 keine liquiden Mittel mehr zur Verfügung gestanden. Damit hat der Beschwerdeführer auch den Grund des Fehlens der liquiden Mittel bekanntgegeben und somit die behauptete Zahlungsunfähigkeit schlüssig dargelegt. Wenn die belangte Behörde an der Richtigkeit der Behauptungen und Darstellungen des Beschwerdeführers Zweifel gehabt hat, dann wäre es ihr oblegen, Beweise darüber aufzunehmen und die Beweisergebnisse im Rahmen der Beweiswürdigung bei der Erlassung des Haftungsbescheides darzulegen. Dies ist nicht erfolgt.

Erst in der Gegenschrift der belangten Behörde wird bemerkt, daß der Beschwerdeführer bis Ende 1989 noch Mittel zur Verfügung gehabt haben müsse, weil bis dahin Gehälter ausbezahlt worden seien. Abgesehen davon, daß Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof der angefochtene Bescheid ist und solche Ausführungen in der Gegenschrift im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellungen nicht zu ersetzen vermögen, findet sich im Akt die Ablichtung einer Klage gegen den Verein auf Zahlung von mehr als S 8,000.000,-- für ausstehende Gehälter, Provisionen und Honorare für den Zeitraum 1975 bis . Es ist nach der Aktenlage somit keineswegs gesichert, daß im Zeitraum ab 1987 tatsächlich überhaupt noch Mittel zur Zahlung der Gehälter vorhanden waren bzw. in einem solchen Ausmaß vorhanden waren, daß die aushaftende Lohnsummensteuer zur Gänze bezahlt hätte werden können.

Der angefochtene Bescheid war daher aus den genannten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war somit nicht mehr abzusprechen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die SS 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am