VwGH vom 20.09.2001, 98/15/0193
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zehetner, über die Beschwerde des E in M, vertreten durch Dr. Peter Fichtenbauer, Dr. Klaus Krebs und Dr. Edeltraud Bernhart-Wagner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner-Ring 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GA 7 - 964/1/96, betreffend Vollstreckung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Abgabenbehörde erster Instanz erließ einen Vollstreckungsbescheid gemäß § 230 Abs. 7 BAO. Die Einbringlichkeit der Abgabenschuld, für deren Entrichtung dem Beschwerdeführer gemäß § 210 Abs. 4 BAO eine Zahlungs- bzw. Nachfrist zustehe, erscheine gefährdet, weil auf Grund der hervorgekommenen Tatbestände des Betriebsprüfungsverfahrens mit einer Vermögensverschiebung ins Ausland oder an andere Personen gerechnet werden müsse.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Im Betriebsprüfungsverfahren sei das Finanzamt zur Ansicht gelangt, dass Scheingeschäfte gemäß § 23 Abs. 1 BAO vorlägen. Diese Feststellungen seien aber nach Ansicht des Beschwerdeführers, wie der Berufung gegen den zu Grunde liegenden Umsatzsteuerbescheid zu entnehmen sei, vollkommen unrichtig. Die in der Berufung gerügten Verfahrensmängel, die zur Aufhebung des Bescheides führen müssten, sowie die Tatsache, dass der Beschwerdeführer seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich habe, sozial integriert sei und als integerer Geschäftsmann hier seine Firma betreibe, stünden der Annahme des Finanzamtes entgegen, dass mit einer Vermögensverschiebung ins Ausland gerechnet werden müsse.
In einer Ergänzung der Berufung führte der Beschwerdeführer des Weiteren aus, dass "die erwähnte Betriebsprüfung durch Niederschrift ... vom beendet worden sei." Nach dem habe "die Betriebsprüfung" keinerlei Feststellungen mehr getroffen. Die Betriebsprüfung sei also offenkundig bereits zu einem Zeitpunkt beendet gewesen, der vor dem in § 230 Abs. 7 bezeichneten Zeitraum liege, der Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid sei erst mehr als einen Monat nach Beendigung der Betriebsprüfung erlassen worden. Die Feststellungen der Betriebsprüfung seien also schon vor dem in § 230 Abs. 7 BAO erwähnten Zeitraum amtsbekannt gewesen.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge.
Ob eine Gefährdung der Einbringlichkeit vorliege, werde regelmäßig nur auf Grund einer Gegenüberstellung der Abgabenforderung und des dem Abgabepflichtigen zur Verfügung stehenden Einkommens und Vermögens beurteilt werden können. Für die Annahme einer Gefährdung reiche es aus, wenn das Steueraufkommen in Gefahr gerate (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 88/16/0243, 244). Für eine solche Gefährdung bzw. Erschwerung sprächen etwa drohende Konkurs- und Ausgleichverfahren, Exekutionsführung von dritter Seite, Auswanderungsabsicht sowie Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte. Die Umsatzsteuerschuld gründe sich laut Aktenlage auf den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid (1-6/95). Das Finanzamt habe zur Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers am erhoben, dass sich aus der gewerblichen Tätigkeit des Beschwerdeführers laut den Bilanzen für 1994 und 1995 jeweils ein Gewinn von 266.000 S ergeben werde; ein Vermögen oder Ersparnisse besitze der Beschwerdeführer nicht. Beim Beschwerdeführer seien weiters (unter Nennung des jeweiligen Gläubigers konkret angeführte) Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 1,984.557 S festgestellt worden.
Im Hinblick auf die Darstellung dieser Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers könne somit von einer Gefährdung bzw. Erschwerung der Einbringung ausgegangen werden. Weiters werde auf eine Eingabe des Beschwerdeführers vom betreffend Überweisung eines Vorsteueranspruches für Mai und Juni 1995 verwiesen. Der Beschwerdeführer bringe darin u. a. vor, dass er für die Zwischenfinanzierung der bezahlten Mehrwertsteuer zwei Bankkredite aufgenommen habe und bis zur Überweisung des Vorsteueranspruches die Kredite nicht zurückzahlen könne. Bei weiterer Verzögerung der Überweisung werde er wahrscheinlich in Kürze sperren und Insolvenz anmelden müssen. Auch aus diesem Vorbringen könne auf eine Gefährdung der Einbringung geschlossen werden. Der Vollstreckungsbescheid sei daher zu Recht erlassen worden und eine Stellungnahme zu der vom Finanzamt behaupteten "Vermögensverschiebung ins Ausland an andere Personen" somit entbehrlich erschienen.
Mit Beschluss vom , B 1809/96, lehnte der Verfassungsgerichtshof eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der BAO lauten auszugsweise:
§ 210 Abs. 4
"Werden Abgaben, ausgenommen Nebenansprüche, später als einen Monat vor ihrer Fälligkeit festgesetzt, so steht dem Abgabepflichtigen für die Entrichtung der Abgabennachforderung eine Nachfrist von einem Monat ab der Bekanntgabe des maßgeblichen Bescheides zu."
§ 230
"(1) ...
(2) Während einer gesetzlich zustehenden oder durch Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist dürfen Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder festgesetzt werden."
...
(7) Kommen während der Zeit, in der gemäß Abs. 1 bis 6 Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden dürfen, Umstände hervor, die die Einbringung einer Abgabe gefährden oder zu erschweren drohen, so dürfen Einbringungsmaßnahmen durchgeführt werden, wenn spätestens bei Vornahme der Vollstreckungshandlung ein Bescheid zugestellt wird, der die Gründe der Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung anzugeben hat (Vollstreckungsbescheid). Mit der Zustellung dieses Bescheides treten bewilligte Zahlungserleichterungen außer Kraft."
Dem Beschwerdeführer ist zum Zeitpunkt der Erlassung des Vollstreckungsbescheides der Abgabenbehörde erster Instanz für die diesem zu Grunde liegende Umsatzsteuerschuld samt Säumniszuschlag eine Nachfrist gemäß § 210 Abs. 4 BAO zugestanden, welche mit zu laufen begonnen hatte.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer lediglich geltend, dass gemäß § 230 Abs. 7 BAO ein Vollstreckungsbescheid nur dann erlassen werden dürfe, wenn in dem Zeitraum, in dem gemäß § 230 Abs. 1 bis Abs. 6 BAO Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden dürfen, Umstände (neu) hervorkämen, die die Einbringung der Abgabe zu gefährden oder zu erschweren drohten. Weder im erstinstanzlichen noch dem angefochtenen Bescheid werde aber ein konkreter Umstand angeführt, der in diesem Zeitraum eingetreten wäre. Die angeführten "angeblichen" Feststellungen der Betriebsprüfung seien ohne Zweifel vor dem durch § 230 Abs. 7 BAO bezeichneten Zeitraum eingetreten, sodass sich die Erlassung eines Vollstreckungsbescheides daher als inhaltlich rechtswidrig erweise.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ins Treffen geführten Umstände nicht in dem durch § 230 Abs. 7 BAO bezeichneten Zeitraum eingetreten und somit zur Begründung eines Vollstreckungsbescheides nicht tauglich seien, hält diese in Ihrer Gegenschrift entgegen, dass dem Zeitpunkt des Hervorkommens der maßgebenden Umstände keine übergeordnete Bedeutung beizumessen sei; diese müssten lediglich im fraglichen Zeitraum vorliegen. Zweck der Norm des § 230 Abs. 7 BAO sei es, die Hemmung der Einbringung durch Erlassung eines Vollstreckungsbescheides zu überwinden, um eine Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung hintanzuhalten. § 230 Abs. 7 BAO knüpfe im Gegensatz zu § 303 Abs. 1 lit. b BAO auch nicht an das "Neu-Hervorkommen" an. Die Behauptung der Beschwerde, dass zur Erlassung eines Vollstreckungsbescheides Umstände, die die Einbringung einer Abgabe zu gefährden oder zu erschweren drohen, neu hervorkommen müssten, gehe daher ins Leere.
Der Ansicht der belangten Behörde ist zunächst der Wortlaut der Bestimmung des § 230 Abs. 7 BAO entgegenzuhalten, mit der der Gesetzgeber den Erlass eines Vollstreckungsbescheides an die Voraussetzung geknüpft hat, dass während der Zeit, in der gemäß § 230 Abs. 1 bis 6 BAO Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden dürfen, Umstände hervorkommen, die die Einbringung der Abgabe gefährden oder zu erschweren drohen. Dabei kommt es lediglich darauf an, dass diese Umstände der Finanzbehörde in dem in der zitierten Bestimmung angeführten Zeitraum (erstmals) bekannt werden. Hingegen kommt dem Umstand, zu welchem Zeitpunkt diese Umstände tatsächlich eingetreten sind, im gegebenen Zusammenhang keine rechtliche Relevanz zu. Die die Gefährdung betreffenden Umstände müssen allerdings im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides noch aufrecht sein.
Die belangte Behörde hat die Begründung des angefochtenen Bescheides u.a. auf eine Eingabe des Beschwerdeführers an die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom betreffend Überweisung eines Vorsteueranspruches gestützt, auf Grund derer auf eine Gefährdung der Einbringung geschlossen werden könne. Das genannte Schreiben vermag den angefochtenen Bescheides allerdings nicht zu tragen, weil die hierin vom Beschwerdeführer angeführten wirtschaftlichen Verhältnisse jedenfalls vor der Erlassung des am zugestellten Festsetzungsbescheides und somit vor dem in § 230 Abs. 7 BAO genannten Zeitraum hervorgekommen wären.
Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheides aber auch damit, dass das Finanzamt zur Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers am konkret genannte Erhebungen getätigt habe, auf Grund derer von einer Gefährdung bzw. Erschwerung der Einbringung ausgegangen werden könne. Tatsächlich stützte sich die belangte Behörde hierbei auf die in einem Bericht des Vollstreckers vom getroffenen Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers und nicht - wie vom Beschwerdeführer behauptet - auf Feststellungen der Betriebsprüfung. Nun ist es aber für die Zulässigkeit eines Vollstreckungsbescheides - wie bereits ausgeführt - nicht erforderlich, dass die in § 230 Abs. 7 normierten Umstände im eben dort angeführten Zeitraum erst eintreten. Dass aber die Finanz- und Vermögenslage des Beschwerdeführers gegenüber der Finanzbehörde in der konkreten Form, wie sie sich im erwähnten Bericht auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers und der eingesehenen Unterlagen - nämlich unter Anführung sämtlicher Aktiva und Passiva, der Unterhaltspflichten sowie Einnahmen und Ausgaben - darstellt, bereits vor dem Beginn des in § 230 Abs. 7 BAO normierten Zeitraumes hervorgekommen wäre, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Die belangte Behörde konnte den angefochtenen Bescheid daher zu Recht auf die am hervorgekommenen Umstände stützen. Dass diese Umstände die Einbringung der Abgabenschuld gefährdeten oder zu erschweren drohten, bestreitet der Beschwerdeführer nicht.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am