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VwGH vom 23.02.1994, 90/13/0075

VwGH vom 23.02.1994, 90/13/0075

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Büsser, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom , Zl. 6/3-3239/89-01, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1976 bis 1983 sowie Verspätungszuschläge zu Umsatzsteuer 1976 bis 1982 und Gewerbesteuer 1978 bis 1982, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1983 wird als unbegründet abgewiesen. Im übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 85/13/0206, verwiesen. Mit diesem wurde der damals angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften deshalb aufgehoben, weil die belangte Behörde Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 184 BAO ansetzte, ohne Hinweise dafür zu haben, daß der Beschwerdeführer eine gewerbliche Tätigkeit überhaupt ausgeübt hatte und welcher Art diese Tätigkeit gewesen war.

Im fortgesetzten Verfahren richtete die belangte Behörde an den Beschwerdeführer ein Schreiben folgenden Inhaltes:

"Es ist beabsichtigt, Ihnen die strittigen Einkünfte auch mit den laut Betriebsprüfung bei Frau S (der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers) erfaßten Beträgen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zuzurechnen. Frau S war laut eigenen Angaben im Zeitraum 1976 bis 1983 nicht berufstätig und es gibt auch keinen Anhaltspunkt, daß sie nicht nur als Hausfrau tätig gewesen wäre. Falls keine gegenteiligen Beweismittel vorgelegt werden, ist von freigebigen Zuwendungen von Ihrer Seite an sie auszugehen.

Nach den Lebenserfahrungen sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusetzen, da Sie als gelernter Maurer jedenfalls eine entsprechende Ausbildung haben, um unternehmerisch bei Bauarbeiten tätig zu sein.

Nichtbetriebliche Einkunftsarten (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung - soweit nicht gesondert zu erfassen - und sonstige Einkünfte) können nach den Erfahrungen des täglichen Lebens von vornherein außer Betracht bleiben. Für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und aus selbständiger Arbeit gibt es keinerlei Hinweise.

Es steht Ihnen jedoch frei, durch Vorlage geeigneter Unterlagen bzw. Beweismittel die obigen Ausführungen zu widerlegen."

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid hat die belangte Behörde die Abgabenfestsetzungen der Jahre 1976 bis 1982 zum Nachteil des Beschwerdeführers abgeändert und die Berufung im übrigen neuerlich als unbegründet abgewiesen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, langjährig und ausschließlich von Spielgewinnen zu leben und Vermögen zu bilden, stehe im Widerspruch zu den Erfahrungen des täglichen und wirtschaftlichen Lebens. Hingegen biete die Berufsausbildung des Beschwerdeführers als Maurer einen Anhaltspunkt für eine konkrete wirtschaftliche Tätigkeit. In diesem Beruf sei es relativ leicht möglich, durch Tätigkeiten für rasch wechselnde Auftraggeber und Arbeiten an verschiedenen Orten auf Jahre hindurch Einkünfte zu erzielen, ohne sie zunächst der Besteuerung zu unterziehen. Auch stünde es in Einklang mit den Erfahrungen des wirtschaftlichen Lebens, daß jemand, der eine Ausbildung als Maurer abgeschlossen hat, diesen Beruf später tatsächlich ausübt, während es für andere Tätigkeiten oder Einkünfte des Beschwerdeführers keinerlei Anhaltspunkt gäbe. Da die Aussage der Lebensgefährtin S, ebenfalls Einkünfte aus Spielgewinnen erzielt zu haben, in gleicher Weise unglaubwürdig erscheine, müßten die zunächst bei ihr im Schätzungswege angesetzten Einkünfte entsprechend den tatsächlichen Verhältnissen dem Beschwerdeführer zugerechnet werden. Die belangte Behörde schlug somit die gesamten (für den Beschwerdeführer und Frau S) mit monatlich S 19.000,-- (1976) bis S 25.000,-- (ab 1979) geschätzten Lebenshaltungskosten dem Beschwerdeführer zu und kam unter Berücksichtigung anderer Ausgaben im Wege einer Vermögensdeckungsrechnung zu folgenden Umsätzen bzw. Gewinnen aus der (vermuteten) Tätigkeit als Maurer:

Jahr Umsatz Gewinn

1976 S 459.138,98 S 406.338,--

1977 S 386.865,54 S 342.376,--

1978 S 227.789,83 S 201.594,--

1979 S 349.456,50 S 309.269,--

1980 S 726.256,49 S 642.737,--

1981 S 1,017.422,61 S 900.419,--

1982 S 936.597,74 S 828.889,--

Für 1983 wurde weder Umsatzsteuer noch Einkommen- und Gewerbesteuer festgesetzt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst den Bescheidcharakter des angefochtenen Bescheides, weil auf der ihm zugekommenen Ausfertigung kein Amtssiegel angebracht ist. Diesem Einwand kommt keine Berechtigung zu. Das Anbringen eines Amtssiegels ist in der Bundesabgabenordnung generell nicht vorgesehen. Vielmehr genügt gemäß § 96 BAO die Bezeichnung der bescheiderlassenden Behörde. Der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegte Bescheid enthält sowohl diese Angabe als auch den Namen desjenigen, der die Erledigung genehmigt hat unter Beisetzung der Klausel "Für die Richtigkeit der Ausfertigung" und ist von dem zur Beglaubigung ermächtigten Amtsorgan eigenhändig unterschrieben. Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt daher nicht vor.

Auch der vom Beschwerdeführer behauptete Zustellmangel (Zustellung des angefochtenen Bescheides an ihn und nicht an den zustellungsbevollmächtigten Rechtsanwalt) wurde gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz geheilt, weil der angefochtene Bescheid gleichzeitig mit der Beschwerde vom Parteienvertreter selbst dem Gerichtshof vorgelegt wurde und ihm folglich spätestens zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung tatsächlich zugekommen sein mußte.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, die belangte Behörde habe es unterlassen, die angebotenen Beweise darüber, daß Spielgewinne in der zur Deckung der Lebenshaltungskosten und der Grundstückskäufe erforderlichen Höhe durchaus wahrscheinlich und auch praktisch möglich sind, aufzunehmen. Im einzelnen handelt es sich dabei um die folgenden Anträge:

a) Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Glücksspiele,

b) Einvernahme eines informierten Vertreters der Casinos Austria AG,

c) Demonstration eines nachgestellten Spieles unter Aufsicht der Finanzbehörde.

Diese Anbote beziehen sich auf ein Beweisthema, das nicht geeignet ist, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu erhellen. Geht es doch nicht darum, ob der Beschwerdeführer Spielgewinne erzielen KONNTE, sondern darum, ob er in den Streitjahren TATSÄCHLICH soviel beim Roulette gewonnen hat, daß damit der Aufwand für Lebensunterhalt und Grundstückskäufe aufgeklärt erscheint. Über die tatsächlich erzielten Spielgewinne aber kann ein Sachverständiger keine Auskunft geben. Welcher "Vertreter" der Casinos Austria AG hinsichtlich der Spielerfolge des Beschwerdeführers in verschiedenen österreichischen Casinos hätte informieren können, zeigte der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch vor dem Gerichtshof auf. Dies wäre auch deswegen erforderlich gewesen, weil er die Aufzeichnungen des Glückspielunternehmens zur Häufigkeit seiner Spielbankenbesuche über entsprechenden Vorhalt als unvollständig bezeichnet hatte. Einem Demonstrationsspiel mußte die belangte Behörde schließlich schon deshalb nicht zu Beweiszwecken beiwohnen, weil sie die Möglichkeit von (einzelnen) Spielgewinnen nicht in Abrede stellte, sondern sein über Jahre hindurch anhaltendes Spielglück in Zweifel zog. Dadurch, daß die belangte Behörde diesen Beweisanboten nicht entsprochen hat, wurden wesentliche Verfahrensvorschriften somit nicht verletzt.

Beweismittel für die Höhe der per saldo in den Streitjahren erzielten Gewinne hat der Beschwerdeführer auch im fortgesetzten Verfahren nicht beigebracht. Die belangte Behörde mußte daher, wie schon im Vorerkenntnis festgehalten, der Behauptung, jahrelang im wesentlichen von Spielgewinnen gelebt und Vermögen gebildet zu haben, keinen Glauben schenken. Sie konnte somit vom Vorliegen eines ungeklärten Vermögenszuwachses bzw. ungedeckter Lebenshaltungskosten ausgehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt ein in einem mängelfreien Verfahren festgestellter unaufgeklärter Vermögenszuwachs die Annahme, daß die Vermehrung des Vermögens aus nichteinbekannten Einkünften herrührt (vgl. u. a. die hg. Erkenntnisse vom , 90/13/0299, und vom , 91/13/0198). Gleiches gilt, wenn der Abgabepflichtige nicht aufzuklären vermag, aus welchen Quellen er seinen laufenden Lebensunterhalt bestreiten konnte. Das bedeutet aber nur, daß die Behörde des Nachweises der konkreten Geschäfte enthoben ist. Keine rechtliche Grundlage bietet die Bestimmung des § 184 BAO der Abgabenbehörde hingegen dafür, ungeklärte Beträge einer Einkunftsart zuzuordnen, deren Vorliegen nicht festzustellen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/13/0155). Während die belangte Behörde im ersten Rechtsgang nicht einmal aufzeigte, welcher Art die vermuteten gewerblichen Einkünfte des Beschwerdeführers gewesen sein könnten, nimmt sie nunmehr Einküfte aus einer selbständig ausgeübten Tätigkeit als Maurer an. Strittig ist, ob sich diese Feststellung als Ergebnis einer schlüssigen Beweiswürdigung darstellt.

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung ausschließlich auf die einschlägige Berufsausbildung des Beschwerdeführers. Hinweise für eine tatsächliche Tätigkeit in dieser Branche während (oder auch außerhalb) der Streitjahre wurden nicht vorgefunden. Nun mag die Tatsache, daß jemand für einen bestimmten Beruf ausgebildet wurde, den behördlichen Erhebungen die Richtung weisen, sie kann diese jedoch nicht ersetzen. Es besteht auch keine "Erfahrung des wirtschaftlichen Lebens", wonach jedermann den Lehrberuf zeit seiner Berufsfähigkeit ausübt.

Vermag ein Abgabepflichtiger die Herkunft der zur Deckung seiner Ausgaben erforderlichen Mittel nicht nachzuweisen, kann zwar allenfalls ein einzelner Hinweis auf eine KONKRETE wirtschaftliche Aktivität genügen, um schlüssig das Vorliegen einer bestimmten Einkunftsquelle darzutun. Ohne den geringsten Anhaltspunkt für eine TATSÄCHLICHE Erwerbstätigkeit können vermutete Einkünfte aber auch nicht im Schätzungswege angesetzt werden.

Es ist daher nicht von Belang, ob der Beschwerdeführer den Ausführungen der belangten Behörde im oben wörtlich wiedergegebenen Schreiben entgegengetreten ist oder nicht. Selbst wenn er untätig geblieben wäre, berechtigte dies die belangte Behörde nicht, einen Sachverhalt als erwiesen anzunehmen, für den keine ausreichenden Beweise vorlagen.

Der unterbliebenen Entkräftung eines entsprechenden Vorhaltes könnte allenfalls hinsichtlich der Höhe der Besteuerungsgrundlagen Bedeutung zukommen. Stünde eine Einkunftsquelle des Beschwerdeführers nämlich dem Grund nach fest, erschiene es in der Tat wahrscheinlicher, daß der Beschwerdeführer daraus Einkünfte in einer Höhe bezog, die es ihm ermöglichte, den gemeinsamen Haushalt und seine Vermögensanlagen zu finanzieren, als anzunehmen, daß die Lebensgefährtin durch nicht nachgewiesene Spielgewinne zum Lebensunterhalt beitrug.

Da die belangte Behörde jedoch alleine aus der Berufsausbildung des Beschwerdeführers auf eine entsprechende Einkunftserzielung geschlossen hat, hat sie ihre Entscheidung auch im fortgesetzten Verfahren mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Der angefochtene Bescheid mußte daher hinsichtlich der Jahre 1976 bis 1982 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufgehoben werden. Für das Jahr 1983 wurde hingegen weder Umsatz- noch Einkommen- und Gewerbesteuer festgesetzt, sodaß der Beschwerdeführer in den erkennbar als Beschwerdepunkte geltend gemachten Rechten nicht verletzt wurde. Die Beschwerde war daher in diesem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, wobei der pauschalierte Schriftsatzaufwand auch die Umsatzsteuer enthält. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen ist.