VwGH vom 07.06.2005, 2002/14/0011
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des J O in L, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Burghard-Breitner-Straße 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , GZ. RV774/1- T 7/01, betreffend Einkommensteuer 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Eigentümer eines im Jahr 1977 von seinem Vater übernommenen Wohn- und Geschäftshauses, das teilweise auch der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung diente. Nach den Feststellungen der belangten Behörde wurde das Mitte des 17. Jahrhunderts erbaute Gebäude im März 1995 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, weil es zuletzt wegen Baufälligkeit weder technisch noch wirtschaftlich weiter genutzt werden konnte.
Bei Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Jahr 1995 machte der Beschwerdeführer die mit 415.991,44 S bezifferten Abbruchkosten des Gebäudes als Werbungskosten geltend. Um die Berücksichtigung dieser Aufwendungen als Werbungskosten im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 1995 geht der gegenständliche Streit.
Im angefochtenen Bescheid vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass die Abbruchkosten für das nicht mehr verwendbare (abbruchreife) Gebäude nachträgliche Anschaffungskosten von Grund und Boden darstellen würden und somit im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten.
Begründend verweist die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 923/66. Der Verwaltungsgerichtshof habe in diesem Erkenntnis im Abbruch eines einsturzgefährdeten Gebäudes eine "Umwandlung bebauter Grundtücke in unbebaute oder - in den Begriffen des Einkommensteuergesetzes ausgedrückt - die Herstellung eines unbebauten Grundstückes" gesehen. Auch im Erkenntnis vom , 2108/61, habe der Verwaltungsgerichtshof den Erwerber eines Abbruchobjektes demjenigen gleich gestellt, der ein bereits freies Grundstück kauft und die Kosten im Rahmen des Kaufpreises entrichten muss. Der Beschwerdeführer habe in der Berufung auf näher angeführte Literaturstellen und auf Urteile des deutschen Bundesfinanzhofes verwiesen, in welchen eine abweichende Rechtsansicht vertreten werde, der sich die belangte Behörde aber aus den Gründen der genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes nicht anschließen könne.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Nach dem zweiten Satz des § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Aufwendungen oder Ausgaben für den Erwerb von Wirtschaftsgütern nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies "im folgenden ausdrücklich zugelassen ist". Nach Z. 8 leg.cit. sind Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung (§§ 7 und 8) zulässig.
Im Bereich der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z. 4 bis 7 unterscheidet das EStG 1988 zwischen den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die für den Erwerb von Wirtschaftsgütern (der Einkunftsquelle) aufgewendet werden müssen - sie sind, wie sich aus der Abgrenzungsvorschrift des § 16 Abs. 1 zweiter Satz und der Verweisung im § 16 Abs. 1 Z. 8 auf die §§ 7 und 8 ergibt, nur im Wege der Abschreibung absetzbar - und den Aufwendungen, die zur Erzielung der Einnahmen dienen und im Jahr der Verausgabung Werbungskosten bilden (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Tz. 1 zu § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG 1988).
Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten, die anfallen, nachdem das Wirtschaftsgut in die wirtschaftliche Verfügungsgewalt des Erwerbers gelangt ist und ebenfalls mit dem Erwerbsvorgang oder der Herstellung der Betriebsbereitschaft in einem kausalen oder zeitlichen Zusammenhang stehen (vgl. Doralt, Einkommensteuer6, Tz. 69 zu § 6, mit weiteren Nachweisen). Der Begriff der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist im betrieblichen und außerbetrieblichen Bereich gleich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/13/0111).
In dem von der belangten Behörde für ihren Standpunkt herangezogenen Erkenntnis vom , 923/66, hat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertreten, dass Aufwendungen für den Abbruch eines baufälligen Gebäudes der Herstellung eines unbebauten Grundstückes dienen und daher als nachträgliche Herstellungskosten zu den ursprünglichen Anschaffungskosten, soweit sie auf Grund und Boden entfielen, anzusehen sind. Es handle es um die "Umwandlung bebauter Grundstücke in unbebaute".
Diese Argumentation trifft im Beschwerdefall schon deshalb nicht zu, weil der gegenständliche Abbruch unstrittig nicht dazu gedient hat, "ein unbebautes Grundstück herzustellen", sondern dazu, auf dem Grundstück ein neues Gebäude zu errichten, welches wiederum zur Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung verwendet werden sollte (und tatsächlich auch wurde).
Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Ansicht vertritt, für die steuerliche Behandlung der Abbruchkosten bei Abriss eines baufälligen Gebäudes "durch den Alteigentümer" könne es keinen Unterschied machen, wie der Eigentümer in der Folge mit dem "hergestellten unbebauten Grundstück" verfährt, ob er es verkauft, unbebaut oder wieder bebaut vermietet, kann ihr nicht gefolgt werden.
Schon aus dem Werbungskostenbegriff ergibt sich vielmehr, dass es entscheidend auf den Veranlassungszusammenhang von Aufwendungen oder Ausgaben ankommt. Werden Aufwendungen (für den Abriss eines abbruchreifen Gebäudes) beispielsweise getätigt, um das (allenfalls neu bebaute) Grundstück sodann privat zu nutzen, liegt ein Zusammenhang mit einer künftigen Einnahmenerzielung von vornherein nicht vor und verbietet sich ein Abzug als Werbungskosten schon im Grunde der Bestimmungen der §§ 16 Abs. 1 und 20 Abs. 1 EStG 1988. Wird ein abbruchreifes Gebäude hingegen abgerissen, um das unbebaute Grundstück zu veräußern, sind die Aufwendungen diesem Vorgang zuzuordnen und nur insoweit steuerlich beachtlich, als die Veräußerung (des privaten Wirtschaftsgutes) der Einkommensteuer unterliegt (vgl. zum Ganzen auch Kohler/Nidetzky, Steuerhandbuch zur Vermietung und Verpachtung,
III. G. 6.; Kohler, Steuerleitfaden zur Vermietung, Tz. 8.8.; sowie Hofstätter/Reichel, a.a.O., § 6 EStG 1988 allgemein, Tz. 25).
Da im vorliegenden Fall unstrittig weiterhin Einkünfte aus der Vermietung des neu errichteten Gebäudes erzielt werden, können die Kosten für den Abbruch des verbrauchten Altgebäudes nicht den "Herstellungskosten eines unbebauten Grundstückes" zugerechnet werden. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am