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VwGH vom 05.10.1993, 93/14/0101

VwGH vom 05.10.1993, 93/14/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Hutter, über die Beschwerde der N GmbH in I, vertreten durch Dr. G, RA in I, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Tirol vom , Zl. 40.079-4/92, betreffend Haftung und Zahlung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zu diesem Beitrag für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Lohnsteuer wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt ein Reise- und Verkehrsbüro. Anläßlich einer Lohnsteuerprüfung über den Streitzeitraum wurde unter anderem beanstandet, daß die Beschwerdeführerin

1. gemäß § 68 Abs. 2 EStG 1972 bzw. § 68 Abs. 5 EStG 1988 im Kollektivvertrag vorgesehene Erschwerniszulagen an Lenker von Autobussen mit Überlänge (länger als 10,9 m) steuerbegünstigt ausbezahlt,

2. bei freiwilligen Abfertigungen (1986, 1988, 1989, 1990) entgegen § 67 Abs. 6 EStG 1972 bzw. 1988 die Pflicht, das steuerbegünstigte Ausmaß um bereits erhaltene Abfertigungen sowie bestehende Ansprüche auf gesetzliche Abfertigungen zu kürzen, nicht beachtet habe.

Das Finanzamt folgte dem Prüfungsbericht und zog die Beschwerdeführerin zur Haftung und Zahlung für Lohnsteuer (Abfuhrdifferenz und Fehlberechnungen) sowie zur Zahlung von Nachforderungen an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen sowie an Zuschlägen zu diesen Beiträgen heran.

Die Beschwerdeführerin erhob in den beiden genannten Punkten Berufung und brachte vor:

ZU 1.: Die Lenker der Autobusse mit Überlängen hätten im Vergleich zu Lenkern kürzerer Autobusse ihre Arbeit überwiegend unter Umständen zu leisten, die eine außerordentliche Erschwernis darstellte, weil ungeachtet besserer Ausstattung der Fahrzeuge durch die Verantwortung und Gefahrentragung für mehr Passagiere und höhere Sachwerte die nervliche und körperliche Beanspruchung wesentlich höher sei. Die Lenkung der Fahrzeuge sei in Städten und auf Bergpässen außerordentlich erschwert. Die Lenker müßten für Wagenreinigung und Gepäckverstauung von mehr Reisenden sorgen. Sie würden ausschließlich für Studienreisen, Tagesausflüge und Transferfahrten eingesetzt. Durch das wesentlich höhere Verkehrsaufkommen und durch die größeren Geschwindigkeiten der Fahrzeuge sei ungeachtet besserer technischer Ausstattung das Lenken von Großraumbussen nicht leichter, sondern eher schwerer geworden.

ZU 2.: Die Entscheidung des Finanzamtes verstoße gegen Treu und Glauben, weil gleiche Vorgangsweise anläßlich der letzten Lohnsteuerprüfung unbeanstandet geblieben und in einem der Abfindungsfälle des Streitzeitraumes diese Vorgangsweise in einem persönlichen Gespräch mit dem Finanzamt abgeklärt worden sei. Hiefür bot die Beschwerdeführerin eidesstattliche Erklärungen namhaft gemachter Zeugen an.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung aus folgenden Gründen nicht Folge:

ZU 1.: Auf Grund des Standes der heutigen Kraftfahrzeugtechnik sei eine steuerliche Differenzierung zwischen Lenkern von Autobussen unterschiedlicher Länge nicht mehr angebracht. Die höheren Anforderungen an Fahr- und Raumgefühl, das Erfordernis größerer Erfahrung, Routine, besserem Abschätzungsvermögen und höherer Präzision hätten mit der vom Gesetz geforderten Erschwernis nichts zu tun. Wagenpflege und Gepäckverstauung begründe keine außerordentliche Erschwernis, weil auch Lenker von kürzeren Autobussen derartige Tätigkeiten verrichten müßten, mag auch die Intensität der Arbeiten unterschiedlich sein. Selbst wenn eine Erschwernis angenommen würde, bestünden solche Verhältnisse fallweise, aber nicht überwiegend. Auf Treu und Glauben könne sich die Beschwerdeführerin nicht berufen, weil sich die Kraftfahrzeugtechnik wesentlich geändert habe.

ZU 2.: Die Vernehmung der Zeugen sei nicht erforderlich, weil eine unrichtige Auskunft des Finanzamtes im Hinblick auf das Legalitätsprinzip der Sachentscheidung nicht zugrunde gelegt werden könnte. Dem Grundsatz von Treu und Glauben komme nämlich nur dann Bedeutung zu, wenn die getroffene Vorgangsweise nicht gegen "zwingendes Recht" verstoße.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht verletzt, aus den unter 1. und 2. genannten, von der belangten Behörde angenommenen Fehlberechnungen nicht zur Haftung und Zahlung für Lohnsteuer herangezogen zu werden. Sie behauptet Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Unter Erschwerniszulagen sind jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen (§ 68 Abs. 2 EStG 1972, § 68 Abs. 5 EStG 1988).

Eine Einschränkung des Begriffes der Erschwernis auf "körperliche Erschwernisse" findet im Gesetz keine Stütze (Erkenntnis vom , 83/14/0095, und vom , 85/14/0041). Zum Vergleich sind die Arbeitsbedingungen vergleichbarer Arbeitstätigkeiten heranzuziehen. Die Erschwernis kann nicht nur "Umgebungseinflüssen" entspringen, sondern auch Schwierigkeiten der Arbeit selbst oder der Dringlichkeit ihrer Durchführung (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom ). Der Vergleich zwischen Berufskraftfahrern von Autobussen im allgemeinen und von Lenkern überlanger Autobusse entspricht daher dem Gesetz. Besondere nervliche und körperliche Anstrengung beim Lenken überlanger Autobusse kommt nach der geschilderten Rechtslage als außerordentliche Erschwernis in Betracht.

Die Beschwerdeführerin hat der Begründung der belangten Behörde, auf Grund des Standes der heutigen Kraftfahrzeugtechnik sei eine Differenzierung zwischen den Lenkern kleinerer Autobusse und den Lenkern überlanger Autobusse unter dem Gesichtspunkt außerordentlicher Erschwernis nicht mehr angebracht, zutreffenderweise entgegengehalten, daß die größere Dichte und das größere Tempo des Verkehrs die Erleichterung durch die bessere technische Ausstattung der Fahrzeuge zumindest ausgleiche, zumal letztere nur die körperliche Anstrengung beim Lenken überlanger Fahrzeuge mindern könne. Weder die stärkere nervliche Beanspruchung wird hiedurch ausgeglichen, noch die größere körperliche Belastung durch die Verstauung des Gepäcks einer größeren Anzahl von Passagieren und durch die Reinigung des wesentlich größeren Fahrzeuges.

Da sich die genannten Erschwernisse aus der Lenkung und Betreuung überlanger Fahrzeuge ergibt, erfolgt die Arbeit der Lenker solcher Autobusse notwendigerweise überwiegend unter Umständen, die eine außerordentliche Erschwernis im Vergleich zur Tätigkeit von Autobuslenkern im allgemeinen mit sich bringen.

Da die belangte Behörde im Verwaltungsverfahren Zweifel am Tatsachenvorbringen der Beschwerdeführerin nicht geäußert hat, geht ihr Vorbringen in der Gegenschrift fehl, die Beschwerdeführerin habe ihre Behauptungen zur außerordentlichen Erschwernis nicht unter Beweis gestellt. Auch im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde einen vom Vorbringen der Beschwerdeführerin abweichenden Sachverhalt nicht festgestellt, sondern lediglich diesen Sachverhalt einer von der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin abweichenden rechtlichen Beurteilung unterzogen.

Diese rechtliche Beurteilung steht jedoch mit dem Gesetz nicht in Einklang, weil die im Kollektivvertrag vorgesehene Erschwerniszulage auch eine solche im Sinne der zitierten einkommensteuerlichen Vorschriften darstellt.

2. § 67 Abs. 6 EStG 1972 und 1988 bestimmen ausdrücklich:

"Während dieser Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen im Sinne des Absatz 3 oder gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigung im Sinne des Absatzes 3 kürzen das steuerlich begünstigte Ausmaß."

Diese Vorschrift ist so klar und eindeutig, daß sie einer von ihrem Wortlaut abweichenden Auslegung nicht zugänglich ist.

Vertrauen in eine von dieser klaren, eindeutigen Rechtslage abweichende und daher offensichtlich unrichtige Rechtsauskunft wäre daher selbst dann nicht zu schützen, wenn sie gemäß § 90 EStG 1972 bzw. 1988 vom Finanzamt erteilt worden wäre. Da die Durchsetzung der Rechtsordnung Vorrang hat, kommt dem Grundsatz von Treu und Glauben nur dann Bedeutung zu, wenn die betroffene Vorgangsweise der Behörde nicht gegen zwingendes Recht verstößt (Erkenntnis vom , 84/15/0221, und die darin zitierte Vorjudikatur). Ein derartiger Verstoß wäre aber die Mißachtung der eindeutigen, klaren Anordnung des Gesetzgebers.

Die belangte Behörde ist der Beschwerdeführerin in diesem Punkt daher zu Recht nicht gefolgt. Die Ablehnung der angebotenen Beweise belastet den angefochtenen Bescheid folglich nicht mit Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid mußte also nur aus den zu 1. angeführten Gründen hinsichtlich der Haftung und Zahlung für Lohnsteuer gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und des Zuschlages zu diesem Beitrag wird der angefochtene Bescheid durch den Beschwerdepunkt nicht berührt. Insofern war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.