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VwGH vom 28.11.2002, 2002/13/0151

VwGH vom 28.11.2002, 2002/13/0151

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des AL in E, vertreten durch Dr. Helmut Kientzl, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Rudolf Dieselstraße 26, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/68 - 10/02, betreffend Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerdeschrift, der ihr angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides und weiteren vom Beschwerdeführer der Beschwerdeschrift angeschlossenen Beilagen ergibt sich Folgendes:

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten einer Winzergenossenschaft an Umsatzsteuer für die Zeiträume "11/97, 01/98, 02/98 und 1998" im Gesamtbetrag von S 477.975,-- mit der Begründung in Anspruch genommen, der Beschwerdeführer sei als Vorstand der Winzergenossenschaft zur Abgabenentrichtung aus Genossenschaftsmitteln verpflichtet gewesen. Für den Zeitraum 1997 bis 1998 sei die Umsatzsteuer zwar gemeldet und rechtskräftig festgesetzt, jedoch nicht entrichtet worden, wobei der Rückstand bei der Genossenschaft uneinbringlich sei. Die Genossenschaft übe keine Tätigkeit mehr aus, verfüge über kein Vermögen und die gesamten mobilen Vermögenswerte der Genossenschaft seien an eine Bank zur Kreditbesicherung verpfändet worden. Nach Abverkauf der Pfandmasse sei die auf den Veräußerungserlös entfallende Umsatzsteuer nicht entrichtet worden. Durch das pflichtwidrige Verhalten des Beschwerdeführers als Vertreter der Genossenschaft sei die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung eingetreten.

In einer gegen diesen Haftungsbescheid für den Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde vorgetragen, auf Grund des seinerzeitigen Weinskandals sei auch die Winzergenossenschaft in wirtschaftliche Turbulenzen geraten. Zur Vermeidung einer Zahlungsunfähigkeit oder der Erforderlichkeit, die vorhandene Weinmenge unter Druck unter dem Einstandspreis verkaufen zu müssen, seien Teile des Vermögens an eine Bank verpfändet worden. Zum Zeitpunkt der Verpfändung seien die Vermögenswerte "werthaltig" gewesen, sodass der Beschwerdeführer davon habe ausgehen können, bei einer Veräußerung auch die darauf entfallende Umsatzsteuer abdecken zu können. Es sei auch mit der Bank vereinbart gewesen, dass diese die vereinnahmte Umsatzsteuer an das Finanzamt weiterleiten würde. Trotz dieser Vereinbarung sei die Genossenschaft aber über Druck der Bank gezwungen worden, ihre Vermögenswerte zu verwerten, wodurch es zu einem wesentlich geringeren Verkaufserlös gekommen sei, was bei der seinerzeitigen Verpfändung nicht vorhersehbar gewesen sei. Auch habe sich die Bank auf Grund ihrer eigenen Probleme an die getroffenen Abmachungen nicht gehalten, weshalb ein Verschulden des Beschwerdeführers nicht vorliege.

Mit dem angefochtenen Bescheid blieb der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Haftungsbescheid ein Erfolg versagt. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin sei ebenso unbestritten wie die Vertretereigenschaft des Beschwerdeführers, führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid begründend aus. Die Abgabenschuldigkeiten seien im Zuge des Abverkaufes des Weines aus einem Lombardlager entstanden, wobei der Bruttoerlös auf das Konto der Genossenschaft bei der Bank überwiesen worden sei. Wohl gehe aus einem Schreiben des Beschwerdeführers vom an das Finanzamt hervor, dass der Abverkauf und die Entrichtung der darauf entfallenden Umsatzsteuer durch die Bank mit deren Generaldirektor besprochen worden sei. Tatsache sei allerdings, dass die Bank die Umsatzsteuer nicht entrichtet und in einem Schreiben vom bestritten habe, dass es eine Vereinbarung gegeben habe, für die Winzergenossenschaft die Umsatzsteuer abzuführen. Deshalb hafteten die genannten Umsatzsteuerbeträge aus, für welche der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen worden sei. Die schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers liege darin, dass er bei Verpfändung der Vermögenswerte der Winzergenossenschaft an die Bank nicht in geeigneter Form sichergestellt habe, dass auf das Konto bei der Bank lediglich der Nettoerlös aus den Weinverkäufen und auf das Finanzamtskonto die darauf entfallende Umsatzsteuer überwiesen werden würde. Dadurch habe sich der Beschwerdeführer der Möglichkeit begeben, für ihn absehbare Umsatzsteuerzahlungen an die Abgabenbehörde bei Fälligkeit entrichten zu können, wodurch es zu einer Ungleichbehandlung des Abgabengläubigers gegenüber der besicherten Bank gekommen sei. Diese schuldhafte Pflichtverletzung sei auch Ursache der Uneinbringlichkeit der dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Abgabenschuldigkeiten. Es stehe die behauptete Vereinbarung, nach welcher die Bank die Umsatzsteuer überweisen würde, auch mit der Aktenlage nicht im Einklang, weil bei der Bank hohe Verbindlichkeiten bestanden hätten und aus einem Schreiben vom an das Finanzamt hervorgehe, dass die Konten der Winzergenossenschaft gesperrt seien, sodass keine Transaktionen durchgeführt werden könnten. Der Behauptung des Beschwerdeführers über eine Werthaltigkeit verpfändeter Vermögensteile zum Zeitpunkt ihrer Verpfändung könne nicht gefolgt werden. Aus einem Gutachten über die Bewertung des Inventars und der landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte der Genossenschaft gehe Gegenteiliges hervor. Wäre der Beschwerdeführer mit der Sorgfalt eines ordnungsgemäßen Geschäftsführers vorgegangen, dann hätte er sich schon bei Verpfändung der Vermögenswerte an die Bank durch eine geeignete Wertermittlung vergewissern müssen, ob mit einem späteren Veräußerungserlös neben den Bankschulden auch die anfallende Umsatzsteuer aus der Veräußerung abgedeckt werde können.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten. Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers bedeutet aber nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Geschäftsführer nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm aufgestellten Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. für viele das hg Erkenntnis vom , 2000/14/0149, mit weiterem Nachweis).

Das im Beschwerdefall erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren war freilich nicht geeignet, eine Ermittlungspflicht der Behörde auszulösen, weil es auch im Falle seiner Erweislichkeit nicht geeignet gewesen wäre, die im Unterlassen der gebotenen Abfuhr der Umsatzsteuer an das Finanzamt gelegene Pflichtverletzung des Beschwerdeführers als unverschuldet erkennen zu lassen. Überließ der Beschwerdeführer, wie sich dies aus seinem Vorbringen ergibt, die Wahrnehmung der gesetzlich ihn treffenden Pflicht zur Abfuhr der Umsatzsteuer aus dem Verkauf der verpfändeten Weinkontingente der Bank, dann blieb das Risiko, dass die Bank die Umsatzsteuer gegebenenfalls vereinbarungswidrig nicht an das Finanzamt abführen würde, auf ihm lasten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründet es ein haftungsrelevantes Verschulden des Vertreters einer Gesellschaft, wenn der Vertreter eine solche Beschränkung seiner Befugnisse in Kauf nimmt, welche die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung dem Abgabengläubiger gegenüber in Frage stellt (siehe neben dem bereits zitierten hg. Erkenntnis vom , 2000/14/0149, auch die hg. Erkenntnisse vom , 96/14/0076, und vom , 2001/14/0205, jeweils mit weiteren Nachweisen). Für die vom Beschwerdeführer eingeschlagene Vorgangsweise, sich auf die mündliche Zusage des Bankdirektors - das Vorliegen einer einen Nachweis sichernden schriftlichen Bekundung der Bank wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet - zu verlassen, dass die Umsatzsteuer aus einem Verkauf der verpfändeten Weinmengen von der Bank trotz erheblicher Verbindlichkeiten der vertretenen Genossenschaft bei dieser Bank für die Genossenschaft an das Finanzamt würde abgeführt werden, gilt nichts anderes. Dies stellte ein Verhalten dar, mit welchem dem Beschwerdeführer am Eintritt des Ergebnisses einer unterbliebenen Umsatzsteuerabfuhr an das Finanzamt zumindest Fahrlässigkeit vorgeworfen werden muss, welche als haftungsbegründendes Verschulden aber ausreicht (siehe etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , 96/14/0076).

Aus diesen Gründen bedurfte es der in der Beschwerde vermissten Vernehmung des ehemaligen Bankdirektors nicht, weil auch eine vom Bankdirektor allenfalls mündlich gegebene Zusage künftiger Entrichtung der Umsatzsteuer für die Genossenschaft durch die Bank dem Beschwerdeführer nicht jene Sicherheit einer zuverlässigen Erfüllung der ihn allein treffenden abgabenrechtlichen Pflichten durch die Bank hätte verschaffen können, wie sie zu fordern war, um das tatsächliche Unterbleiben einer Umsatzsteuerentrichtung als unverschuldet erkennen zu lassen.

Soweit der Beschwerdeführer den Ausführungen des angefochtenen Bescheides über den Wert des verpfändeten Vermögens der Genossenschaft entgegen tritt, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit seinen Argumenten ebenso wie mit jenen des angefochtenen Bescheides, weil die Frage des Wertes des verpfändeten Genossenschaftsvermögens für die Rechtsfrage des Vorliegens eines Verschuldens des Beschwerdeführers am Unterbleiben einer Entrichtung der Umsatzsteuer aus dem Verkauf des verpfändeten Vermögens irrelevant ist. Wurden die verpfändeten Vermögenswerte verkauft, dann schuldete der Verkäufer die Umsatzsteuer ohne Rücksicht auf den Verkaufspreis und ohne Rücksicht darauf, ob dieser dazu ausreichte, die Schulden der Genossenschaft bei der Bank abzudecken oder nicht.

Da der Inhalt der Beschwerde somit schon erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am