VwGH vom 15.11.2000, 96/08/0194
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Rechtsanwalt in Wien IX, Währinger Straße 2-4, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. Abt. 12/7022/7100 B, betreffend Ruhen des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurde aufgrund eines am gestellten Antrages Notstandshilfe für die Dauer von 364 Tagen, beginnend mit , gewährt.
Der Leistungsakt enthält Zahlungs- und Verrechnungsaufträge vom 10. und , wonach die Leistung (offenbar auf Grund von Telefonaten am 9. und ) für die Zeit vom
10. bis zum nicht angewiesen wurde.
Am wurde mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen, wonach er "um Feststellungsbescheid über Auslandsaufenthalt" ersuche.
Mit Bescheid vom stellte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien fest, der Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe ruhe für den Zeitraum vom bis zum . Begründet wurde dies - nach einer Wiedergabe von Inhalten der §§ 16 Abs. 1 lit. g und 38 AlVG - damit, dass der Beschwerdeführer "im oben angeführten Zeitraum im Ausland" gewesen sei.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid gab der Beschwerdeführer an, er habe vom 11. bis zum einen Freund in Deutschland besucht. Er sei nicht darüber informiert gewesen, dass der Auslandsaufenthalt ein Ruhen des Anspruches auf Notstandshilfe zur Folge habe, widrigenfalls er die Reise unterlassen hätte. Auch bei der Rückmeldung sei er auf die Ruhensbestimmung nicht aufmerksam gemacht worden, als er zu der Beamtin wegen ihrer falschen Computereintragung gemeint habe, sie könne das Datum lassen, weil es sicherlich nicht relevant sei. Die Beamtin habe irrtümlich "den 20. anstatt den 18." Februar 1995 "als Rückkehrtag eingegeben". Der Beschwerdeführer sei aus näher dargestellten Gründen auf die Leistung angewiesen.
Am wurde mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift zu seiner Berufung aufgenommen. Der Beschwerdeführer gab wieder an, er habe die Ruhensbestimmung nicht gekannt. Der Auslandsaufenthalt habe nicht vom 10. bis zum , sondern vom 11. bis zum gedauert. Der Fehler sei durch einen Tippfehler der Sachbearbeiterin zustande gekommen. Gemeldet habe der Beschwerdeführer den Auslandsaufenthalt am . Auf Vorhalt der Widersprüchlichkeit seiner Angaben über den Zeitpunkt der Rückkehr aus Deutschland gab der Beschwerdeführer an, er sei am nach Österreich zurückgekehrt und wäre dem Arbeitsmarktservice am wieder zur Verfügung gestanden. Die Niederschrift enthält weder Fragen nach den genauen Aus- und Wiedereinreisezeitpunkten des Beschwerdeführers noch eine an ihn gerichtete Aufforderung, diesbezügliche Angaben durch "Belege" zu untermauern.
Am wurden Ausdrucke der automationsunterstützt geführten Aufzeichnungen über die Beratungsgespräche mit dem Beschwerdeführer hergestellt. Darin finden sich keine Eintragungen im Zeitraum vom bis zum .
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Im Anschluss an eine Darstellung der Rechtslage und des Verfahrensganges begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung - soweit für die Behandlung der Beschwerde noch wesentlich - wie folgt:
"Bezüglich des Ruhenszeitraumes hatte sich der zuständige Ausschuss mit widersprüchlichen Angaben Ihrerseits auseinanderzusetzen. Sie haben dem Arbeitsmarktservice den Auslandsaufenthalt rechtzeitig am für den gemeldet.
Der Ausschuss konnte Ihren geänderten Berufungsvorbringen über den Tag der Abreise nicht folgen, zumal Sie die Ausführungen durch nichts belegen konnten.
Als Tag der Rückkehr führen Sie in der Berufung den bzw. in der Niederschrift vom den an. Dem Arbeitsmarktservice haben Sie am telefonisch mitgeteilt, dass der Auslandsaufenthalt bis gedauert hätte. In freier Beweiswürdigung wurde dem Ausspruch über das Ruhen des Anspruches die erste Angabe zugrundegelegt, zumal auch hier das neue Vorbringen in der Berufung nicht belegt werden konnte.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der zwar beantragt wird, den angefochtenen Bescheid zur Gänze aufzuheben, der Entscheidung der belangten Behörde aber inhaltlich nur insofern entgegengetreten wird, als die belangte Behörde eine zu lange Dauer des Auslandsaufenthaltes angenommen habe. Hiezu wird der Standpunkt vertreten, bei ordnungsgemäßer Durchführung des Ermittlungsverfahrens und richtiger rechtlicher Beurteilung hätte sich ergeben, dass der Anspruch auf Notstandshilfe nur für den Zeitraum vom 11. bis zum geruht habe. Im Einzelnen wird dazu vorgebracht, der Beschwerdeführer habe den bevorstehenden Auslandsaufenthalt am Donnerstag, den , beim Arbeitsmarktservice gemeldet. Am Freitag, dem , sei er etwa um 21 Uhr nach Deutschland abgereist. Er habe die Grenze "nach Mitternacht" überquert und sei in den frühen Morgenstunden an seinem Bestimmungsort in Deutschland angekommen. Von dort sei er am Freitag, dem , nachmittags wieder Richtung Wien aufgebrochen. Er habe etwa um 22 Uhr Wien erreicht und sich am Montag, dem , beim Arbeitsmarktservice zurückgemeldet. Die Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren seien nicht widersprüchlich gewesen, sondern es sei jeweils "fraglich", auf welches Sachverhaltselement es bei der Bestimmung der Dauer des Auslandsaufenthaltes ankomme.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 lit. g i.V.m § 38 AlVG ruht der Anspruch auf Notstandshilfe - mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - "während des Aufenthaltes im Ausland". Auf die mangelnde Kenntnis des Beschwerdeführers von der Ruhensbestimmung wird in der Beschwerdebegründung - mit Recht - nicht mehr Bezug genommen. Strittig sind nur der Beginn und das Ende des Ruhenszeitraumes.
Sowohl das Arbeitslosengeld als auch die Notstandshilfe gebühren gemäß § 21 AlVG bzw. § 36 AlVG und § 1 Notstandshilfeverordnung in "täglichen" Grundbeträgen. Daraus folgt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Teilung von Tagen bei der Bestimmung der Dauer des Ruhens nicht in Betracht kommt. Im Besonderen scheidet damit auch ein "stundenweises" Ruhen bei nur ganz kurzen Auslandsaufenthalten aus. Dass andererseits der Ausspruch des Ruhens auch für einzelne - zur Gänze im Ausland verbrachte - Tage und nicht erst bei Auslandsaufenthalten, deren Dauer einen konkreten Einfluss auf die Vermittelbarkeit des Arbeitslosen erwarten lässt, stattzufinden hat, ist schon dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/02/0273, zu entnehmen.
Davon ausgehend kann es - wenn man aus Praktikabilitätsgründen ausscheidende Varianten, wie etwa ein Abstellen auf den "überwiegenden" Aufenthalt im Ausland während eines bestimmten Tages oder die zeitliche Lagerung der im Ausland verbrachten Stunden, beiseite lässt - in Bezug auf den Ruhensgrund des Auslandsaufenthaltes zunächst nicht den Intentionen des Gesetzgebers entsprechen, jeden auch nur ganz kurzfristigen Grenzübertritt als Ruhensgrund für den ganzen jeweiligen Tag anzusehen. Gleiches muss - in umgekehrter Richtung - für bloß stundenweise Inlandsaufenthalte während eines längeren Auslandsaufenthaltes und die damit verbundene Frage gelten, ob sie jeweils ein Aufleben des Leistungsanspruches für den betroffenen Tag zur Folge haben. Dabei kann es in beiden Fällen auch nicht darauf ankommen, ob der nur einige Stunden dauernde Aufenthalt im Aus- bzw. Inland vor oder nach Mitternacht beendet wird. Richtigerweise ist einem Wechsel vom Inlands- zum Auslandsaufenthalt oder umgekehrt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes daher nur rechtliche Bedeutung beizumessen, wenn der durch den Wechsel herbeigeführte Zustand mindestens einen vollen Kalendertag lang anhält. Im Fall eines mehrtägigen Auslandsaufenthaltes bedeutet dies, dass der Ausreisetag (wie dies in dem mit dem Erkenntnis vom entschiedenen Fall von der dort belangten Behörde angenommen wurde) noch dem Inlandsaufenthalt und der Tag der Wiedereinreise (anders, als im damals entschiedenen Fall von den Behörden angenommen wurde, was vom Verwaltungsgerichtshof aber nicht zu beurteilen war) noch dem Auslandsaufenthalt zuzurechnen ist.
Davon ausgehend hätte der Leistungsanspruch des Beschwerdeführers - bei Zutreffen der Schilderung seiner Reisebewegungen in der Beschwerde - wegen des Überschreitens der Grenze erst am während des Zeitraumes vom 12. bis einschließlich , und somit vier Tage weniger lang als von der belangten Behörde angenommen, geruht. Auf den Zeitpunkt der Wiedermeldung kam es nicht an (vgl. in dieser Hinsicht zu § 46 Abs. 5 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 die zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 412/1990 ergangenen Erkenntnisse vom , Zl. 92/08/0116, und vom , Zl. 94/08/0264).
Den Feststellungen der belangten Behörde sind die für die rechtliche Beurteilung der Dauer des Ruhenszeitraumes maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht entnehmbar. Die belangte Behörde hat nicht festgestellt, wann der Beschwerdeführer das Bundesgebiet verlassen hat und wann er wieder eingereist ist, obwohl das Berufungsvorbringen zu einer näheren Prüfung dieser Frage Anlass gab und die Aufnahme der Niederschrift mit dem Beschwerdeführer Gelegenheit dazu geboten hätte. Statt dessen hat sich die belangte Behörde in einer auch aus anderen Gründen - etwa hinsichtlich des Vorwurfes, der Beschwerdeführer habe seine Angaben nicht belegen können - nicht schlüssigen Weise auf Erkenntnisquellen gestützt, die zum Teil - nämlich hinsichtlich der behaupteten Inhalte der Meldungen vom 9. und - nicht identifizierbar sind, und dabei nur auf Datumsangaben des Beschwerdeführers und nicht darauf abgestellt, worauf sich diese jeweils genau gezogen hätten. Die Beurteilung der Dauer des Auslandsaufenthaltes ist jedoch, wie in der Beschwerde zutreffend hervorgehoben wird, unter den dargelegten Gesichtspunkten nicht frei von rechtlichen Voraussetzungen, weshalb die belangte Behörde - da die Frage der genauen Abgrenzung des Ruhenszeitraumes strittig geworden war - die Zeitpunkte der Aus- und der Wiedereinreise des Beschwerdeführers festzustellen gehabt hätte. Darauf, dass der Beschwerdeführer - insbesondere anlässlich der Aufnahme der Niederschrift am - zur dabei erforderlichen Mitwirkung nicht bereit gewesen wäre, deutet nichts hin, und die belangte Behörde stützt sich auch nicht darauf, dass dies der Fall gewesen sei.
Da die belangte Behörde den maßgeblichen Sachverhalt somit nicht ausreichend erhoben und festgestellt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am