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VwGH vom 21.10.1998, 96/09/0347

VwGH vom 21.10.1998, 96/09/0347

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des E Ö in S, vertreten durch Mag. Bernhard Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, Liechtensteinerstraße 27, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom , Zl. III-6702/1459926, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am beim Arbeitsmarktservice Feldkirch die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den türkischen Staatsangehörigen S A als Lehrling im Lehrberuf "Landschaftsgärtner".

Diesen Antrag wies das Arbeitsmarktservice Feldkirch mit Bescheid vom gemäß § 4 Abs. 7 AuslBG ab.

In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, die Einstellung des beantragten Lehrlings sei erforderlich, um seinen Betrieb aufrecht erhalten zu können; für diese Lehrlingsstelle habe bislang keine andere Arbeitskraft vermittelt werden können. Der beantragte Ausländer sei vor mehr als drei Jahren im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Österreich gekommen und halte sich seither rechtmäßig in Österreich auf; er sei gemeinsam mit seinen Eltern in F wohnhaft und dort auch gemeldet. Der Vater des beantragten Ausländers sei mehr als 22 Jahre in Österreich beschäftigt. Im Zeitraum Jänner 1994 bis Juli 1994 habe der beantragte türkische Staatsangehörige die Berufsvorschule "Jugend am Werk" in Bregenz besucht und eine Beihilfe nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz erhalten. Der beantragte Ausländer sei nach seinen körperlichen und geistigen Voraussetzungen sowie seiner Schulbildung für die Lehrstelle bestens geeignet. Aufgrund des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei bestehe ein unmittelbarer Rechtsanspruch auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung, weil dieses zwischenstaatliche Abkommen zwingend Erleichterungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt vorsehe.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde zum wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Abänderung bestätigt, daß die beantragte Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 3 Z. 11 AuslBG versagt werde.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensverlaufes und der maßgebenden Rechtslage im wesentlichen aus, der beantragte Ausländer sei anläßlich einer am in Betrieb des Beschwerdeführers durchgeführten Kontrolle bei der Beschäftigung angetroffen worden; eine Beschäftigungsbewilligung habe damals nicht vorgelegt werden können. Der Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sei erst am beim Arbeitsmarktservice Feldkirch eingelangt. Im Zuge seiner anschließenden Vernehmung habe der beantragte Ausländer angegeben, bereits seit Jänner 1995 im Betrieb zu arbeiten und dafür eine monatliche Entlohnung von S 4.600,-- zu erhalten. Die beantragte Beschäftigungsbewilligung könne daher gemäß § 4 Abs. 3 Z. 11 AuslBG nicht erteilt werden. Im Rahmen des ihm gewährten Parteiengehörs habe der Beschwerdeführer den Vorwurf der bereits begonnenen Beschäftigung nicht zu entkräften vermocht. Eine legale Beschäftigung des beantragten Ausländers nach § 20b Abs. 1 AuslBG habe erst ab dem bestanden. Insoweit sich der Beschwerdeführer auf den Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 berufen habe, sei diesem Vorbringen entgegenzuhalten, die in Art. 7 dieses Beschlusses genannten Erleichterungen für türkische Staatsangehörige seien nicht so weit auszulegen, daß trotz eines fehlenden ordnungsgemäßen Aufenthaltes von fünf Jahren das Recht auf freien Zugang zu jeder Beschäftigung bestehe. Da ein mindestens fünfjähriger ordnungsgemäßer Aufenthalt des beantragten Ausländers in Österreich (noch) nicht vorliege, habe dieser auch unter Berücksichtigung des angeführten Abkommens nicht ohne Bewilligung nach dem AuslBG eine Beschäftigung aufnehmen dürfen, weshalb es sich zumindestens am um eine unerlaubte Beschäftigung gehandelt habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom , B 2866/95-6, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie entsprechend dem gestellten Eventualantrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer ergänzte aufgrund der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom seine Beschwerde mit Schriftsatz vom .

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den beantragten Ausländer verletzt. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im wesentlichen geltend gemacht, der Beschwerdeführer habe mehrfach auf die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80, insbesondere auf dessen Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich verwiesen. Zu diesem entscheidungswesentlichen Sachverhalt habe die belangte Behörde jedoch keine Ermittlungen angestellt. Der beantragte Ausländer sei zu keinem Zeitpunkt unerlaubt beschäftigt worden. Die belangte Behörde habe die am vom Arbeitsmarktservice Feldkirch ausgestellte Bescheinigung gemäß § 20b AuslBG nicht berücksichtigt. Auch bei Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung am (Anmerkung: damit ist das Datum des angefochtenen Bescheides gemeint) wäre es daher zu keiner Überschreitung der Bundeshöchstzahl gekommen. Der beantragte Ausländer habe im Sinne von Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 das Recht gehabt, sich in Österreich auf jedes Stellenangebot zu bewerben. Die beantragte Beschäftigungsbewilligung hätte demnach nicht versagt werden dürfen.

Die Beschwerde ist aus folgenden Erwägungen im Ergebnis berechtigt:

Die belangte Behörde hat die Versagung der für einen Lehrling beantragten Beschäftigungsbewilligung auf das Bewilligungshindernis des § 4 Abs. 3 Z. 11 AuslBG gestützt.

Nach dieser Gesetzesstelle darf die Beschäftigungsbewilligung weiters nur erteilt werden, wenn die Beschäftigung, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nicht bereits begonnen hat.

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt. Nach Abs. 2 leg. cit. darf ein Ausländer, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, eine Beschäftigung nur antreten und ausüben, wenn für ihn eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, oder wenn er eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 87/09/0267, und vom , Zl. 92/09/0388) dargelegt hat, ist der Tatbestand des § 4 Abs. 3 Z. 11 AuslBG erfüllt, wenn der ausländische Arbeitnehmer die Beschäftigung vor der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung beim antragstellenden Arbeitgeber aufgenommen hat. Ihrem Zweck nach zielt diese Bestimmung auf die Sicherung des sich aus dem § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AuslBG für den Arbeitgeber bzw. den Arbeitnehmer ergebenden Verbots ab, den ausländischen Arbeitnehmer ohne behördliche Bewilligung zu beschäftigen bzw. eine solche Beschäftigung ohne behördliche Bewilligung anzutreten. Aus dem Gesetzeswortlaut in Verbindung mit dem Schutzzweck dieser Bestimmung, ist zum einen abzuleiten, daß dieser Tatbestand erfüllt ist, wenn eine nach dem AuslBG bewilligungspflichtige Beschäftigung aufgenommen wurde, die mit der beantragten Beschäftigung im inhaltlichen Zusammenhang steht. Ein solcher inhaltlicher Zusammenhang zwischen den Beschäftigungen besteht dann, wenn die Tätigkeiten, zu denen das Beschäftigungsverhältnis den Beschäftigten verpflichtet, zumindest gleichartig sind. Andererseits folgt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Schutzzweck des § 4 Abs. 3 Z. 11 AuslBG auch, daß eine derartige zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Entscheidung über die Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Beschäftigung beim antragstellenden Arbeitgeber begonnene Beschäftigung der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nur dann entgegensteht, wenn sie im Zeitpunkt der (letztinstanzlichen) behördlichen Entscheidung noch nicht beendet ist. Die ausgeübte Beschäftigung ist erst dann als beendet anzusehen, wenn mit der beantragten Beschäftigung kein Fortsetzungszusammenhang mehr besteht.

Schon vor diesem rechtlichen Hintergrund hat die belangte Behörde im Beschwerdefall jedoch verkannt, daß die getroffene Feststellung, der beantragte Ausländer sei seit Jänner 1995 bis vom Beschwerdeführer unerlaubt beschäftigt worden bzw. zumindest am habe es sich um eine unerlaubte Beschäftigung gehandelt, nicht ausreichend ist, um im maßgebenden Zeitpunkt der Berufungsentscheidung (der angefochtene Bescheid vom wurde am erlassen) das herangezogene Bewilligungshindernis rechtlich fehlerfrei bejahen zu können, wurde doch nicht festgestellt, daß seit dem eine unerlaubte Beschäftigung des beantragten Ausländers vorgelegen sei. Nach der am vom Arbeitsmarktservice Feldkirch ausgestellten Bescheinigung gemäß § 20b AuslBG war der Beschwerdeführer nämlich vorläufig berechtigt, den beantragten Ausländer als "Landschaftsgärtner-Lehrling" zu beschäftigen.

Der Beschwerdeführer ist des weiteren damit im Recht, daß die belangte Behörde sein auf das Assoziationsabkommen EWG-Türkei und den aufgrund dieses Abkommens ergangenen Beschluß Nr. 1/80 des Assoziationsrates (ARB Nr. 1/80) gestütztes Sachvorbringen nicht berücksichtigt bzw. daraus nicht die notwendigen rechtlichen Folgerungen gezogen hat.

Nach dem Art. 9 des genannten Beschlusses werden türkische Kinder, die in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft ordnungsgemäß bei ihren Eltern wohnen, welche dort ordnungsgemäß beschäftigt sind oder waren, unter Zugrundelegung derselben Qualifikationen wie die Kinder von Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates zum allgemeinen Schulunterricht, zur Lehrlingsausbildung und zur beruflichen Bildung zugelassen. Sie können in diesem Mitgliedstaat Anspruch auf die Vorteile haben, die nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in diesem Bereich vorgesehen sind.

Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall eine Auseinandersetzung mit dieser (seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union unmittelbar anzuwendenden) Regelung des Art. 9 ARB Nr. 1/80 unterlassen. Sie hat solcherart verkannt, daß dem Beschwerdeführer bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 9 ARB Nr. 1/80 eine Beschäftigungsbewilligung für die Lehrlingsausbildung des von ihm beantragten türkischen Staatsangehörigen wegen des auf § 4 Abs. 3 Z. 11 AuslBG gestützten Bewilligungshindernisses der bereits begonnenen unerlaubten Beschäftigung als Lehrling nicht versagt hätte werden dürfen. Der von der belangten Behörde als noch nicht erfüllt angesehene fünfjährige ordnungsgemäße Aufenthalt des türkischen Staatsangehörigen ist nicht Tatbestandsvoraussetzung für einen Zugang zur Lehrlingsausbildung nach dem Art. 9 ARB Nr. 1/80.

Die Annahme der belangten Behörde, die von Jänner 1995 bis bereits begonnene Beschäftigung sei wegen dieses noch nicht fünfjährigen ordnungsgemäßen Aufenthaltes des beantragten türkischen Staatsangehörigen bewilligungspflichtig nach dem AuslBG und damit unerlaubt gewesen, geht an der im Art. 7 Satz 1 erster Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 eingeräumten Bewerbungsfreiheit eines türkischen Familienangehörigen vorbei (vgl. in dieser Hinsicht das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/09/0297). Die belangte Behörde hat demnach im vorliegenden Fall auch eine Auseinandersetzung damit unterlassen, ob der beantragte Ausländer als türkischer Familienangehöriger die tatbestandlichens Voraussetzungen dieser Bewerbungsfreiheit im maßgebenden Beschäftigungszeitraum bereits erfüllte. Stand diesem beantragten Ausländer aber das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, bereits zu, dann konnte dem Beschwerdeführer als Arbeitgeber nicht entgegengehalten werden, er habe dadurch, daß er die Bewerbung eines derartigen türkischen Familienangehörigen annahm, eine unerlaubte bewilligungspflichtige Beschäftigung dieses Ausländers in seinem Betrieb zugelassen.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage somit maßgebende Ermittlungen und Feststellungen zur Stützung ihres ausschließlich für die Versagung der Beschäftigungsbewilligung herangezogenen Bewilligungshindernisses nicht angestellt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am