VwGH vom 16.09.1997, 96/08/0390

VwGH vom 16.09.1997, 96/08/0390

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Wien V, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Dr. Eva-Maria Bachmann und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien I, Opernring 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Zl. 120.734/2-7/96, betreffend Beendigung der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: A in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über Antrag der Mitbeteiligten sprach die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom gemäß § 194 GSVG im Zusammenhalt mit § 410 ASVG aus, daß die Pflichtversicherung der Mitbeteiligten in der Krankenversicherung gemäß § 7 Abs. 1 Z. 3 und in der Pensionsversicherung gemäß § 7 Abs. 2 Z. 3 GSVG mit geendet habe. In der Begründung wurde ausgeführt, daß die Mitbeteiligte bis , dem Tag der Errichtung des Notariatsaktes hinsichtlich der Abtretung der Geschäftsanteile, geschäftsführende Gesellschafterin der Inter Immobilien Makler Ges.m.b.H. (nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten Alleingesellschafterin) gewesen sei, wobei diese Gesellschaft seit zur Ausübung der Gewerbeberechtigung Immobilienmakler befugt sei.

Die Mitbeteiligte erhob Einspruch. Sie führte aus, § 76 Abs. 2 GesmbH-Gesetz statuiere lediglich, daß zur Übertragung ein Notariatsakt errichtet werden müsse. Nicht werde angeordnet, daß die Errichtung des Notariatsaktes spätestens gleichzeitig mit der Übertragung zu erfolgen hätte. In der Entscheidung vom , 8 Ob 643/91 (richtig: 643/90), habe der Oberste Gerichtshof einen Notariatsakt beurteilt, der am errichtet worden sei und als Zeitpunkt des Überganges aller mit diesem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten den genannt habe. Der Oberste Gerichtshof habe entschieden, daß alle klagsgegenständlichen Rechte mit Stichtag auf den Kläger übergegangen seien. Die Beschwerdeführerin hätte daher den im Punkt II des gegenständlichen Notariatsaktes vereinbarten Wirkungsbeginn, also den , zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen machen müssen. Weiters sei gemäß § 903 ABGB zu berücksichtigen, daß ein Recht, dessen Erwerbung an einen bestimmten Tag gebunden sei, mit dem Anfang dieses Tages erworben werde. Da die Übernehmerin der Geschäftsanteile diese Anteile mit dem erhalten sollte, sei der Erwerb an diesem Tag erfolgt anzusehen. Damit müsse aber logischerweise die Mitbeteiligte mit Ablauf des ihre Gesellschafterposition verloren haben.

Die Beschwerdeführerin legte mit Schreiben vom den Einspruch dem Landeshauptmann von Wien zur Entscheidung vor und verwies hiebei auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 6 Ob 640/91, aus welchem zu folgern sei, daß als Abtretungszeitpunkt generell der Tag der Errichtung des Notariatsaktes anzusehen sei. Im vorliegenden Fall sei die Unterfertigung des Notariatsaktes am erfolgt; im Punkt 7 des Notariatsaktes vom genannten Tag werde als Tag des Überganges aller mit dem vertragsgegenständlichen Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten der Tag der Unterfertigung des Abtretungsvertrages genannt.

In ihrer Stellungnahme vom erklärte die Mitbeteiligte, daß dem Punkt 7. des Notariatsaktes keine rechtliche Bedeutung zukomme. Punkt 2. enthalte die von den Parteien im Detail ausgehandelte und gewollte Regelung, während es sich beim Punkt 7. um einen versehentlich übernommenen Textbaustein handle. Der von der Beschwerdeführerin erwähnten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 6 Ob 640/91, könne nur entnommen werden, daß die Übertragung zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsaktes bedürfe. Eine Rückwirkung des Notariatsaktes auf einen vor seiner Unterzeichnung liegenden Zeitpunkt werde in dieser Entscheidung nicht ausgeschlossen.

Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Wien den Einspruch der Mitbeteiligten als unbegründet ab. In der Begründung wurde unter Hinweis auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , Zl. 6 Ob 640/91, ausgeführt, daß es einem Unterlaufen des Zweckes der Formvorschrift des § 76 Abs. 2 GesmbH-Gesetz gleichkäme, würden Geschäftsanteile rückwirkend übertragen werden können. Darüber hinaus gelte nach Punkt 7. des Notariatsaktes vom als Tag des Überganges aller mit dem vertragsgegenständlichen Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten der Tag der Unterfertigung dieses Abtretungsvertrages, somit der .

Die Mitbeteiligte erhob Berufung. Sie führte unter Bezugnahme auf die von der Einspruchsbehörde herangezogene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aus, daß eine Heilung des Formmangels durch nachfolgenden Notariatsakt im Regelfall sehr wohl möglich sei. Was hingegen den Punkt 7. des Notariatsaktes angehe, beruhe dessen Übernahme auf einem Irrtum, wie bereits in der Stellungnahme vom ausgeführt worden war.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben und in Abänderung des Einspruchsbescheides festgestellt, daß die Pflichtversicherung der Mitbeteiligten in der Krankenversicherung gemäß § 7 Abs. 1 Z. 3 GSVG und in der Pensionsversicherung gemäß § 7 Abs. 2 Z. 3 GSVG mit geendet habe. In der Begründung ging die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und Anführung der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen davon aus, daß die Inter Immobilien Makler Ges.m.b.H. eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Wien sei. Laut Punkt 2. des mit datierten Notariatsaktes sei als Zeitpunkt der Abtretung des unter Punkt 1. näher beschriebenen Geschäftsanteiles der Mitbeteiligten an die Göschl & Ghusein Handelsgesellschaft m.b.H. der vereinbart worden und habe diese Handelsgesellschaft erklärt, den Geschäftsanteil zu übernehmen. Punkt 7., wonach als Tag des Überganges aller mit dem vertragsgegenständlichen Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten auf die Unternehmerin der Tag der Unterfertigung gelten solle, sei aus dem Vertragsmuster entnommen und im konkreten Fall versehentlich nicht dem zweiten Punkt angepaßt worden. Im konkreten Fall sei maßgeblich, von welchem Tag an die Übertragung der Geschäftsanteile der Mitbeteiligten nach § 76 Abs. 2 GesmbH-Gesetz rechtswirksam gewesen sei. In den in dieser Bestimmung angeführten Fällen sei zwar die Rechtswirksamkeit des darauf gestützten Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft zwingend an das Vorliegen eines Notariatsaktes geknüpft (Hinweis auf Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , Zl. 4 Ob 517/80). Es müsse jedoch darauf hingewiesen werden, daß die Heilung eines Mangels der für die Übertragung von Geschäftsanteilen einer Ges.m.b.H. vorgeschriebenen Form durch nachträgliche Errichtung eines entsprechendes Notariatsaktes erfolgen könne (Hinweis auf Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 5 Ob 560/79). Auch in seiner Entscheidung vom , Zl. 6 Ob 640/91, räume der Oberste Gerichtshof grundsätzlich die Möglichkeit der Heilung des Formmangels ein. In der Entscheidung vom , 8 Ob 643/91 (richtig: 8 Ob 643/90) habe der Oberste Gerichtshof einen Notariatsakt vom zu beurteilen gehabt, der als Zeitpunkt des Überganges aller mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten den genannt habe. Der Oberste Gerichtshof habe entschieden, daß die klagsgegenständlichen Rechte mit dem Stichtag auf den Kläger übergegangen seien. Zusammenfassend sei also festzuhalten, daß die Übertragung der Geschäftsanteile dadurch erschwert sei, daß sie zu ihrer Wirksamkeit der Form des Notariatsaktes bedürfe, eine wegen Formmangels ungültige Übertragung jedoch nachträglich durch Errichtung eines Notariatsaktes geheilt werden könne. Vorliegend sei für die Frage nach der Wirksamkeit der Abtretung der Geschäftsanteile der mit Punkt 2. des Notariatsaktes vom vereinbarte Zeitpunkt, also der , maßgebend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen. Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin meint, die Heilung des Mangels, der für die Übertragung von Geschäftsanteilen einer Gesellschaft m.b.H. vorgeschriebenen Form durch nachträgliche Errichtung eines entsprechenden Notariatsaktes bedeute nicht die rückwirkende Heilung eines solchen Formmangels.

Die belangte Behörde hat unter Bezugnahme auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 5 Ob 560/79, die Meinung vertreten, daß die Heilung des Mangels der für die Übertragung von Geschäftsanteilen einer Ges.m.b.H.

vorgeschriebenen Form durch nachträgliche Errichtung eines entsprechenden Notariatsaktes erfolgen könne. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof aber auch ausgesprochen, daß die Heilung des Formmangels die wegen dieses Mangels bestandene Ungültigkeit des gesamten Übernahmevertrages in der Fassung im Zeitpunkt der Errichtung des Notariatsaktes beseitige. Eine formnichtige Abtretung kann daher durch eine formgerechte Nachholung nur mit der Wirkung ex nunc geheilt werden (vgl. dazu auch Nowotny in der Besprechung des hg. Erkenntnisses Zl. 82/08/0045 in ZAS 1984 Seite 65, hier Seite 69, und Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz 15. Auflage, § 15 Rz 28). Die von der belangten Behörde angenommene Heilung des Formmangels durch Nachholung des formgerechten Aktes bewirkt somit keine rückwirkende Sanierung. Für den gegenteiligen Standpunkt der belangten Behörde kann sie sich nicht auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 8 Ob 643/90, berufen. In diesem Fall stellte zwar die Abtretung des Gesellschaftsanteiles mit Notariatsakt ein Rechtsgeschäft unter Lebenden dar, doch diente es nur - in Entsprechung einer letztwilligen Verfügung - dazu, das dem Übernehmer zustehende Legat auszufolgen. Abgesehen davon, daß auch erbrechtliche Normen zu berücksichtigen waren, ging es in dieser Entscheidung um den Übergang der mit dem Geschäftsanteil verbundenen Gewinnauszahlungsansprüche. Die Streitteile dieses Verfahrens vereinbarten mit Notariatsakt vom als Zeitpunkt des Überganges aller mit dem vermachten Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten auf den Legator (Kläger) den Todestag (den ) des Erblassers. Der OGH entschied, daß aufgrund dieser die Streitteile bindenden Vereinbarung dem Legator (Kläger) gegenüber der Erbin (Beklagten) auch der mit dem Geschäftsanteil verbundene, durch den Gesellschafterbeschluß vom entstandene Gewinnauszahlungsanspruch für das Geschäftsjahr 1987 im anteiligen Ausmaß zustehe. Eine Berufung der belangten Behörde auf dieses Urteil ist daher nicht zielführend.

Im übrigen weist die Beschwerdeführerin zutreffend darauf hin, daß es im Beschwerdefall nicht um die nachträgliche Errichtung eines Notariatsaktes zur Heilung einer formungültigen Übergabe der Geschäftsanteile geht. Gemäß § 76 Abs. 2 GmbH-Gesetz bedarf es zur Übertragung von Geschäftsanteilen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zwingend eines Notariatsaktes, wobei die Notariatspflicht sowohl das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft umfaßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/08/0145, , OGH in NZ 1990, 279). Die Zwecke dieser Formvorschrift (vgl. dazu , vom , 1 Ob 519/90 = RdW. 1990, 287, vom , 6 Ob 542/90 = NZ 1990, 279, und vom , 6 Ob 640/91) lassen eine Vereinbarung eines in der Vergangenheit liegenden Wirksamkeitsbeginnes nicht zu. Dies ergibt sich auch aus der dargestellten Rechtsprechung dazu, daß die Nachholung eines formgerechten Abtretungsvertrages einen in der Vergangenheit liegenden formungültigen Akt erst im Zeitpunkt des formrichtigen Aktes heilt. Ob eine Heilung zu einem früheren Zeitpunkt durch tatsächliche Erfüllung hätte eintreten können (vgl. dazu Reich-Rohrwig, ecolex 1990, 546 ff, und 9. Bydlinski, Veräußerung und Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen), kann auf sich beruhen, weil dazu jeder Sachverhaltshinweis fehlt.

Ausgehend von ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.