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VwGH vom 28.10.1993, 93/14/0123

VwGH vom 28.10.1993, 93/14/0123

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Hutter, über die Beschwerde der M in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 87/1-3/Ko-1993, betreffend aufsichtsbehördliche Aufhebung der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide für 1989 und 1990 sowie des Einkommensteuerbescheides für 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nach den Feststellungen einer 1989/1990 durchgeführten Betriebsprüfung wurden die Umsätze und Gewinne aus der Vermittlung von Immobilien-Sparverträgen entgegen der Rechnungslegung und den eingereichten Abgabenerklärungen nicht der Beschwerdeführerin, sondern ihrem Vater zugerechnet, weil dieser die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt habe. Das Finanzamt erließ an die Beschwerdeführerin (zum Teil im gemäß § 303 Abs 4 BAO wiederaufgenommenen Verfahren) entsprechende (endgültige) Abgabenbescheide für die Streitjahre.

Diese Bescheide hob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes gemäß § 299 Abs 1 lit. c BAO auf. Sie führte im wesentlichen aus:

Zum Zeitpunkt der Erlassung der aufgehobenen Bescheide sei bereits bekannt gewesen, daß die Prüfungsfeststellung Zurechnung der Umsätze und Gewinne aus der Vermögens- und Versicherungsberatung nicht anerkannt werden werde und demnach die Rechtsfrage der Steuerpflicht von der zu erlassenden Berufungsentscheidung abhängig sei. Die mit Datum

nunmehr erlassene Berufungsentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz (betreffend den Vater der Beschwerdeführerin) sei inzwischen mit Bescheidbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof, verbunden mit dem Eventualantrag auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof, bekämpft worden (der Verfassungsgerichtshof hat mittlerweile mit Beschluß vom , B 437/93-7, die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, bei welchem sie zu 93/14/0151 anhängig ist). Die hierüber ergehenden Entscheidungen seien mitentscheidend über die Rechtsfrage der vorliegenden Abgabenpflicht. Da somit die Abgabenpflicht bzw. das Nichtbestehen einer Abgabenpflicht noch ungewiß sei, hätten die angeführten materiellen Abgabenbescheide nicht endgültig erlassen werden dürfen; es wären demnach gemäß § 200 Abs 1 BAO vorläufige Bescheide zu erlassen gewesen. Da dies vom Finanzamt als Abgabenbehörde erster Instanz bei der Erlassung dieser Bescheide verkannt worden sei, seien die endgültigen Bescheide wegen Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein allenfalls anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können, gemäß § 299 Abs 1 lit. c BAO aufzuheben gewesen.

Durch diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Unterbleiben einer Aufhebung der endgültigen Bescheide des Finanzamtes sowie auf gesetzmäßige Bescheidbegründung verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 200 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiß, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiß ist. Diese Verfahrensbestimmung bezweckt ihrem Wortlaut und ihrer erkennbaren Zielsetzung, aber auch zufolge ihrer historischen Entwicklung nach nichts anderes, als einen dem Grunde nach wahrscheinlich entstandenen Abgabenanspruch in jenen Fällen realisieren zu können, in denen der eindeutigen und zweifelsfreien Klärung der Abgabepflicht oder der Höhe der Abgabenschuld nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens vorübergehende Hindernisse entgegen stehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 92/13/0045 bis 0050; Stoll, BAO-Handbuch, Seite 471). Wie aus den Worten "nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens" hervorgeht, muß es sich hiebei um Ungewißheiten im Tatsachenbereich handeln (vgl. das zu § 152 Abs 1 der Burgenländischen Landesabgabenordnung ergangene hg. Erkenntnis vom , 85/17/0040; vgl. auch Stoll aaO, Seite 472).

Die belangte Behörde hat ihren Aufhebungsbescheid aber ausdrücklich auf eine Ungewißheit bei der Lösung der Rechtsfrage gestützt. Sie hat damit zutreffend unterstellt, daß es eine Rechtsfrage ist, welcher Person Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechtes zuzurechnen sind und welche Person als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechtes anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0141). Diese Rechtsfrage ist auf der Grundlage von Tatsachenfeststellungen zu lösen. Ungewißheiten im Tatsachenbereich, die im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung der aufgehobenen Bescheide (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 85/14/0093) bestanden hätten, wurden im angefochtenen Bescheid aber nicht dargestellt; so wurde nicht ausgeführt, welche Sachverhaltselemente im Ermittlungsverfahren aufgrund welcher Hindernisse noch nicht klärbar gewesen wären. Die Ungewißheit, wie die Rechtsfrage der Zurechnung (bzw. der Unternehmereigenschaft) von der Berufungsbehörde und letztlich von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts im Verfahren eines anderen Abgabepflichtigen gelöst werden würde, rechtfertigte eine bloß vorläufige Bescheiderlassung durch das Finanzamt nicht.

Durch ihre gegenteilige Ansicht hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz ist die Umsatzsteuer nicht gesondert zuzusprechen. Der angefochtene Bescheid war nur einfach vorzulegen, wofür ein Stempelgebührenersatz von S 60,-- zusteht.