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VwGH vom 25.10.1995, 93/15/0119

VwGH vom 25.10.1995, 93/15/0119

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des P in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. B 138-3/91, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Transportunternehmer, brachte mit Stichtag sein Einzelunternehmen in eine Kapitalgesellschaft ein. Im Zuge dieser Einbringung überführte er das unbewegliche Anlagevermögen (Garage, Tankstelle, Einstellhütte, Grund und Boden) in sein Privatvermögen. Dabei setzte er als Teilwert der entnommenen Wirtschaftsgüter deren Buchwert in Höhe von S 582.101,-- an. Der in der Folge erlassene, seiner Erklärung folgende Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr erwuchs in Rechtskraft.

Anläßlich einer die Jahre 1987 bis 1989 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung berechnete der Prüfer den Teilwert als Mittel zwischen Substanz- und Ertragswert (unter Berücksichtigung eines 10%igen Abschlags für die schlechte Verwertbarkeit des Anlagevermögens) mit S 800.000,--. Das Finanzamt folgte dem Prüfer, nahm das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Streitjahr wieder auf und erließ unter einem einen neuen Einkommensteuerbescheid sowie einen Umsatz- und Gewerbesteuerbescheid für das gleiche Jahr.

Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter "gegen den Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1987" Berufung, die "sich gegen den seitens der Betriebsprüfung ermittelten Entnahmewert des Gebäudes in der Höhe von S 800.000,--" richtete. Er brachte vor, sein steuerlicher Vertreter habe telefonisch mit dem Finanzamt (am mit Herrn X bzw. am mit Herrn G) vereinbart, für die Entnahme des Anlagevermögens den Buchwert als Teilwert anzusetzen. In der Folge sei auch die Veranlagung erklärungsgemäß vorgenommen worden. Das nunmehrige Abgehen von der vorherigen Rechtsmeinung der Finanzverwaltung verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Nach Ergehen einer abweislichen Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte aus, auf Grund der bestehenden Verbindung der Garage und des Tankraumes mit einem Wohnhaus sei der Buchwert der entnommenen Wirtschaftsgüter als Teilwert anzusetzen. Dagegen hätten die erwähnten Organe des Finanzamtes in den besagten Telefongesprächen keine Bedenken erhoben. Infolgedessen sei der Ansatz des Buchwertes ein zulässiger Akt der Wertermittlung. Infolge Zugrundelegung des erklärten Wertes im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr dürfe er sich auf den auch die Abgabenbehörde bindenden Grundsatz von Treu und Glauben verlassen. Weiters brachte der Beschwerdeführer vor, einerseits gebe es für sein unbewegliches Anlagevermögen keine andere Verwertungsmöglichkeit, weshalb kein Ertragswert anzusetzen sei, andererseits sei der vom Prüfer errechnete Substanzwert überhöht. Infolge der schlechten Verwertbarkeit der Wirtschaftsgüter sei ihr Buchwert als Teilwert anzusetzen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Legalitätsgrundsatz gehe dem Grundsatz von Treu und Glauben vor. Letzterer sei nur anwendbar, wenn die gesetzlichen Bestimmungen hiefür einen freien Raum ließen oder besondere Umstände vorlägen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung als unbillig erscheinen ließen. Da diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben seien und (mündlich erteilte) Auskünfte nicht der Rechtskraft teilhaft werden könnten, sei das Argument des Beschwerdeführers, die ihm angeblich gegebene telefonische Auskunft stelle einen zulässigen Akt der Wertermittlung dar, nicht zielführend.

Dem ohne nähere Begründung erhobenen Einwand des Beschwerdeführers gegen die vom Prüfer gewählte Art der Teilwertberechnung hielt die belangte Behörde entgegen, ausgehend von dem nach dem Baukostenindex abzüglich AfA errechneten Substanzwert sei ein Wert unter Berücksichtigung der Verhältnisse im redlichen Geschäftsverkehr zu ermitteln. Der anhand unbestrittener Größen errechnete Substanzwert (in Höhe von S 1 Mio) müsse also an die Marktverhältnisse angepaßt werden. Selbst wenn dem Argument des Beschwerdeführers, es wären keine Erträge erzielbar gewesen, gefolgt werden könnte, müsse dennoch eine Ertragswertberechnung zur marktgerechten Regulierung des Substanzwerts herangezogen werden. Zur Berücksichtigung der Marktsituation sei nämlich von einem erzielbaren Mietertrag auszugehen, wobei der vom Prüfer angesetzte Mietwert von S 20,-- pro m2 durchaus gerechtfertigt erscheine. Da der Beschwerdeführer weder dagegen noch gegen den vom Prüfer angeführten Kapitalisierungszinssatz konkrete Einwände erhoben habe, könne dieser Wert zur Regulierung des Substanzwerts herangezogen werden. Dabei erscheine ein "Anpassungsabschlag" von 20 % gerechtfertigt. Auch der Prüfer sei bei seiner Berechnung des Teilwerts als Mittel zwischen (ungekürztem) Substanzwert und Ertragswert zu diesem Ergebnis gekommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 307 Abs. 1 BAO ist mit dem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheids die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden.

Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung haben die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Sachentscheidung für sich Bescheidqualität und ist jeder dieser Bescheide für sich einer Berufung zugänglich und für sich rechtskraftfähig (vgl. hiezu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 87/14/0073, und vom , Zl. 88/15/0062; sowie Stoll, BAO-Kommentar, 2967). Dabei ist entscheidend, ob die Gestaltung des in der Praxis üblichen, gesetzeskonformen "Sammelbescheids", in dem die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Sachentscheidung unter der gemeinsamen Bezeichnung mit dem vorangestellten Ausdruck "Bescheid" zusammengefaßt werden, eine klare Trennung zwischen Wiederaufnahmsverfügung und Sachentscheidung ermöglicht. Werden diesfalls in der Berufung als Anfechtungsgegenstand nur einzelne Teile des "Sammelbescheids" - also selbständige Bescheide - klar und deutlich bezeichnet, so erwachsen die anderen mit selbständiger Bescheidqualität ausgestatteten Teile des "Sammelbescheids" in Rechtskraft.

Im Beschwerdefall wurde mit dem erstinstanzlichen "Sammelbescheid" einerseits die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für das Streitjahr verfügt und andererseits Sachentscheidungen gefällt - jeweils unter eigenen Punkten mit eigener Begründung und eigener Rechtsmittelbelehrung. Die Gestaltung dieses "Sammelbescheids" brachte also deutlich und unmißverständlich auch die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens als eigenständige Entscheidung zum Ausdruck.

Die von einem berufsmäßigen Parteienvertreter (Steuerberater) eingebrachte Berufung wurde - entgegen den Ausführungen in der Beschwerde - ausdrücklich nur "gegen den Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheid vom für das Jahr 1987" erhoben und richtete sich "gegen den seitens der Betriebsprüfung ermittelten Entnahmewert". Der Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens wurde nicht erwähnt.

Auf Grund dieser dem § 250 Abs. 1 BAO entsprechenden, klaren und deutlichen Bezeichnung der angefochtenen Bescheide in der Berufung hat die belangte Behörde dieses Rechtsmittel zu Recht als ausschließlich gegen die Sachentscheidungen gerichtet behandelt. Erst die Beschwerde greift die Frage der Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens auf. Da der Gegenstand des angefochtenen Bescheids jedoch nur die Sachentscheidungen umfaßt, können die Ausführungen des Beschwerdeführers über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids aufzeigen.

Der Beschwerdeführer macht die Verletzung eines "Rechts auf ein mängelfreies Verfahren" geltend. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht kein derartiges abstraktes Recht (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom , Zl. 94/16/0245). Ein dem Gesetz entsprechend ausgeführter Beschwerdepunkt liegt daher nur insoweit vor, als dieses behauptete, aber nicht existente subjektive Recht im übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers ausreichend substantiiert wird, um die Verletzung eines bestehenden subjektiven Rechtes aufzuzeigen (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, 251 zitierte Judikatur). Als gesetzmäßig ausgeführte Beschwerdepunkte sind daher im Beschwerdefall nur die Verletzung des Rechts auf Beiziehung eines Sachverständigen und des Rechts auf Parteiengehör anzusehen.

Gemäß § 177 Abs. 1 BAO ist dem Verfahren ein Sachverständiger zwingend beizuziehen, wenn die Aufnahme eines Beweises durch einen Sachverständigen notwendig wird. Dies ist der Fall, wenn die Erfahrung und das Fachwissen der entscheidenden Behörde zur Beantwortung von im Verfahren auftauchenden und zu lösenden Fachfragen nicht ausreichen. Verfügt die Behörde selbst aber über das nötige Fachwissen, besteht keine Verpflichtung, Sachverständige heranzuziehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/13/0199).

Der Beschwerdeführer macht erstmals in der Beschwerde geltend, für die Teilwertermittlung sei ein Sachverständigengutachten im Sinne des § 177 BAO einzuholen gewesen. Im Verwaltungsverfahren griff der Beschwerdeführer die Ermittlung des Teilwertes durch den Betriebsprüfer nur pauschal als gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßend und als zu hoch an. Eine substantielle Kritik brachte der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vor.

Derartige allgemeine Ausführungen sind jedoch nicht geeignet, Zweifel am Vorhandensein des für die Bewertung des Entnahmewerts im Sinne des § 6 Z. 4 EStG 1972 erforderlichen Fachwissens der Abgabenbehörde zu wecken, zumal die Berechnungsmethode zur Wertermittlung tauglich und nachvollziehbar erscheint. Für das Aufzeigen eines Verfahrensmangels wegen Nichtheranziehung eines Sachverständigen hätte der Beschwerdeführer vielmehr konkret die Fehlerhaftigkeit der Wertermittlung der Behörde aufzeigen müssen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/14/0051). Da dies nicht geschah, kann in der ohne Beiziehung eines Sachverständigen vom Finanzamt durchgeführten und von der belangten Behörde bestätigten Berechnung des Entnahmewerts im Sinne des § 6 Z. 4 EStG 1972 kein Verfahrensmangel erblickt werden.

Der Beschwerdeführer behauptet die Verletzung des Rechts auf Parteiengehör, da er keine Gelegenheit gehabt hätte, zur erst von der belangten Behörde vorgenommenen Begründung für die vom Finanzamt aufgestellte Behauptung (betreffend Teilwert) Stellung zu nehmen. Bei Einhaltung dieses Rechts hätte er vorgebracht, das Anlagevermögen sei weder veräußerbar noch vermietbar, sodaß die Annahme eines Mietwerts unzulässig sei.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde nicht, wie der Beschwerdeführer meint, im angefochtenen Bescheid eine bis dahin versäumte Begründung nachgeholt, sondern die dem Beschwerdeführer bekannte Wertermittlung des Prüfers als schlüssig beurteilt hat. Eine Verletzung des Parteiengehörs ist hierin nicht zu erblicken.

Der Beschwerdeführer behauptet weiters eine Verletzung in seinem Recht auf Heranziehung anerkannter Tatsachen gemäß § 183 Abs. 3, zweiter Satz, erster Halbsatz, BAO.

Der Beschwerdeführer verkennt dabei den Inhalt dieser Gesetzesstelle. Diese Bestimmung regelt, unter welchen Voraussetzungen Beweisanträgen der Parteien stattzugeben und zu entsprechen ist oder diese abzulehnen sind (vgl. Stoll, a.a.O., 1892 ff). Daraus kann keine Einschränkung der Befugnisse der Abgabenbehörde abgeleitet werden, den von ihr für eine Sachentscheidung erforderlichen Sachverhalt - in einem Verfahren nach Einbringung einer zulässigen Berufung oder nach Wiederaufnahme eines Verfahrens - vollständig zu ermitteln und sodann den Bescheid in jede Richtung abzuändern (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/16/0220; sowie Stoll, a.a.O., 2742 ff und 2956, m.w.N.). Eine Bindung an die Ermittlungsergebnisse des abgeschlossenen Verfahrens, das von einer späteren Wiederaufnahme betroffen ist, besteht insofern nicht.

Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte subjektive Recht existiert daher in der behaupteten Form nicht.

Soweit der Beschwerdeführer mit seinem auf § 183 Abs. 3, zweiter Satz, erster Halbsatz, BAO gestützten Vorbringen aber auf eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben abzielt, ist darauf hinzuweisen, daß dieser Grundsatz nur dort zur Anwendung kommt, wo das Legalitätsprinzip dem nicht entgegensteht (vgl. Stoll, a.a.O., 1294 ff, m.w.N.).

Auf Grund des Gesagten mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden. Diese Entscheidung konnte im Hinblick auf beide Tatbestände des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.