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VwGH vom 18.02.1999, 98/15/0101

VwGH vom 18.02.1999, 98/15/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der S in H, vertreten durch Dr. Manfred De Bock, Dr. Dieter Klien und Mag. Dieter Helbok, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Bergmannstraße 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. RV/078-6/97, betreffend Gewährung von Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am beim Finanzamt die (Weiter-)Gewährung der Familienbeihilfe für ihre am geborene Tochter ab . Die Tochter besuche ab diesem Zeitpunkt die dreijährige Krankenpflegeschule in München. Dem Antrag wurde der Ausbildungsvertrag vom 15./ zwischen der Schwesternschaft der Krankenfürsorge des Dritten Ordens, Körperschaft des öffentlichen Rechts in Bayern, München, als Rechtsträger des Krankenhauses Dritter Orden samt angegliederter Berufsfachschule für Krankenpflege in München-Nymphenburg und der Tochter der Beschwerdeführerin angeschlossen. Nach dem wesentlichen Inhalt des Ausbildungsvertrages nimmt der genannte Rechtsträger die Tochter der Beschwerdeführerin als Krankenpflegeschülerin ab zur Ausbildung für den Beruf der Krankenschwester in die staatlich anerkannte Berufsfachschule für Krankenpflege auf. Die Ausbildung erfolgt in einem dreijährigen Lehrgang. Die Ausbildung endet unabhängig vom Zeitpunkt der staatlichen Prüfung mit Ablauf des dreijährigen Lehrganges. Für das Ausbildungsverhältnis gelten die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere das Krankenpflegegesetz vom und der hierzu erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsordnung vom für Schülerinnen und Schüler der Krankenpflege sowie die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes in der jeweils geltenden Fassung. Während der Ausbildung erhält die Krankenpflegeschülerin (Tochter der Beschwerdeführerin) eine Ausbildungshilfe; deren Höhe und Zahlung richten sich nach § 1 in Buchstabe B der Anlage 7 zu den AVR. Der Anspruch beträgt zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für das erste Jahr der Ausbildung DM 1.232,86 plus Zuschläge.

Das Finanzamt lehnte diesen Antrag wegen des Bezuges von "beihilfenschädigenden" Einkünften (§ 5 Abs. 1 FLAG) ab.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihrer Tochter nach Abzug für Logie und Kost rund S 3.000,-- verblieben. Mit diesem Betrag würden die beihilfeschädlichen Einkünfte von S 3.600,-- nicht erreicht bzw. überschritten.

Das Finanzamt wies mit Berufungsvorentscheidung die Berufung ab. In der Begründung wurde nach Wiedergabe des § 5 Abs. 1 FLAG ausgeführt, der Tochter der Beschwerdeführerin verblieben nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge ca. DM 800,--. Andere Aufwendungen könnten die Einkünfte nicht schmälern. Auch handle es sich bei dieser Ausbildung nicht um ein anerkanntes Lehrverhältnis.

Im Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz führte die Beschwerdeführerin aus, ihre Tochter werde für den Beruf als Krankenschwester im einem Ausbildungs- bzw. Lehrvertrag ausgebildet und habe aus diesem Grund Anspruch auf Familienbeihilfe. Bei der Ermittlung der Einkünfte im Sinn des § 5 Abs. 1 FLAG würden die Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis außer Betracht bleiben. Die von der Krankenpflegeschule gewährte Entschädigung sei somit kein anrechenbares Einkommen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Gemäß § 5 Abs. 1 FLAG sei die Höhe der Einkünfte des Kindes ausschließlich nach den Bestimmungen des EStG 1988 zu ermitteln. Bei den einzelnen Einkünften dürften nach § 20 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden. Die Aufwendungen der Tochter der Beschwerdeführerin für Logie und Kost könnten daher nicht abgezogen werden. Die Sozialversicherungsbeiträge würden monatlich DM 295,-- betragen, sodass der Tochter der Beschwerdeführerin im ersten Jahr ihrer Ausbildung monatlich Einkünfte in einem S 3.600,-- übersteigenden Betrag zukämen.

Die Auffassung der Beschwerdeführerin, bei dem Bezug ihrer Tochter handle es sich um eine Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis, sei unzutreffend. Als anerkannt könne ein Lehrverhältnis nur dann gelten, wenn es nach österreichischen Rechtsnormen geregelt sei. Dies sei in Bezug auf die in Rede stehende Ausbildung der Tochter der Beschwerdeführerin nicht der Fall.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragt die Beschwerdeführerin die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Durch den angefochtenen Bescheid würden ihr nicht die Unterstützungen gewährt, wie einer österreichischen Krankenschwesternschülerin, die ihre Ausbildung in Österreich absolviere.

Die belangte Behörde legte im Wege des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob die Ausbildung der Tochter der Beschwerdeführerin für den Krankenpflegeberuf in einem dreijährigen Lehrgang in München ein "anerkanntes Lehrverhältnis" im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ist.

Die belangte Behörde verneint dies deswegen, weil die Ausbildung nicht nach österreichischen Rechtsnormen geregelt ist.

Die Beschwerdeführerin führt dagegen ins Treffen, dass das in einem Mitgliedstaat der europäischen Gemeinschaft erworbene Krankenschwesterndiplom in jedem anderen Mitgliedstaat als gleichwertig anerkannt wird. Die Tochter der Beschwerdeführerin könne daher nach Abschluss ihrer Ausbildung in Deutschland ohne weitere Prüfung an einem österreichischen Krankenhaus als Krankenschwester zu arbeiten beginnen.

Der Auffassung der Beschwerdeführerin ist im Ergebnis zuzustimmen. Als anerkanntes Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG kann nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom , G 98/94) und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 84/14/0090) nur ein nach einschlägigen Rechtsvorschriften als Berufsausbildung anerkanntes Lehrverhältnis verstanden werden. Zu den einschlägigen Rechtsvorschriften gehört das Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 102, betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, der medizinisch-technischen Dienste und der Sanitätshilfsdienste. Das zuletzt genannte Gesetz wurde bereits mit der Novelle, BGBl. Nr. 872/1992 dem europäischen Gemeinschaftsrecht angepasst. Nach § 52 dieses Gesetzes in der Fassung der genannten Novelle sind Staatsangehörige einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die im Besitz eines nach Inkrafttreten dieses Abkommens ausgestellten, in der Anlage zu diesem Gesetz angeführten Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises in der allgemeinen Krankenpflege sind, zur Ausübung eines in diesem Bundesgesetz geregelten Berufes berechtigt. Eine Nostrifikation solcher ausländischer Urkunden ist gemäß § 52b Abs. 3 leg. cit. nicht erforderlich. In Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland wird in der Anlage der Novelle BGBl. Nr. 872/1992 das von den zuständigen Behörden ausgestellte Zeugnis über die staatliche Prüfung in der Krankenpflege angeführt. Damit werden die in einem Mitgliedstaat des EWR-Abkommens erworbenen Befähigungsnachweise solchen dem Bundesgesetz betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, der medizinisch-technischen Dienste und der Sanitätshilfsdienste, BGBl. Nr. 102/1961, gleichgestellt. Dadurch wird aber eine Ausbildung in einem Mitgliedstaat des EWR-Abkommens ein anerkanntes Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG. Das ergibt sich aus der Anerkennung der entsprechenden Befähigungsnachweise, ohne dass es einer gesonderten Gleichstellung der Ausbildungszeiten - wie etwa im § 27b Berufsausbildungsgesetz - bedurft hätte. Die Ausbildung der Tochter der Beschwerdeführerin während ihres Lehrganges in München entspricht daher einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am