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VwGH vom 29.07.1997, 93/14/0030

VwGH vom 29.07.1997, 93/14/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom , Zl 124-3/89, betreffend Einkommensteuer 1986 (mitbeteiligte Partei: Dr. W, Rechtsanwalt in F), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anläßlich einer beim Mitbeteiligten, einem seinen Gewinn nach § 4 Abs 3 EStG 1972 ermittelnden Rechtsanwalt, durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde ua festgestellt, daß "Ersatzleistungen" des Mitbeteiligten in einem Treuhandfall nicht als Betriebsausgabe des Jahres 1986 zuzulassen seien, weil der Mitbeteiligte als Treuhänder bewußt und schwerwiegend gegen seine beruflichen Obliegenheiten verstoßen habe. In einer gegen den Einkommensteuerbescheid 1986, in welchem dieser Ansicht gefolgt worden war, erhobenen Berufung wurde vom Mitbeteiligten eingewandt, daß für die Versagung der Anerkennung dieser Ausgabe als Betriebsausgabe das

hg Erkenntnis vom , 681/78, zu Unrecht herangezogen worden sei. Die Schadenersatzleistung sei - anders als in dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Fall - auf ein ungewolltes Fehlverhalten des Mitbeteiligten zurückzuführen. Zur Schadenersatzleistung sei es weder gekommen, weil private, freundschaftliche Motive vorhanden gewesen seien, noch, weil eine bewußte, quasi absichtliche Pflichtverletzung des Auftragsverhältnisses vorgelegen sei. Vielmehr habe der Mitbeteiligte dem ihm völlig unbekannten - sein Auftraggeber sei der Käufer gewesen - Verkäufer verschiedener Grundstücke die treuhändig von einer Bank übergebenen Gelder (S 925.000,--) zur Gänze ausbezahlt, obwohl die grundbücherliche Sicherstellung der dem Käufer eingeräumten Kredite noch nicht vereinbarungsgemäß für alle Grundstücke durchgeführt gewesen sei, weil seine Kanzleileiterin ihm gesagt habe, daß die notwendigen Voraussetzungen für die Auszahlung des Treuhandgeldes erfüllt seien. Es sei ihm nicht die Zeit geblieben, sich persönlich vom Vorliegen der Voraussetzungen zu überzeugen, weil die Freigabe der Mittel zu einem Zeitpunkt telefonisch vom Verkäufer urgiert worden sei, als er mitten in einer komplizierten Besprechung mit einem Klienten gewesen sei. Noch während dieser Besprechung sei ihm von seiner Kanzleileiterin der Überweisungsbeleg zur Unterschrift vorgelegt worden. Im Streitjahr habe der Mitbeteiligte der Bank einen (Teil-)Betrag von S 136.037,-- rückerstattet.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungsbegehren auf Anerkennung des Betrages von S 136.037,-- Folge gegeben. Zwar habe der Mitbeteiligte den Treuhandbetrag zur Überweisung freigegeben, ohne sich persönlich davon zu überzeugen, ob alle vereinbarten Bedingungen erfüllt seien, doch habe sich der Mitbeteiligte zu seiner Rechtfertigung auf die Auskunft seiner langjährig bei ihm beschäftigten, verläßlichen Kanzleileiterin stützen können, die Bedingungen für die Freigabe der Gelder seien erfüllt. Gestützt auf das hg. Erkenntnis vom , 681/78, vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß das Fehlverhalten des Mitbeteiligten als ungewollte Verhaltenskomponente gegenüber dem angestrebten Betriebszweck, nämlich der Abwicklung des Treuhandgeschäftes, derart in den Hintergrund trete, daß es bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung des Betriebsgeschehens von diesem mitumfaßt werde. Außerhalb der betrieblichen Sphäre liegende Beweggründe lägen nicht vor.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet, in welchem der Antrag gestellt wird, die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnis lag ein Fall zugrunde, in welchem ein Rechtsanwalt einen ihm treuhändig übergebenen Betrag (in Form von Schecks) an einen langjährigen Klienten und Freund bewußt auftragswidrig herausgegeben hatte. Damals vertrat der Gerichtshof die Ansicht, daß unter betrieblich veranlaßte Aufwendungen auch Schadenersatzleistungen fallen könnten, die auf ein Fehlverhalten des Betriebsinhabers zurückzuführen seien. Voraussetzung hiefür sei allerdings, daß das Fehlverhalten des Betriebsinhabers und die sich daraus ergebenden Folgen der betrieblichen Sphäre zuzuordnen seien. Das werde in der Regel dann der Fall sein, wenn der Betriebsinhaber in Ausübung seiner betrieblichen Tätigkeit aus Versehen oder einem sonstigen ungewollten Verhalten einen Schaden verursache. Zwar sei auch in solchen Fällen das Fehlverhalten an sich nicht durch den Betrieb veranlaßt; es trete aber als ungewollte Verhaltenskomponente gegenüber dem angestrebten Betriebszweck derart in den Hintergrund, daß es bei der notwendigen Gesamtbetrachtung des betrieblichen Geschehens von diesem mitumfaßt werde. Im damaligen Beschwerdefall sprach der Gerichtshof aus, daß ein solches ungewolltes Fehlverhalten nicht vorliege, weil der (damalige) Treuhänder bewußt entgegen einem ausdrücklichen Auftrag des Treugebers gehandelt hätte.

Im nunmehrigen Beschwerdefall nahm die belangte Behörde aber ein solches ungewolltes Fehlverhalten als erwiesen an, zumal - wie sie ausdrücklich ausführte - außerhalb der betrieblichen Sphäre liegende Beweggründe für das Verhalten des Mitbeteiligten nicht vorlägen.

Vor dem Hintergrund der Aussagen des Gerichtshofes im oben zitierten Erkenntnis ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde den strittigen Betrag als infolge eines ungewollten Fehlverhaltens betrieblich veranlaßt anerkannte. Das Beschwerdevorbringen, der Mitbeteiligte hätte sich unbedingt selbst überzeugen müssen, ob die im Treuhandvertrag vom Treugeber gestellten Bedingungen erfüllt seien oder nicht, ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil es nur darstellt, wie das Fehlverhalten hätte vermieden werden können, nicht aber, daß es nicht ungewollt erfolgte. Von dem dem zitierten Erkenntnis zugrunde liegenden Fall unterscheidet sich der Beschwerdefall abgesehen davon, daß die Person, an welche das Treuhandgeld ausgezahlt wurde, nach der auch in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogenen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde KEIN dem Mitbeteiligten persönlich Nahestehender war, sodaß Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Fehlverhalten nicht erkennbar sind, entscheidend dadurch, daß der damalige Treuhänder WUßTE, daß die Voraussetzungen für die Ausfolgung des Betrages nicht erfüllt sind, während der Treuhänder im Beschwerdefall dies nicht wußte, sondern vielmehr aufgrund der Fehlinformation seiner Kanzleileiterin - wenn auch irrigerweise - glaubte, daß die Voraussetzungen für die Ausfolgung des Geldbetrages erfüllt sind.

Der beschwerdeführende Präsident rügt auch, es sei im angefochtenen Bescheid unberücksichtigt geblieben, daß es sich bei dem gegenständlichen Betrag, wie der Oberste Gerichtshof in seinem in der Sache ergangenen Urteil ausgesprochen habe, (zivilrechtlich) nicht um einen Schadenersatz, sondern um vereinbarungsgemäß zurückzuzahlende Treuhandgelder gehandelt habe. Die vereinbarungsgemäße Rückzahlung von Treuhandgeldern könne aber nicht zu Betriebsausgaben führen, sondern sei ähnlich wie die Rückzahlung eines Darlehens (auch im Rahmen einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) erfolgtsneutral zu behandeln. Ebensowenig wie der Treuhandbetrag im Zeitpunkt der Überweisung auf das Konto des Mitbeteiligten als Betriebseinnahme angesehen werden könne, bewirke die (Teil-)Rückzahlung dieser Gelder im Streitjahr (1986) eine Betriebsausgabe. Im Streitfall könne dahingestellt bleiben, wie die auftragswidrige Überweisung der Treugelder an den Verkäufer steuerlich zu behandeln wäre, weil diese bereits im Jahr 1980 erfolgt sei und das Streitjahr somit nicht berühre.

Muß ein Treuhänder wegen eines Fehlverhaltens, nämlich vereinbarungswidriger Weitergabe des Treuhandgeldes, einen entsprechenden Betrag an den Treugeber erstatten, so führt diese Zahlung zu einer Betriebsausgabe, weil der Treuhandbetrag selbst bereits abgeflossen ist, auch wenn der zivilrechtliche Titel für diese Leistung nicht Schadenersatz, sondern vereinbarungsgemäß zurückzuzahlendes Treuhandgeld ist. Dies auch bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1972, weil diese im Verhältnis zum Betriebsvermögensvergleich eine vereinfachte Gewinnermittlung im Wege einer Geldrechnung darstellt, die aber auf Dauer gesehen keine Besteuerung von gegenüber der grundsätzlichen Gewinnermittlungsart des Betriebsvermögensvergleiches abweichenden Betriebsergebnissen bezweckt. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird daher auch in diesem Zusammenhang vom beschwerdeführenden Präsidenten nicht aufgezeigt.

Gleiches gilt für die Rüge, die belangte Behörde habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich die Kanzleileiterin durch ihre Fehlinformation dem Mitbeteiligten gegenüber schadenersatzpflichtig gemacht habe und bejahendenfalls nicht ermittelt, weshalb der Mitbeteiligte auf die Geltendmachung eines Regreßanspruches verzichtet habe.

In seinem Erkenntnis vom , 87/14/0118, auf welches der beschwerdeführende Präsident seine Rüge stützt, hat der Gerichtshof ausgesprochen, daß bei einem widerrechtlichen Entzug von Geldmitteln durch einen Ehegatten dem Angehörigenverhältnis deswegen Bedeutung zukommt, weil für den Fall, daß der Steuerpflichtige nach der Aufdeckung dieses Geldentzuges im Hinblick auf das Angehörigenverhältnis auf eine durchsetzbare und einbringliche Rückforderung verzichtet, der durch familiäre, also nicht betriebliche Gründe bedingte Verzicht der Anerkennung des Geldverlustes als Betriebsausgabe entgegensteht.

Im Fall einer Angestellten bietet sich aber kein Anhaltspunkt für die Annahme, der Mitbeteiligte habe auf einen ihm allenfalls zustehenden Regreßanspruch aus außerbetrieblichen Gründen verzichtet. Auch der beschwerdeführende Präsident behauptet dies nicht. Unter diesen Umständen war der Mitbeteiligte aber durchaus berechtigt - wie dieser in seiner Gegenschrift zur Beschwerde anführt -, zur Vermeidung eines Verlustes dieser sonst ausgezeichnet arbeitenden Angestellten wegen einer einzigen Fehlleistung (zumal bei eingestandener Fehlleistung des Mitbeteiligten selbst) und aus prozeßökonomischen Gründen, somit durchaus aus betrieblichen Gründen, einen allfälligen Regreßanspruch nicht weiterzuverfolgen, zumal der Erfolg in einem solchen Prozeß auch im Hinblick auf § 2 DHG nicht als sicher angesehen werden konnte.

Die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob dem Mitbeteiligten eine Versicherungsentschädigung ausgezahlt worden sei, ist schon deswegen verfehlt, weil diese Frage im Berufungsverfahren Gegenstand von Ermittlungen war, der beschwerdeführende Präsident aber nicht aufzeigt, aus welchen Gründen die belangte Behörde verhalten gewesen wäre, das Vorbringen des Mitbeteiligten, keine Entschädigung erhalten zu haben, in Zweifel zu ziehen.

Ebenfalls nicht gefolgt werden kann der zuletzt geäußerten Rüge des beschwerdeführenden Präsidenten, die belangte Behörde habe es verabsäumt, die "vollständigen" Gerichtsakten des zwischen der Bank und dem Mitbeteiligten geführten Rechtsstreites zur Einsichtnahme anzufordern, "um aus der gesamten Aktenlage ein Bild über das tatsächliche Geschehen zu bekommen". Einerseits stellt der beschwerdeführende Präsident weder dar noch ist für den Verwaltungsgerichtshof erkennbar, welchen Beitrag diese Gerichtsakten gegenüber den der belangten Behörde vorliegenden Urteilen aller drei angerufenen Instanzen des betreffenden Rechtsstreites zur Frage des steuerrechtlich erheblichen "tatsächlichen Geschehens" zu leisten geeignet gewesen wären, andererseits ergibt sich aus diesen Urteilen kein Anhaltspunkt dafür, daß die belangte Behörde einen vom "tatsächlichen Geschehen" abweichenden Sachverhalt als erwiesen angenommen haben könnte.

Da die Beschwerde somit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzeigt, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.