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VwGH vom 10.05.1994, 93/14/0140

VwGH vom 10.05.1994, 93/14/0140

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , 131/7-10/F-1992, betreffend Zurückweisung der Berufung vom gegen die Bescheide vom (richtig wohl: 1991) betreffend Umsatz- und Einkommensteuer sowie Verspätungszuschläge für die Jahre 1984 bis 1989 und Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Finanzamt wurde in einem Finanzstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer bei dessen Einvernahme als Beschuldigter eine Vollmachtsurkunde vorgelegt, laut der der mit dem Beschwerdeführer erschienene Rechtsanwalt (Dr. P) uneingeschränkt zur Vertretung des Beschwerdeführers in allen Rechts- sowie sonstigen Angelegenheiten sowohl vor Gerichten als auch vor anderen Behörden ermächtigt sowie zur Entgegennahme der Zustellungen von Klagen und behördlichen Schriftstücken, insbesondere Bescheiden, berechtigt ist.

Da der Beschwerdeführer einen am an seine Wohnadresse zuzustellenden Vorhalt des Finanzamtes betreffend Abgabenfestsetzung für die Jahre 1984 bis 1989 nicht behoben hatte, wurde dieser Vorhalt am Dr. P zugestellt. Dieser verweigerte weder die Annahme der Sendung, noch teilte er dem Finanzamt mit, er sei im Abgabenverfahren nicht ermächtigt, Zustellungen für den Beschwerdeführer entgegenzunehmen.

Die an den Beschwerdeführer gerichteten Bescheide vom betreffend Umsatz- und Einkommensteuer sowie Verspätungszuschläge für die Jahre 1984 bis 1989 (in der Folge: Abgabenbescheide) stellte das Finanzamt am ebenfalls Dr. P zu.

Gegen die Abgabenbescheide erhob der Beschwerdeführer am , zur Post gegeben am , Berufung.

Mit Schreiben vom , ebenfalls zur Post gegeben am , teilte der Beschwerdeführer dem Finanzamt mit, Dr. P vertrete ihn ausschließlich als Strafverteidiger, weswegen die Zustellung sämtlicher Poststücke im Abgabenverfahren zu Handen des Beschwerdeführers beantragt werde.

Das Finanzamt wies die Berufung zurück; dies mit der Begründung, sie sei verspätet.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, Dr. P vertrete ihn lediglich als Verteidiger im Steuerstrafverfahren, nicht jedoch im administrativen Abgabenverfahren. Die am ausgefertigten Abgabenbescheide seien dem Beschwerdeführer somit nicht zugestellt worden. Die Rechtsmittelfrist habe deshalb überhaupt noch nicht zu laufen begonnen. "Vorsorglich" beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist mit der Begründung ab, die im § 308 Abs 3 BAO eingeräumte Monatsfrist sei versäumt worden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde beide Berufungen ab. Nach den übereinstimmenden Ausführungen des Beschwerdeführers und des von ihm beauftragten Vertreters sei vereinbart worden, die Vertretungsbefugnis (Vollmacht) gelte nur im Finanzstrafverfahren. Aus der dem Finanzamt vorgelegten Urkunde sei eine Beschränkung der Vollmacht auf ein bestimmtes Verfahren jedoch nicht ersichtlich gewesen. Auf Grund des Wortlautes der Urkunde sei vielmehr anzunehmen gewesen, Dr. P sei auch zur Vertretung in allen Abgabenangelegenheiten beauftragt worden. Insbesondere sei er ermächtigt gewesen, Zustellungen von Bescheiden entgegenzunehmen. Da Dr. P die Zustellung eines an den Beschwerdeführer gerichteten Vorhalts in einer Abgabenangelegenheit nicht verweigert habe, habe das Finanzamt im guten Glauben davon ausgehen können, die Vollmacht erstrecke sich auf alle Abgabenangelegenheiten. Die Beschränkung der Befugnisse Dris. P im Innenverhältnis habe das Finanzamt nicht erkennen können, weswegen die Zustellung der Abgabenbescheide am rechtsgültig an Dr. P erfolgt sei. Die erst am zur Post gegebene Berufung sei daher verspätet.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei wegen Verspätung des Antrages nicht zulässig. Dr. P habe die ihm am zugestellten Abgabenbescheide am an den Beschwerdeführer weitergeleitet. Dieser habe die Abgabenbescheide daher noch vor Ablauf der Berufungsfrist erhalten, weshalb er an der Einhaltung derselben nicht durch ein unvorhergesehenes bzw unabwendbares Ereignis gehindert gewesen sei. Auf Grund des Hinweises in der Kurzmitteilung Dris. P betreffend den Ablauf der Berufungsfrist hätte sich der Beschwerdeführer über den Beginn dieser Frist informieren müssen. Daß er dies nicht getan habe, stelle eine auffallende Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt dar. Daran ändere auch die verfehlte Rechtsauffassung über die Wirkung der Zustellung der Abgabenbescheide an Dr. P nichts. Der Beschwerdeführer habe auf Grund seiner auffallend sorglosen Einstellung vielmehr die verspätete Einbringung der Berufung in Kauf genommen, weshalb ihn an der Versäumung der Berufungsfrist nicht nur ein minderer Grad des Versehens treffe.

Der Beschwerdeführer erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit dem die Behandlung dieser Beschwerde ablehnenden Beschluß vom , B 2033/92-7, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen "Rechten gemäß §§ 83, 85, 98 f, 126, 133, 273, 308, 183, 204, 135, 297, 93 BAO, §§ 93, 106 ZPO, §§ 7, 9, 13, 21 Abs 2 Zustellgesetz, sowie §§ 1003 bis 1033 ABGB" und schließlich in seinem "Recht gemäß § 169 BAO" auf Vernehmung des Zeugen Dr. P verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde legte sowohl die Akten des Verwaltungsverfahrens als auch die des Finanzstrafverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 83 Abs 1 BAO können sich die Parteien, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Ist eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs 1 ZustellG, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen.

Es liegt daher grundsätzlich bei der Partei, ob sie gegenüber der Behörde selbst einschreiten oder sich vertreten lassen will. Der entsprechende Willensentschluß, sich vertreten zu lassen, erlangt erst durch Erklärung der Partei gegenüber der Behörde Bedeutung. Diese Erklärung umgrenzt die Ausübung des Rechtes der Partei, sich vertreten zu lassen. Die Behörde ist daher nicht berechtigt, außerhalb der von der Partei geübten Disposition mit Wirksamkeit für die Partei gegenüber einem Machthaber der Partei Verfahrenshandlungen zu setzen, der der Behörde von der Partei nicht für das betreffende Verfahren als Machthaber bezeichnet wurde. Welche Angelegenheiten zu der betreffenden Sache gehören für die von der Partei gegenüber der Behörde der Gewalthaber genannt wurde, ist der betreffenden Parteierklärung gegenüber der Behörde - nicht der Vollmachtsurkunde - zu entnehmen, die unter Umständen der Auslegung bedarf (vgl VwSlg 13.221 A/1990 und die darin zitierte Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall wurde die Bevollmächtigung der Behörde anläßlich einer Vernehmung des Beschwerdeführers als Beschuldigter in einem Finanzstrafverfahren angezeigt und durch Vorlage der eingangs erwähnten Urkunde über eine umfassende Vertretungsbefugnis nachgewiesen. Aus diesem Zusammenhang, in dem der Beschwerdeführer von seinem Recht, sich vertreten zu lassen disponiert hat, war für die Behörde nur zu entnehmen, daß sich der Beschwerdeführer im betreffenden Finanzstrafverfahren durch den Rechtsanwalt Dr. P vertreten lasse wolle, nicht jedoch, daß er durch diesen auch in administrativen Abgabensachen wie in Angelegenheiten betreffend Umsatz- und Einkommensteuer der Jahre 1984 bis 1989 durch diesen Rechtsanwalt vertreten werden wolle. Zwischen derartigen Verfahren und Finanzstrafverfahren besteht auch kein so enger Zusammenhang, daß das Verhalten des Beschwerdeführers anläßlich der Bekanntgabe der Bevollmächtigung im Finanzstrafverfahren als Vollmachtsanzeige auch für Zwecke von Steuerfestsetzungsverfahren verstanden werden durfte.

Dem Stillschweigen des Dr. P gegenüber der Behörde nach Zustellung eines Vorhaltes im Abgabenfestsetzungsverfahren kommt kein Erklärungsgehalt gegenüber der Behörde zu, weil die unberechtigte Zustellung nicht zu einem aktiven Verhalten verpflichtet. Auf welche Weise Anbringen an die Abgabenbehörde in einem Abgabenfestsetzungsverfahren, das der Bundesabgabenordnung unterliegt, heranzutragen sind, läßt sich § 85 BAO entnehmen. Rein passives Verhalten läßt sich danach nicht als Anbringen verstehen. Die Gebrauchnahme von Dispositionsrechten der Partei gemäß § 83 Abs 1 BAO und § 9 Abs 1 ZustellG durch Erklärung gegenüber der Abgabenbehörde ist Anbringen im Sinne der vorgenannten Gesetzesstelle.

Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer in der Person des Dr. P einen zur Entgegennahme von Zustellungen bevollmächtigten Vertreter der Behörde für das Abgabenfestsetzungsverfahren namhaft gemacht hatte. Sie durfte in diesem Verfahren Dr. P nicht als Empfänger von Schriftstücken, die für den Beschwerdeführer bestimmt waren, bezeichnen. Die Zustellung an Dr. P hatte gegenüber dem Beschwerdeführer keine rechtliche Wirkung. Sie führte daher auch nicht zur Erlassung der Abgabenbescheide gegenüber dem Beschwerdeführer. Die Weiterleitung der Schriftstücke durch Dr. P an den Beschwerdeführer führte zu keiner Heilung von Zustellmängeln gemäß § 7 ZustellG, weil die Schriftstücke von der Behörde für Dr. P und nicht für den Beschwerdeführer als Empfänger bestimmt waren, ein Fall des § 9 Abs 1 zweiter Satz ZustellG jedoch nicht vorlag.

Nach der Lage des Beschwerdefalles konnte der Beschwerdeführer durch die Zurückweisung seiner Berufung lediglich in seinem subjektiven Recht auf meritorische Erledigung dieser Berufung verletzt sein. Eine SPRUCHGEMÄßE Zurückweisung der Berufung wegen Verspätung ist nämlich nicht erfolgt; im Zurückweisungsbescheid ist deshalb keine Feststellung der Erlassung des mit der Berufung bekämpften Bescheides zu erblicken (vgl. das Erkenntnis vom , 83/10/0254, 0255).

Der Umstand, daß die belangte Behörde und die Erstbehörde in der Begründung der Zurückweisung von einer Verspätung des Rechtsmittels ausgegangen sind, kann den Beschwerdeführer in subjektiven Rechten nicht verletzen, weil nur der Spruch, nicht aber auch die Begründung eines Bescheides in Rechtskraft erwächst (für viele das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/15/0124).

Da sich die Berufung des Beschwerdeführers vom gegen die Erledigungen richtete, die mangels Erlassung in den Rechtsbestand nicht als Bescheide eingegangen sind, also gegen "Nichtbescheide", haben die Abgabenbehörden die Berufung im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen, weil es dem Rechtsmittel an einem Anfechtungsgegenstand fehlte.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde von der Erstbehörde wegen Verspätung abgelehnt, in Wahrheit also zurück- und nicht abgewiesen. Die belangte Behörde hat diese Entscheidung bestätigt. Da der Beschwerdeführer die Berufungsfrist nicht versäumt hat, weil ein Bescheid noch gar nicht erlassen worden war, ging sein Wiedereinsetzungsantrag ebenfalls ins Leere. Ihm wurde von der Abgabenbehörde daher zu Recht nicht stattgegeben. Auch hier gilt, daß der Beschwerdeführer durch die Begründung des Bescheides allein in subjektiven Rechten nicht verletzt wird.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.