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VwGH vom 18.10.1995, 93/13/0290

VwGH vom 18.10.1995, 93/13/0290

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der F GmbH in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IV, vom , GZ 6/2-2305/92-04, betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens zum , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Betriebsgegenstand der beschwerdeführenden GmbH ist insbesondere die Erzeugung von Waffelmaschinen. In der von der Beschwerdeführerin eingebrachten Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum wurde unter den Verbindlichkeiten eine Schuld für Gewährleistung in Höhe von S 7,489.575,-- ("75 % von S 9,986.100,--") geltend gemacht.

Das Finanzamt ließ bei der Feststellung des Einheitswertes diese Position unter Berufung auf § 6 BewG 1955 nicht zum Abzug zu.

Gegen den Einheitswertbescheid zum wurde Berufung erhoben.

In einem die Berufung ergänzenden Schreiben der steuerlichen Vertreterin vom wurde ausgeführt, im Jahre 1985 sei eine automatische Großanlage für die Erzeugung von Waffelschnitten für die Firma S. in New Jersey, USA, ausgeliefert worden. Diese Anlage habe die Erwartungen des Kunden nicht erfüllen können. Bereits im Zuge des Zusammenbaues der Anlage und insbesondere bei den Probeläufen habe sich herausgestellt, daß der wesentlichste Teil der Anlage, der Backofen, nicht die zugesagten Leistungen erbringen konnte. Ausschlaggebend seien schwerwiegende Mängel in der Hitzesteuerung des Ofens gewesen, welche ein Erreichen der zugesagten Leistung unmöglich erscheinen ließ. Es seien in der Folge unzählige Versuche unternommen worden, um das notwendige Leistungsniveau der Anlage durch relativ kostengünstige Maßnahmen zu erreichen. Diverse Abänderungen an der Anlage einerseits und an der Zusammensetzung der Rezeptur andererseits hätten nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Der Ofen hätte daraufhin zur Gänze umgebaut werden müssen. Da sämtliche Versuche, den Kunden zufrieden zu stellen, gescheitert wären, habe sich die Beschwerdeführerin am entschieden, die eingebauten 145 Backplatten, die teuersten Bestandteile einer derartigen Anlage, auszutauschen. Diese seien in Österreich hergestellt worden und anschließend im März 1989 in die USA geliefert worden. Die gesamten, den garantiemäßigen Umbau der Großanlage betreffenden Kosten hätten S 7,353.466,83 betragen. Es handle sich daher bei diesem Betrag nicht um eine aufschiebend bedingte Last, sondern um eine bereits feststehende Schuld. Der Entstehungspunkt dieser Schuld liege vor dem Stichtag zur Feststellung des Einheitswertes, da die Mängel und Minderleistungen bereits vor diesem Zeitpunkt geltend gemacht worden seien.

Nach einem Vorhalt der belangten Behörde wurde in einer Eingabe vom ausgeführt, der offensichtliche Mangel sei in einem "Nichterreichen" der zugesagten Produktionskapazität gelegen gewesen. Daraus folge aber, daß es gar nicht entscheidend sei, wann dieser Mangel erstmals gerügt worden sei. Denn es handle sich um die Lieferung eines "aliud". Darunter verstehe man jenen Mangel, der darin bestehe, daß der Verkäufer dem Käufer einen anderen Gegenstand liefert, obwohl dieser den Kaufabschluß von der Erreichung der bedungenen Eigenschaft des Gegenstandes abhängig gemacht hat. Damit erhalte der Käufer ein sofortiges Rücktrittsrecht. Da es sich bei den von der Beschwerdeführerin gelieferten Maschinen um Spezialanfertigungen des jeweiligen Kunden handle, sei eine Aliudlieferung für den Kunden deshalb so schwerwiegend, weil jeder Kunde eine ganz bestimmte Menge und eine ganz bestimmte Qualität erreichen wolle. Wegen des lange zurückliegenden Zeitraumes sei es für die Beschwerdeführerin nicht möglich, ältere Schriftstücke beizubringen. Die Firma S. weise aber in ihrem Schreiben vom auf die Anstrengungen und Bemühungen zur Lösung dieses Problems hin. Auch daraus gehe hervor, daß laufend Reparaturen durchgeführt worden seien, die aber nicht das vom Kunden gewünschte Ergebnis gebracht hätten.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides vertrat die belangte Behörde die Auffassung, Verbindlichkeiten aus der Gewährleistung für mangelhafte Lieferungen seien in der Regel insoweit abzugsfähige Schulden, als der Abnehmer seine Ansprüche bis zum Bewertungsstichtag geltend gemacht habe. Die Lieferung der Backofenanlage sei im Jahre 1985 erfolgt. Ein Beweis für die Behauptung, daß Mängel bis zum aufgetreten seien bzw. vom Kunden bis zu diesem Zeitpunkt gerügt worden seien, habe nicht erbracht werden können. Die Beschwerdeführerin habe lediglich Rechnungen über die Lieferung sowie Montageanforderungen aus den Jahren 1984 und 1985 vorgelegt. Schriftstücke über die Reparatur der in Rede stehenden Anlage seien ausnahmslos mit 1988 datiert gewesen. Es könne daher nicht als erwiesen angenommen werden, daß die Gewährleistungsverpflichtung bereits bis zum Bilanzstichtag eingetreten sei. Zum Vorbringen, es sei die Lieferung eines "aliud" erfolgt, wurde von der belangten Behörde ausgeführt, aus dem vorgelegten Beweismaterial gehe nicht hervor, daß eine Produktionskapazität ausdrücklich bedungen gewesen sei bzw. daß die Kapazitätsmängel bereits bei der Lieferung und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgetreten seien.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Nach dem Inhalt der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin dadurch in ihren Rechten verletzt, daß bei der Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens von der belangten Behörde die geltend gemachte Gewährleistungsrückstellung von S 7,489.575,-- in zweifachem Ausmaß dem erklärten Wert zugerechnet wurde und daß die mit dem Schaden an der gelieferten Waffelmaschine eingetretene Verbindlichkeit bei der Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum nicht berücksichtigt wurde.

Mit Bescheid vom , GZ 6/2-2305/1/92-04, berichtigte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid gemäß § 293 BAO. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie auf diesen Berichtigungsbescheid hinwies sowie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit sich die Beschwerdeführerin durch die im angefochtenen Bescheid erfolgte doppelte Erfassung des ursprünglich geltend gemachten "Rückstellungsbetrages" von S 7,489.575,-- beschwert erachtet, wurde dem durch die Erlassung des - von der Beschwerdeführerin nicht bekämpften - Berichtigungsbescheides Rechnung getragen. Wird dabei ein vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtener Bescheid wie hier nach Erhebung der Beschwerde von der belangten Behörde berichtigt, dieser Berichtigungsbescheid aber unangefochten gelassen, so hat der Verwaltungsgerichtshof den berichtigten Bescheid seiner Überprüfung zugrunde zu legen (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 312).

Gemäß § 64 Abs. 1 BewG sind zur Ermittlung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes vom Rohvermögen diejenigen Schulden abzuziehen, die mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebes in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Nach § 6 Abs. 1 BewG dürfen Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, nicht berücksichtigt werden.

Aus § 6 Abs. 1 BewG ergibt sich, daß insbesondere Verpflichtungen aus Garantieverträgen, Gewährleistungsverpflichtungen und anderen Haftungen, aus denen der Steuerpflichtige noch nicht in Anspruch genommen worden ist, nicht abzugsfähig sind (vgl. Twaroch/Frühwald/Wittmann/Rupp/Fiala/Binder, BewG2, 344b). So können Rückstellungen für Gewährleistungsansprüche, die möglicherweise in Zukunft erhoben werden, nicht als Schuldposten behandelt werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 850/50, Slg. Nr. 649/F).

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, es habe sich bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht um eine mangelhafte Erfüllung des Liefervertrages gehandelt, bei dem der Werkbesteller das Recht auf Gewährleistung hat. Vielmehr habe es sich dabei um die Anderslieferung einer Stückschuld gehandelt, bei der Nichterfüllung vorliegt. Dabei ist die Beschwerde hinsichtlich des Rechtes, in dem sich die Beschwerdeführerin verletzt erachtet, nicht leicht verständlich. Offensichtlich vermeint die Beschwerdeführerin, in dem Recht, den 1989 angefallenen Aufwand für den "Umbau" der Anlage in Höhe von S 7,353.466,83 bereits als Verbindlichkeit bei der Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum absetzen zu können, verletzt zu sein.

Grundsätzlich sind bei der Ermittlung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes nur solche Schulden abzuziehen, zu deren Erfüllung eine rechtliche Verpflichtung besteht. Derartige Schulden, die rechtsgültig entstanden sind, müssen am Stichtag jedoch auch eine ernst zu nehmende wirtschaftliche Belastung bedeuten. Es ist also der Abzug einer Schuld nur dann zulässig, wenn mit ihrer Geltendmachung zum Bewertungsstichtag ernstlich gerechnet werden muß (vgl. die zur vergleichbaren Rechtslage in Deutschland - vor der Änderung des § 98a dBewG durch das Steueränderungsgesetz 1992, dBGBl. I 297 - ergangene Judikatur des deutschen Bundesfinanzhofes, insbesondere die Urteile vom , III 9/54 S, BStBl. III 381, und vom , III R 32/74, BStBl 1976 II 209).

Selbst wenn die Auffassung der Beschwerdeführerin, es habe sich im Streitfall nicht um einen Gewährleistungsanspruch im Sinne der §§ 922 ff ABGB, sondern um eine Anderslieferung gehandelt, zutreffen würde, könnte dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Auch im Falle einer Anderslieferung wird eine Verminderung des Rohvermögens des Betriebes nur durch jenen Aufwand bewirkt, der zur Erfüllung der versprochenen Lieferung tatsächlich erforderlich ist. Die Verpflichtung, die diesen Aufwand verursacht, muß zum Bewertungsstichtag bereits bestehen. Mit diesem Aufwand muß also im maßgeblichen Zeitpunkt bereits ernstlich gerechnet worden sein. Dies setzt aber voraus, daß das Erfordernis des Aufwandes zunächst überhaupt bekannt gewesen ist. Bei Vorliegen einer Anderslieferung muß also die Nichterfüllung der versprochenen Leistung bereits erkannt sein.

Die Beschwerdeführerin geht selbst davon aus, daß sämtliche schriftlichen Unterlagen über die Mangelhaftigkeit der gelieferten Anlage aus dem Jahre 1988 stammten. Erst in diesem Jahr entschloß sich die Beschwerdeführerin, die eine zu geringe Leistung erbringenden Backplatten zur Gänze auszutauschen, wodurch der in Rede stehende Aufwand entstanden ist. In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdeführerin in ihrer Sachverhaltsdarstellung darauf, es seien bis dahin sowohl am Lieferort als auch in Österreich langwierige Versuche unternommen worden, um das Leistungsniveau der Anlage durch "relativ kostengünstige" Maßnahmen zu erreichen. Daraus ergibt sich aber, daß die in der Folge hervorgekommene Verbindlichkeit der Beschwerdeführerin zum Austausch der gesamten Backplatten zum Bewertungsstichtag den beiden Vertragspartnern noch in keiner Weise bekannt gewesen ist. Demzufolge konnte mit der Verbindlichkeit zu diesem Zeitpunkt daher auch nicht ernstlich gerechnet werden. Wenn die belangte Behörde bei diesem Sachverhalt zu dem Schluß gekommen ist, daß die in Rede stehende Verbindlichkeit zum noch nicht bestanden hat, so kann ihr somit nicht entgegengetreten werden.

Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften wird dabei von der Beschwerdeführerin vorgebracht, es sei durch das Beweismaterial glaubhaft gemacht, daß der Mangel der Anlage "sofort" bekannt gewesen sei. Die Beschwerdeführerin verweist dabei ausdrücklich auf die in einem "Memorandum" vom , in dem John St. als Vertreter der Firma S. "seine Sorge darüber ausgedrückt" habe, daß bereits seit zwei Jahren über die Auswechslung der Maschinen "diskutiert" werde. Aus diesem Beweismaterial konnte aber die belangte Behörde entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht den Schluß ziehen, daß die Lieferung einer "anderen" als der bestellten Anlage am 1. JÄNNER 1986 "bewußt" gewesen ist. In der Beschwerdeschrift selbst wird in diesem Zusammenhang ausgeführt, es seien in der Zwischenzeit alle Arten von technischen Lösungen versucht worden, um die teuerste Lösung zu vermeiden.

Soweit die Beschwerdeführerin sich dabei auf § 138 Abs. 1 zweiter Satz BAO - wonach im Zusammenhang mit der Überprüfung von Anbringen des Abgabepflichtigen die Glaubhaftmachtung genügt, wenn ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden kann - bezieht, so ist ihr entgegenzuhalten, daß für die Ermittlung der Grundlagen der Abgabenerhebung (5. Abschnitt der Bundesabgabenordnung) § 167 Abs. 2 BAO maßgebend ist. Danach hat die Abgabenbehörde nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Im übrigen unterliegt die Glaubhaftmachung - also die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit einer Tatsache - ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1604/62).

Die Beschwerdeführerin rügt weiters, die belangte Behörde sei dem fernmündlichen "Vorschlag", den Monteur E. als Zeugen darüber zu vernehmen, daß bereits 1985 Mängel aufgetreten seien, nicht nachgekommen. Hiezu verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend auf den Umstand, daß die Beschwerdeführerin im Vorhalt vom ausdrücklich aufgefordert worden ist, die bereits 1985 erfolgte Mängelrüge zu beweisen. Da im Beschwerdefall aber wie ausgeführt zu beurteilen war, ob zum bereits das Erfordernis, sämtliche Backplatten auszuwechseln, bekannt gewesen ist, war auch das in der Beschwerdeschrift angeführte Beweisthema nicht geeignet, eine Klärung des streitentscheidenden Sachverhaltes herbeizuführen. Ein wesentlicher Verfahrensmangel ist diesbezüglich somit nicht gegeben.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 56 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Durch die Erlassung des auf § 293 BAO gestützten Berichtigungsbescheides ist eine Klaglosstellung hinsichtlich eines einzelnen Beschwerdepunktes im Sinne des § 56 VwGG eingetreten, sodaß die Frage des Aufwandersatzes so zu beurteilen ist, als ob die Beschwerdeführerin die obsiegende Partei im Sinne des § 47 VwGG wäre (vgl. auch Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 715 und die dort zitierte Rechtsprechung). Dabei muß allerdings dem Fall, daß ein Beschwerdeführer hinsichtlich aller Beschwerdepunkte klaglos gestellt wurde (vgl. § 56 Satz 2 VwGG), der Fall gleichgehalten werden, daß die Klaglosstellung nur in einem Beschwerdepunkt erfolgte, im übrigen jedoch die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war, weshalb im Beschwerdefall der Schriftsatzaufwand nur in gekürztem Ausmaß gebührte (vgl. Dolp, aaO, 718, 4. Absatz und das Erkenntnis vom , 91/13/0226). Im übrigen ist der angefochtene Bescheid der Beschwerde zur

zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur in einfachem Ausmaß beizulegen, sodaß sich der Ersatz von Beilagengebühren auf den Betrag von S 90,-- zu beschränken hatte.