VwGH vom 21.05.1997, 93/14/0033
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
93/14/0038 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der Gemeinde H, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , Zl 30.790-3/92, betreffend Umsatzsteuer 1987 bis 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Gemeinde machte für die Streitjahre Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit der Errichtung einer Kanalisationsanlage geltend. Die Kanalisationsanlage wurde in Art eines sogenannten "Zweikreissystems" errichtet, wonach zwei voneinander unabhängige Kanalsysteme installiert und betrieben werden. Das eine System dient der Beseitigung des Schmutzwassers (Fäkalkanal), welches vor Einleitung in Bäche oder Flüsse in den Kläranlagen gereinigt wird, das andere System dient der Beseitigung insbesondere des Niederschlagswassers, welches direkt in einen Bach oder Fluß eingeleitet wird.
Im Anschluß an eine abgabenbehördliche Prüfung wurde vom Finanzamt nach Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren ua die geltend gemachte Vorsteuer, soweit sie innerhalb des Gesamtbauvolumens auf die Niederschlagskanalisation entfiel (rd 16 %), nicht anerkannt. Dies unter Verweis auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, wonach in der taxativen Aufzählung des § 2 Abs 3 UStG 1972 die Abfuhr von Regenwasser nicht genannt sei. Daraus folge, daß die Abfuhr von Regenwasser keine unternehmerische Tätigkeit als Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinn des § 2 Abs 3 UStG darstelle.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde eine dagegen eingebrachte Berufung ab. Außer Streit stehe, daß die Errichtung und der Betrieb des Oberflächenwasserkanals in den hoheitlichen Bereich der Gemeinde falle. Auf Grund der gesetzlichen Fiktion des § 2 Abs 3 UStG 1972 könnten nur die in dieser Gesetzesstelle taxativ angeführten hoheitlichen Anstalten dem Unternehmensbereich der Körperschaft des öffentlichen Rechts zugeordnet werden. Darunter fielen ua Anstalten zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen. Nach § 2 des Gesetzes vom über öffentliche Abwasserbeseitigungsanlagen, LGBl Nr 40/1985 (Tiroler Kanalisationsgesetz), sei Abwasser Schmutzwasser, Niederschlagswasser und Fremdwasser, dessen geordnete Beseitigung im Interesse des Schutzes des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Sicherheit von Sachen, der Reinhaltung der Gewässer und des Naturschutzes geboten sei. Schmutzwasser sei Wasser, das verunreinigt oder sonst nachteilig verändert sei. Niederschlagswasser sei Wasser, das von atmosphärischen Niederschlägen stamme und weder verunreinigt noch sonst in seiner natürlichen Beschaffenheit nachteilig verändert sei. Fremdwasser sei Grundwasser, Quellwasser, Sickerwasser, Bachwasser und ähnliches Wasser sowie Kühlwasser, das weder verunreinigt noch sonst nachteilig verändert sei. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei Spülwasser - unabhängig von landesgesetzlichen Regelungen - Wasser, das zum Spülen (Reinigen) von verschiedenen Gegenständen, Geräten, Gefäßen oder zB auch von Wäsche verwendet, dadurch verschmutzt werde und daher entsorgt werden müsse. Abfälle seien Reste, die bei der Zubereitung oder Herstellung von etwas als wertlos und unbrauchbar betrachtet und daher weggeworfen werden. Niederschlags- und Fremdwässer fielen daher nicht unter die Begriffe "Spülwasser" oder "Abfälle". Der Gesetzgeber habe dem Begriff Abfälle auch nicht sämtliche Abwässer zugerechnet, sonst hätte er die Abfuhr von Spülwässern nicht gesondert hervorgehoben. Die Anlagen zur Beseitigung von Niederschlagswasser und Fremdwasser gehörten daher in den außerunternehmerischen Bereich der Beschwerdeführerin, weshalb die insoweit bei Errichtung dieser Anlagen angefallene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer anerkannt werden könne. Auch der Auffassung der Gemeinde, daß sowohl der Bau als auch der laufende Betrieb des Oberflächenwasserkanals nur in Einheit mit dem Betrieb des Fäkalkanals im Rahmen der bestehenden Gemeindeeinrichtung gesehen werden könne, könne nicht gefolgt werden, weil es sich hiebei um keinen Mischbetrieb handle, der eine Aufspaltung in hoheitlich und gewerblich nicht möglich oder nicht zumutbar erscheinen lasse. Tatsache sei, daß der Oberflächenwasserkanal der Gemeinde technisch als eine Einheit angesehen werden müsse, für welchen - unabhängig vom Fäkalkanal - eine gesonderte Anschlußgebühr und ein gesondertes Entgelt für den Betrieb eingehoben werde.
Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Kostenzuspruch.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs 3 UStG 1972 sind Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1966 bzw 1988) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Als Betriebe gewerblicher Art im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten jedoch stets Wasserwerke, Schlachthöfe, Anstalten zur Müllbeseitigung, zur Tierkörpervernichtung und zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen, sowie die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften.
§ 2 Abs 1 KStG 1966 und KStG 1988 enthält nähere Angaben, was unter einem Betrieb gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts zu verstehen ist.
Gemäß § 2 Abs 4 KStG 1966 gehören Betriebe von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen, nicht zu den Betrieben gewerblicher Art; gemäß § 2 Abs 5 KStG 1988 liegt eine privatwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Abs 1 nicht vor, wenn die Tätigkeit überwiegend der öffentlichen Gewalt dient (Hoheitsbetrieb). Der öffentlichen Gewalt dienende Betriebe sind nach § 2 Abs 4 KStG 1966 bzw als Hoheitsbetriebe gelten gemäß § 2 Abs 5 KStG 1988 insbesondere Wasserwerke, wenn sie überwiegend der Trinkwasserversorgung dienen, Forschungsanstalten, Wetterwarten, Schlachthöfe, Friedhöfe, Anstalten zur Nahrungsmitteluntersuchung, zur Desinfektion, zur Leichenverbrennung, zur Müllbeseitigung, zur Straßenreinigung und zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen.
Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ist unter einer "Anstalt zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen" eine (Orts-)Kanalisationsanlage zu verstehen (vgl etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 9/80, und das hg Erkenntnis vom , 89/17/0194, mwN). Der belangten Behörde ist einzuräumen, daß in den in diesen Erkenntnissen behandelten Fällen nicht näher festgestellt worden war, welcher Art die in den jeweiligen Kanalisationsanlagen entsorgten Abwässer waren. Diesem Umstand kommt deswegen keine entscheidende Bedeutung zu, weil eine Kanalisationsanlage, unabhängig von der Frage, in wievielen "Kreisen" das System ausgeführt ist, entgegen der Ansicht der belangten Behörde sowohl im Hinblick auf den wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Zusammenhang als auch nach der Verkehrsauffassung einen einheitlichen Betrieb darstellt, zumal eine Kanalisationsanlage nicht nur in Tirol, sondern in aller Regel (vgl etwa die Kanalisationsanlage in Wien) in Art eines Zweikreissystems ausgeführt ist. Daß allenfalls verschiedene Anschlußgebühren und Entgelte für den Betrieb (je nach der Art des entsorgten Abwassers) eingehoben werden, ändert daran nichts. Der von der belangten Behörde gegen die Annahme eines einheitlichen Betriebes ins Treffen geführte Umstand, daß es sich gegenständlich um keinen Mischbetrieb handle, der eine Aufspaltung in hoheitlich und gewerblich nicht möglich oder nicht zumutbar erscheinen lasse, überzeugt deswegen nicht, weil im gegebenen Zusammenhang keine Veranlassung besteht, von einem "Mischbetrieb", somit von einem Betrieb, der teils gewerblichen Zwecken, teils der Ausübung der öffentlichen Gewalt dient, zu sprechen. Körperschaftsteuerlich kann nämlich schon im Hinblick auf den Annahmezwang der Leistungsempfänger kein Zweifel bestehen, daß nicht nur die Entsorgung des Schmutzwassers, sondern auch des Niederschlagswassers eine hoheitliche Aufgabe der Gemeinde darstellt. Einen Betrieb gewerblicher Art stellt eine im Körperschaftsteuergesetz 1966 bzw 1988 und im Umsatzsteuergesetz 1972 gleich umschriebene "Anstalt zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen", somit eine Kanalisationsanlage nach dem oben erwähnten Begriffsverständnis, umsatzsteuerlich nur kraft der gesetzlichen Fiktion des § 2 Abs 3 UStG 1972 dar.
Da die belangte Behörde aus den angeführten Gründen die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.