VwGH vom 18.11.1993, 93/16/0104
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der M Gesellschaft mbH in Wien, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11-1239/92, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist allein die Frage strittig, ob ein der Beschwerdeführerin von ihrer Hauptgesellschafterin ab 1987 unverzinslich gewährtes Darlehen gemäß § 2 Z. 3 lit. b KVG gesellschaftsteuerpflichtig ist oder nicht.
Die Beschwerdeführerin vertritt den Standpunkt, die Hingabe eines von vornherein unverzinsten Darlehens sei wegen des zu passivierenden Rückzahlungsanspruches gar keine Leistung und sei bei einem sogenannten eigenkapitalersetzenden Darlehen wegen dessen auf die Finanzierung des Anlagevermögens ausgerichteten Funktion (worum es im Beschwerdefall gehe) allenfalls nur das Darlehen selbst geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, nicht aber die vereinbarte Unverzinslichkeit. Die ursprünglich gemäß § 3 Abs. 1 KVG angeordnete Gesellschaftsteuerpflicht für solche Darlehen sei aber nach der Aufhebung dieser Gesetzesstelle durch den Verfassungsgerichtshof vom Gesetzgeber nicht durch die Schaffung eines neuen Tatbestandes ersetzt worden.
Die belangte Behörde wies die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom ab, ging (wie die erste Instanz) davon aus, daß ein unverzinst hingegebenes Darlehen als "Überlassung von Gegenständen zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung" anzusehen sei und erachtete unter Zugrundelegung einer marktüblichen jährlichen Verzinsung von 6,5 % den Tatbestand des § 2 Z. 3 lit. b KVG als erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Kapitalverkehrsteuerfreiheit eines von vornherein unverzinst gewährten Darlehens verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Z. 3 lit. b KVG unterliegen der Gesellschaftsteuer freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistungen geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, wobei das Gesetz dafür unter anderem den Verzicht auf Forderungen und die Überlassung von Gegenständen an die Gesellschaft zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung ausdrücklich als Beispiele benennt.
Was die im vorliegenden Fall allein relevante Frage eines durch einen Gesellschafter an eine inländische Kapitalgesellschaft von vornherein unverzinst gewährten Darlehens anlangt, ist folgendes zu sagen:
Wie sonstige Leistungen, ist auch ein Darlehen eines Gesellschafters an die Gesellschaft i.S. der gerade oben zitierten Gesetzesstelle immer dann als freiwillig zu qualifizieren, wenn die Darlehenshingabe weder auf einer im Gesellschaftsvertrag noch im Gesetz begründeten Verpflichtung, sondern auf einem anderen Rechtsgrund beruht, so insbesondere auf einem Vertrag, dem nicht der Charakter eines Gesellschaftsvertrages zukommt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/16/0146 m.w.N.). Dieser Umstand ist im Beschwerdefall unstrittig gegeben.
Für die Erfüllung des in Rede stehenden gesellschaftsteuerlichen Tatbestandes ist weiters die objektive Eignung, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, erforderlich (vgl. das gerade oben zitierte hg. Erkenntnis vom ).
Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich bisher betreffend unverzinste Darlehen immer nur mit Fällen zu beschäftigen, in denen während der Laufzeit eines Darlehens ein Verzicht auf die Verzinsung erklärt wurde, und darin den Tatbestand des in § 2 Z. 3 lit. b KVG erwähnten Beispielsfalles des "Verzichts auf Forderungen" erblickt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 85/15/0323, , Zl. 2620/77 und vom , Zl. 2166/64). Der davon zu unterscheidende Fall eines von vornherein unverzinst gewährten Darlehens hingegen kann - wie auch die Streitteile übereinstimmend und zutreffend erkannt haben - nicht als Forderungsverzicht gesehen werden. Dazu vertritt nun die zu der insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. c des deutschen KVStG 1972 vorliegende deutsche Lehre und Judikatur die übereinstimmende Auffassung, daß ein Fall, in dem von vornherein die Unverzinslichkeit eines Darlehens (oder ein niedrigerer Zinssatz als der marktübliche) vereinbart wird, als die Überlassung eines Gegenstandes an die Gesellschaft zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung anzusehen ist (z.B. Brönner-Kamprad, Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz4 Rz 58 bzw. 64 zu § 2; Egly-Klenk, Gesellschaftsteuer Kommentar4 Rz 149 zu § 2; Kinnebrock-Meulenbergh, Kapitalverkehrsteuergesetz5 97 Rz 42 zu § 2;
BFH , Zl. II R 46/77 BStBl 1979/II382). Dieser Rechtsauffassung hat sich die belangte Behörde unter ausdrücklicher Berufung auf das gerade zitierte Erkenntnis des BFH vom angeschlossen, worin keine inhaltliche Rechtwidrigkeit zu erblicken ist, weil die unverzinste Hingabe einer Darlehensvaluta - anders als dies die Beschwerdeführerin darzustellen sucht - sehr wohl als die Überlassung eines Gegenstandes zur Nutzung anzusehen ist und dieser Nutzung im Falle der Unverzinslichkeit keinerlei Gegenleistung gegenübersteht; der Rückzahlungsanspruch der Darlehensgeberin ist, wie schon der BFH erkannt hat, kein Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Kapitals.
An der Richtigkeit der Auffassung der belangten Behörde vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Aufhebung des seinerzeitigen § 3 Abs. 1 Satz 1 KVG und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2166/64 nichts zu ändern, weil nach dem Außerkrafttreten der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Satz 1 KVG (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg.5993) der Darlehenszweck gesellschaftsteuerrechtlich keine Rolle mehr spielt und das zitierte hg. Erkenntnis, welches zu einem Fall ergangen ist, in dem nachträglich Darlehenszinsen wieder erlassen wurden - so wie die übrige bisherige hg. Judikatur - keineswegs eine Äußerung dahin enthält, daß ein von vornherein unverzinstes Darlehen nicht den Tatbestand des von § 2 Z. 3 lit. b KVG ausdrücklich genannten Beispielsfalles der "Überlassung von Gegenständen" erfüllen könnte.
Mit Rücksicht darauf, daß die nur im Zusammenhang mit der seit der ersatzlosen Aufhebung des § 3 Abs. 1 Satz 1 KVG nicht mehr relevanten eigenkapitalersetzenden Funktion eines Darlehens erhobene Verfahrensrüge von vornherein ins Leere geht, erweist sich daher der angefochtene Bescheid als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten und war daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991.