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VwGH vom 17.02.1994, 93/16/0020

VwGH vom 17.02.1994, 93/16/0020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des B in G, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , B 104-6/92, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i. A. Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am zugestellten Bescheid vom leitete das Zollamt Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den im landesgerichtlichen Gefangenenhaus in Graz als Untersuchungshäftling befindlichen Beschwerdeführer ein Finanzstrafverfahren ein.

Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist und erhob gleichzeitig "Berufung" gegen den Bescheid betreffend die Einleitung des Finanzstrafverfahrens. Er habe gegen diesen Bescheid Berufung erheben wollen, sei aber daran durch ein unabwendbares und für ihn unvorhergesehenes Ereignis gehindert worden, weil seine Ausführungen (aus dem landesgerichtlichen Gefangenenhaus) zum Masseverwalter bzw. in die Räumlichkeiten der XY Ges.m.b.H. entgegen eines ursprünglich anderslautenden Beschlusses des Gerichtes ohne Vorankündigung am um 15.00 Uhr abgebrochen worden seien. Ab diesem Zeitpunkt sei ihm jeder Kontakt mit dem Masseverwalter und den in den Räumlichkeiten der genannten Ges.m.b.H befindlichen Unterlagen, worunter sich der Bescheid vom befunden habe, untersagt worden. Erst am habe ihm ein Mitarbeiter des Masseverwalters den Bescheid übergeben. Ohne Abbruch der Ausführung hätte er am 7. oder ein Rechtsmittel erhoben, was ihm auf Grund der Trennung vom Bescheid und von den diesbezüglichen Unterlagen nicht möglich gewesen sei. Außerdem seien alle seine Terminaufzeichnungen in den Räumlichkeiten der "Masse" verblieben, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sei, diese Termine wahrzunehmen.

Das Zollamt Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz hat mit Bescheid vom den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen.

Eine dagegen erhobene Administrativbeschwerde hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen und führte dabei im wesentlichen aus, Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei, daß den Antragsteller an der Versäumung der Frist kein Verschulden treffen dürfe, das über den minderen Grad eines Versehens hinausgehe. Verbringe ein Untersuchungshäftling an ihn persönlich zugestellte Bescheide aus dem Gefangenenhaus, so verhalte er sich auffallend sorglos, weil er nicht darauf vertrauen könne, jederzeit Zugriff auf das Schriftstück zu haben. Dem Beschwerdeführer sei zumutbar gewesen, anläßlich des Abbruches seines Ausganges am sofort das Rechtsmittel der Beschwerde einzubringen, weil er gewußt habe, daß die Beschwerdefrist in Kürze ablaufen werde. Der Masseverwalter habe das genannte Rechtsmittel nicht einbringen können, weil er nur der gesetzliche Vertreter der Masse gewesen sei und sich nicht als gewillkürter Parteienvertreter des Beschwerdeführers erklärt habe. Ein von ihm mit der Akteneinsicht Beauftragter sei zur Einbringung des Rechtsmittels nach § 77 Abs. 1 FinStrG nicht befugt gewesen. Im übrigen habe sich der Beschwerdeführer die Einbringung des Rechtsmittels selbst vorbehalten. Es wäre daher seine Aufgabe gewesen, das Rechtsmittel zeitgerecht einzubringen und in der Begründung der Beschwerde darauf hinzuweisen, daß er am Zugriff zu seinen Unterlagen gehindert worden sei. Der Beschwerdeführer habe daher die im Verkehr mit Behörden für die Einhaltung von Fristen erforderliche und nach seinem persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Seinem gesamten Vorbringen nach erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 167 Abs. 1 FinStrG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß dem Beschuldigten oder dem Nebenbeteiligten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfaßt jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodaß nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (vgl. hg. Erkenntnisse vom , Zl. 85/16/0032, und vom , Zlen. 86/10/0169 bis 0171).

Von einem minderen Grad des Versehens kann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Wiedereinsetzungswerber die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht läßt

(vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/16/0046).

Nun hat der Beschwerdeführer in der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde nicht einmal mehr behauptet, "verhindert" gewesen zu sein, um fristgerecht das Rechtsmittel einbringen zu können. Daß er tatsächlich nicht verhindert war, deckt sich auch mit der Aktenlage. Zwar mag für den Beschwerdeführer subjektiv ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis insofern vorgelegen sein, als die täglichen Ausführungen offenbar gegen seinen Willen abgebrochen wurden und er daher keinen Zugang zum Masseverwalter oder in die Räumlichkeiten der genannten Ges.m.b.H. mehr hatte. Bis zur Beendigung der Ausführungen am - zwei Tage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist - war die Einbringung der Berufung (vom Beschwerdeführer auch im verwaltungsbehördlichen Verfahren unbestritten) ohne weiteres möglich. Erst ab diesem Zeitpunkt sei dies nach Ansicht des Beschwerdeführers infolge Trennung vom Bescheid und von den Unterlagen unmöglich gewesen. Auch wenn der Beschwerdeführer nach seiner Darstellung "vom Bescheid und von den Unterlagen getrennt gewesen war" - die behauptete Verbringung des Bescheides sowie der Terminaufzeichnungen aus dem gerichtlichen Gefangenenhaus hat die belangte Behörde mit Recht als auffallende Sorglosigkeit gewertet, weil der Beschwerdeführer keinesfalls damit rechnen konnte, jederzeit ungehindert Ausgang aus dem gerichtlichen Gefangenenhaus zu haben - hätte er eine solche Beschwerde erheben können. Er hat aber weder behauptet noch dargetan, physisch oder psychisch gehindert gewesen zu sein, innerhalb dieser noch zur Verfügung stehenden Frist eine Beschwerde einzubringen. Aus diesem Grund erweist sich auch der geltend gemachte Verfahrensmangel, wonach die Mitarbeiter des Masseverwalters darüber zu vernehmen gewesen wären, daß er mit den täglichen Ausführungen rechnen habe können und er alles getan habe, um die Frist zu wahren und somit das Ereignis für ihn unvorhersehbar und unabwendbar gewesen sei, im vorliegenden Beschwerdefall ohne Relevanz, weil Beweisthema seines Beweisantrages nicht die Frage war, ob der Beschwerdeführer an den restlichen ihm zur Verfügung stehenden Tagen gehindert gewesen war, Beschwerde zu erheben. Zwar haben Rechtsmittel nach den Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes bestimmte formelle und inhaltliche Voraussetzungen zu erfüllen, eine innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebrachte Eingabe, die wenigstens erkennen läßt, daß sich die Partei durch eine Entscheidung der Finanzstrafbehörde erster Instanz beschwert fühlt und einen Rechtsanspruch auf Überprüfung des Bescheides durch die Oberbehörde geltend macht, ist aber als Rechtsmittel zu werten. Das Fehlen von förmlichen oder inhaltlichen Erfordernissen berechtigt die Behörde nicht zur Zurückweisung des Rechtsmittels, sondern es hat in einem derartigen Fall ein Mängelbehebungsauftrag zu ergehen. Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausführt, hätte der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung bloß darauf hinweisen müssen, daß er am Zugriff zu seinen Unterlagen gehindert worden sei.

Daß der Beschwerdeführer eine Person beauftragt hat, Akteneinsicht zu nehmen, und diese nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist eine solche auch vorgenommen hat, konnte ihn an der fristgerechten Einbringung des Rechtsmittels nicht hindern. Die Beischaffung von Beweismitteln vermögen die Versäumung einer Rechtsmittelfrist jedenfalls nicht zu rechtfertigen, zumal die erforderlichen Beweise auch noch im Zuge des Verfahrens beigebracht werden können

(vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 1693/71).

Daß dem Beschwerdeführer der Fall nicht außer Evidenz gekommen ist, obwohl die Terminaufzeichnung seiner Darstellung nach sich außerhalb des Gefangenenhauses befunden haben soll, zeigt seine Behauptung in der Beschwerde, wonach er mit Abbruch der Ausführung seinen zur Akteneinsicht Beauftragten nicht mehr anhalten habe können, die Akteneinsicht durchzuführen, was geschehen wäre, wenn die Ausführung am letzten Tag nicht bis 15.00 Uhr, sondern bis 17.00 Uhr gedauert hätte. Durch einen neuerlichen Akteneinsichtsauftrag wäre die Akteneinsicht spätestens am nächsten Tag in der Früh vorgenommen worden.

Da weder der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift behauptet hat, daß er verhindert gewesen war, das Rechtsmittel fristgerecht zu erheben, noch sich aus den vorgelegten Akten Anhaltspunkte dafür ergeben haben, erweist sich die vorliegende Beschwerde als nicht berechtigt. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG) als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.