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VwGH vom 31.07.2002, 98/13/0170

VwGH vom 31.07.2002, 98/13/0170

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

98/13/0147 E

98/13/0169 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der B AG in W, vertreten durch Preslmayr & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IV) vom , GZ. RV/039-11/05/98, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 1986 sowie Umsatzsteuer 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Bankaktiengesellschaft, kaufte - wie auch andere Bankinstitute - im Zeitraum März bis Juli 1986 von einer G. GmbH Goldmünzen im Wert von (brutto) rund S 406 Mio, wobei sich die Ankäufe - aufgeschlüsselt auf die angeführten Monate - wie folgt aufteilten: März rund 41 Mio S, April rund 45 Mio S, Mai rund 110 Mio S, Juni rund 189 Mio S und Juli rund 31 Mio S. Die Ankäufe von mehrheitlich jeweils mehreren tausend Stück Goldmünzen erfolgten zum Teil bis zu dreimal täglich. Auf Grund der von der G. GmbH gelegten Rechnungen, welche jeweils die Anschrift Wien 1., X.Y. 8-10 (in der Folge nur Wien 1.,), aufwiesen, machte die Beschwerdeführerin jeweils die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer von 20 % als Vorsteuer geltend.

In einer Niederschrift über die Schlussbesprechung einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde unter anderem festgehalten, nachdem Jehuda G. am die Stammanteile der Tibor Go. GmbH erworben, den Firmenwortlaut auf G. GmbH geändert und sich selbst als alleinigen Geschäftsführer eingesetzt habe, habe ihm Agnes Go., die bisherige Alleingesellschafterin, laut ihrer Zeugenaussage vom auf ca. drei Monate die Schlüssel des an der in den Rechnungen aufscheinenden Adresse befindlichen Geschäftslokales überlassen. Sie habe allerdings keinerlei Geschäftstätigkeit wahrnehmen können. Nach ca. drei Monaten habe Jehuda G. vereinbarungsgemäß die Schlüssel im Lokal hinterlegt und sei verschwunden. Aus dem beim Finanzamt für Körperschaften aufliegenden Akten habe sich ergeben, dass die G. GmbH weder Arbeitnehmer beschäftigt noch Steuererklärungen gelegt habe; auch sei keine andere Tätigkeit dieser Gesellschaft bekannt geworden. Der im Handelsregister eingetragene Prokurist Dr. A., welcher der G. GmbH lediglich vorübergehend seinen Gewerbeschein zur Verfügung gestellt und als gewerberechtlicher Geschäftsführer fungiert habe, habe am anlässlich einer Vernehmung durch die Prüfungsabteilung für Strafsachen angegeben, dass er niemals irgendeine Tätigkeit für die G. GmbH ausgeübt habe. Zum Aufenthalt von Jehuda G. sei festgestellt worden, dass er zunächst in Wien 3., K-Gasse, gemeldet und von dieser Adresse per abgemeldet worden sei. Über Jehuda Gs. Aufenthalt im Februar 1986 sei nichts bekannt. Vom bis sei er in Wien 2., L-Gasse, gemeldet gewesen. Der Unterkunftgeber habe am als Zeuge angegeben, dass Jehuda G. lediglich einmal dort übernachtet habe. Jehuda G. habe ihm gesagt, dass er in Wien für eine ausländische Handelsagentur tätig werden wolle und hiezu eine Meldeadresse benötige, und ihn daher um diese Anmeldung gebeten. Der Unterkunftgeber habe Jehuda G. Anfang März zuletzt gesehen. Später habe ihn Jehuda G. aus dem Ausland angerufen und mitgeteilt, dass er seine Geschäfte abgewickelt habe und die Meldeadresse nicht mehr benötige. Hierauf wäre die polizeiliche Abmeldung erfolgt. Hieraus sei zu schließen, dass Jehuda G. im März 1986 "in den Untergrund" gegangen sei, wodurch die Glaubwürdigkeit der zitierten Aussage der Agnes Go. untermauert werde. Es sei daher als erwiesen anzunehmen, dass die G. GmbH an der auf den Rechnungen genannten Anschrift ab einem im März 1986 liegenden Zeitpunkt weder erreichbar noch in irgendeiner Weise präsent oder existent gewesen sei. Die auf den Rechnungen angeführte Anschrift des liefernden Unternehmers sei daher spätestens ab unrichtig, wodurch die Formvorschrift des § 11 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 verletzt sei.

In der Folge nahm das Finanzamt mit Bescheid vom das Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 1986 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ einen neuen Sachbescheid, in welchem unter anderem die in Rede stehenden Vorsteuern nicht anerkannt wurden.

In einer dagegen erhobenen Berufung wurden sowohl die Wiederaufnahme des Verfahrens als auch der neue Sachbescheid angefochten. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens wurde vorgebracht, dass im Juli 1986 von der Finanzverwaltung Erhebungen bei anderen Kreditinstituten bzw. verschiedenen Firmen durchgeführt worden seien, die in der Erkenntnis geendet hätten, dass von diversen Münzhändlern Umsatzsteuer hinterzogen worden sei. Da sich unter den verdächtigen Münzhändlern auch die G. GmbH befunden habe, sei bei der Beschwerdeführerin im Jahr 1986 eine Umsatzsteuernachschau über den Zeitraum bis durchgeführt worden. Die Nachschau habe ohne Feststellungen geendet. Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1986 sei zunächst am gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig ergangen und sei am gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig erklärt worden. Die Umsatzsteuer sei dabei erklärungsgemäß, also auch unter Anerkennung der Vorsteuern der von der G. GmbH durchgeführten Lieferungen von Golddukaten veranlagt worden. Der bekämpfte, im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1986 beruhe auf den Feststellungen einer bei der Beschwerdeführerin von September 1991 bis April 1994 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung. Die von der Finanzbehörde festgestellte Unrichtigkeit der Anschrift des liefernden Unternehmers und damit das Fehlen eines essentiellen Rechnungsmerkmales sei keineswegs das Ergebnis einer einwandfreien Beweisführung, sondern beruhe auf bloßen Mutmaßungen und einer einseitigen Würdigung von Zeugenaussagen. Es gehe nicht an, aus den vorliegenden Zeugenaussagen nur jene Angaben herauszugreifen, die zur Bekräftigung des einseitig fiskalischen Standpunktes der Finanzbehörde geeignet seien, und es im Übrigen zu unterlassen, sich mit der Beweiskraft und Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen auseinanderzusetzen. So befasse sich die Finanzbehörde mit keinem Wort mit der Beweiskraft der von Agnes Go. am gemachten Aussage, wobei angemerkt werde, dass Agnes Go. aus Gründen, die die Beschwerdeführerin nicht kenne, erst Jahre später als die anderen angeführten Zeugen vernommen worden sei. Für die Beurteilung der Beweiskraft und Zuverlässigkeit der Aussage von Agnes Go. sei wesentlich, dass diese im Zeitpunkt ihrer Einvernahme im Jahre 1992 bereits fast 70 Jahre alt gewesen sei und überdies zu Vorgängen befragt worden sei, die beinahe sieben Jahre zurückgelegen seien und ein für sie unwichtiges Detail bedeutet hätten. Dass angesichts dieser Umstände absolut zuverlässige Informationen nicht mehr zu erwarten seien, liege auf der Hand. Dies zeige sich auch darin, dass Agnes Go. weder über den Zeitpunkt der Überlassung noch über den Zeitpunkt der angeblichen Rückgabe der Schlüssel des Geschäftslokales konkrete Angaben habe machen können. Auch könne aus der Benennung des Zeitraumes der Überlassung mit ca. drei Monaten nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die G. GmbH ab einem im März 1986 liegenden Zeitpunkt an der Adresse in Wien 1., nicht mehr existent oder präsent gewesen sei. Die G. GmbH sei mit der Beschwerdeführerin rund fünf Monate in Geschäftsverbindung gewesen. Die Angabe der Zeugin Agnes Go. weiche von dieser Zeitspanne nicht allzu weit ab. Wenn man dazu noch berücksichtige, dass die Zeugin zu einem so lange zurückliegenden Ereignis befragt worden sei und die Beurteilung eines vergangenen Geschehens immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sei, so könne die Zeitangabe von ca. drei Monaten nicht als absolut zuverlässiger Beweis angesehen werden. Ein Irrtum darüber, ob es tatsächlich exakt drei Monate gewesen seien oder nicht doch ein längerer Zeitraum, sei daher nicht auszuschließen. Als weiteren Beweis für die Präsenz und Existenz der G. GmbH in der Betriebsstätte in Wien 1., sei auf eine Auskunft bei der Post- und Telegraphenverwaltung hinzuweisen, wonach die auf den von der G. GmbH ausgestellten Rechnungen aufscheinende Rufnummer bis der G. GmbH zugeteilt gewesen sei. Diese Auskunft bekräftige die Aussage des Heinrich S., eines Angestellten eines anderen Bankinstitutes, welcher ausgesagt habe, dass er bei der G. GmbH angerufen und sich Jehuda G. persönlich gemeldet habe. Dies stimme mit der Aussage des Angestellten der Beschwerdeführerin, Georg St. vom überein, wonach die Verkaufsverhandlungen über die Goldmünzenlieferungen telefonisch über die betreffende Telefonnummer bis zum avisiert sowie der Kurs und die Menge vereinbart worden seien. Es könne daher nicht alleine der Umstand, dass Agnes Go. keine Geschäftstätigkeit wahrgenommen habe, als Beweis dafür herangezogen werden, es sei tatsächlich keine Tätigkeit ausgeübt worden. Bedeutung komme auch der Information des Dr. A. zu, die monatlichen "Barzahlungen" von S 10.000,-- seien mit Juli 1986 eingestellt worden. Es sei folglich nicht richtig, wenn die Finanzbehörde ausführe, Dr. A. habe den Gewerbeschein "vorübergehend" überlassen. Das "Pachtverhältnis" sei genau für jenen Zeitraum aufrecht gewesen und habe Dr. A. auch für diesen Zeitraum die "Pachtzahlungen erhalten", in welchem die G. GmbH der Beschwerdeführerin und anderen Kunden gegenüber tätig geworden sei. Die Aussage des Dr. A. stehe auch im Einklang mit der oben genannten Auskunft der Post- und Telegraphenverwaltung, wonach die Rufnummer der G. GmbH bis aufrecht gewesen sei. Die Zeitangaben in der Aussage des Dr. A. sowie der Postauskunft ließen die Ausübung der Geschäftstätigkeit der G. GmbH in der Betriebsstätte in Wien 1., bis August 1986 schlüssig erscheinen. Zu dieser Zeit dürfte Jehuda G. tatsächlich "verschwunden" sein. Die Beschwerdeführerin verwies überdies darauf, dass sie sich zu Beginn der Geschäftsverbindung einen Handelsregisterauszug und einen Gewerbeschein der G. GmbH besorgt habe. Die Beschwerdeführerin habe sich bei der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen korrekt verhalten und sich von der Existenz und der Unternehmereigenschaft der G. GmbH überzeugt. Da auch die folgenden Geschäfte ordnungsgemäß abgewickelt worden seien, habe die Beschwerdeführerin auch keine Zweifel am Fortbestehen des Unternehmens und der ihr bekannt gegebenen Anschrift dieses Unternehmens haben müssen. Die Finanzbehörde habe keine stichhaltigen Beweise für ihre Behauptung vorbringen können, die Anschrift Wien 1., sei ab Anfang April 1986 unrichtig gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde nach Durchführung weiterer Ermittlungen, Bekanntgabe der Ermittlungsergebnisse an die Beschwerdeführerin und erfolgten Stellungnahmen der Beschwerdeführerin hiezu die Berufung bezüglich der Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 1986 ab. Hinsichtlich des neuen Sachbescheides betreffend Umsatzsteuer 1986 wurde der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid insoweit teilweise Folge gegeben, als die belangte Behörde nunmehr als erwiesen annahm, dass das Geschäftslokal in Wien 1., jedenfalls vor dem an Agnes Go. zurückgegeben worden sei und die G. GmbH ab diesem Zeitpunkt nicht mehr über dieses Geschäftslokal habe verfügen können.

Hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens wies die belangte Behörde darauf hin, dass das Finanzamt erst durch die Aussage der Agnes Go. am Kenntnis von dem Umstand erhalten habe, dass die Anschrift auf den Rechnungen der G. GmbH ab einem bestimmten Zeitpunkt im Frühjahr 1986 nicht mehr richtig gewesen sei.

Die Ansicht, dass es sich bei diesem für den neuen Umsatzsteuerbescheid 1986 wesentlichen Zeitpunkt um den - und nicht wie bisher als erwiesen angenommen, um den - gehandelt habe, begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass konkrete Aussagen auf Grund eigener Wahrnehmung hinsichtlich des Beginnes, der Dauer und des Endes der Überlassung des in Rede stehenden Lokales ausschließlich Agnes Go. habe machen können. Die Dauer der Überlassung des Lokales habe Agnes Go. bei ihrer Einvernahme am mit ca. drei Monaten angegeben. Bei ihrer - im Berufungsverfahren neuerlich durchgeführten - Einvernahme vom , habe sie angegeben, die Schlüssel für das Geschäftslokal unmittelbar vor der Unterzeichnung des Abtretungsvertrages über die Geschäftsanteile der Tibor Go. GmbH an Jehuda G. übergeben zu haben, die Rückstellung der Schlüssel sei dann jedenfalls vor dem vereinbarten Zeitpunkt, dem , erfolgt. Wenngleich es zwar so sei, dass in der Regel Aussagen über zeitlich zurückliegende Ereignisse unbestimmter oder ungenauer würden, je mehr Zeit zwischen den Ereignissen und dem Zeitpunkt der späteren Einvernahme vergangen sei, sei es an sich ungewöhnlich, unter den gegebenen Umständen aber erklärbar, dass die Angaben der Zeugin nach Ablauf von zwölf Jahren präziser gewesen seien als bei Befragung nach sechs Jahren. Agnes Go. sei zunächst wegen eines Spitalaufenthaltes am und am nicht zu Hause angetroffen worden. Erst am sei sie in ihrer Wohnung ohne Vorankündigung von einem Beamten angetroffen und zur Überlassung des Geschäftslokales kurz befragt worden. Dass sich Agnes Go. unter diesen Umständen (plötzliches Erscheinen des Beamten, selbst erst kurz vom Spital zurückgekehrt) trotz ihres in weiterer Folge erwiesenermaßen guten Gedächtnisses nicht sofort an alle Details im Zusammenhang mit der Überlassung des Geschäftslokales an Jehuda G. habe erinnern können, erscheine verständlich. Der Umstand, dass Agnes Go. Jahre später zu diesen Vorgängen weitaus präzisere Angaben habe machen können, beeinträchtige die im Regelfall bei einer derartigen Konstellation angebrachten Zweifel an der Glaubwürdigkeit der späteren Aussage eines Zeugen gegenständlich nicht, zumal sie zu dieser Vernehmung eine Verpflichtungserklärung des Jehuda G. mitgebracht habe, wonach sich dieser schriftlich verpflichtet hatte, das Lokal bis längstens zu räumen. Nach dem bei ihrer Einvernahme am gewonnenen Eindruck sei Agnes Go. im höchsten Maße geistig präsent und die von ihr gemachten präzisen Aussagen (etwa der Name des Notars) seien, soweit sie objektiv nachprüfbar gewesen seien, auch richtig gewesen. Auch bei Angaben, bei denen die Zeugin selbst darauf hingewiesen habe, dass sie sich diesbezüglich unsicher sei, wie hinsichtlich des Vorhandenseins eines Vierteltelefonanschlusses, hätten sich ihre Angaben als richtig herausgestellt. Aus dem Umstand, dass sich Agnes Go. nicht mehr habe erinnern können, ob das Geld für die Betriebskosten jeweils monatlich oder der gesamte Betrag auf einmal auf dem Schreibtisch im Geschäftslokal gelegen sei, sei nach Ansicht des Senates nicht der Umkehrschluss zu ziehen, dass deshalb alle anderen Angaben der Agnes Go. unrichtig seien. Dass ihre zeitlichen Angaben zum Verkauf des Geschäftslokales (1986 oder 1987) unpräziser als hinsichtlich der Überlassung des Lokals an Jehuda G. bzw. die G. GmbH gewesen seien, möge vielleicht darauf zurückzuführen sein, dass sich die Verkaufsverhandlungen länger hingezogen hätten. Im Hinblick auf die im Zeitpunkt der Einvernahme von Agnes Go. dazu vorgelegte Urkunde, aus der der genaue Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hervorgehe, sei im Zeitpunkt der Einvernahme der Zeugin kein Grund ersichtlich gewesen, die näheren Umstände hinsichtlich dieses Verkaufes zu hinterfragen. Es sei im Sinne des Vorbringens der Beschwerdeführerin nur wichtig gewesen, ob Agnes Go. das Lokal an andere Personen vermietet habe. Dass es für die Durchsetzung einer Räumungsklage bessere Rechtsgrundlagen gebe, als die von Jehuda G. unterschriebene Verpflichtungserklärung, sei unbestritten, wenngleich diese Verpflichtungserklärung jedenfalls noch immer besser für die Rechtsposition von Agnes Go. gewesen sei, als wenn sie gar nichts in der Hand gehabt hätte. Warum wegen des geringen Beweiswertes dieser Urkunde die Glaubwürdigkeit von Agnes Go. beeinträchtigt gewesen sein sollte, sei nicht ersichtlich. Dass Agnes Go. "damals" offenbar irrtümlich von der Annahme ausgegangen sei, dass bei einer GmbH die Erhöhung des Stammkapitals auf S 500.000,-- schon zum zu erfolgen habe und sie offenbar nicht gewusst habe, dass sie an sich noch ein Jahr Zeit dafür gehabt habe, habe für die Frage der Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen zum Zeitpunkt der Überlassung und Rückstellung des Geschäftslokales keine Bedeutung. Für Agnes Go. sei es eben damals ein Beweggrund gewesen, den Verkauf rasch über die Bühne zu bringen. Wie bereits erwähnt, habe die erste Einvernahme von Agnes Go. unmittelbar nach einem mehrwöchigen Spitalaufenthalt stattgefunden. Wenn die Beschwerdeführerin vermeine, aus diesem Umstand (Aufnahme in ein neurologisches Krankenhaus) sei die Glaubwürdigkeit der Zeugin beeinträchtigt gewesen, so erkläre dies möglicherweise, weshalb die Angaben bei der zweiten Aussage umfangreicher und genauer gewesen seien. Irgendeine geistige Beeinträchtigung von Agnes Go. sei jedenfalls bei der zweiten Einvernahme nicht festzustellen gewesen. Da Jehuda G. ab Ende März/Anfang April 1986 mit Erhebungen des Finanzamtes habe rechnen müssen, weil die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer weder erklärt noch abgeführt worden sei, erscheine es aus diesem Grund nicht unwahrscheinlich, dass er sich nicht unbedingt mehr in dem Geschäftslokal in Wien 1., habe aufhalten wollen, weil er gewusst habe, dass diese Adresse auch für die Behörde der erste Ansatzpunkt für Erhebungen habe sein müssen. Da die Geschäftsanbahnung mit den Banken ohnehin schon gut angelaufen sei, die Geschäftsabwicklung ausschließlich telefonisch und in den Räumlichkeiten der Banken stattgefunden habe, sei das Risiko für Jehuda G., die Geschäfte mit den Banken würden infolge einer allfälligen Nichterreichbarkeit in dem Geschäftslokal in Wien 1., abgebrochen werden, nicht sehr groß gewesen. Da Jehuda G. im Hinblick auf die von ihm im Rahmen der G. GmbH betriebenen Malversationen das größte Interesse hätte haben müssen, nicht in irgendeiner Weise, etwa durch eine Räumungsklage, in Kontakt mit Behörden zu kommen, wodurch die von ihm sorgfältig aufgebaute Tarnung hinsichtlich Meldeadresse etc. hätte Gefahr laufen können, "aufzufliegen", habe er danach trachten müssen, jegliches Risiko zu vermeiden, was dafür spreche, dass er die Schlüssel jedenfalls zum vereinbarten Zeitpunkt an Agnes Go. zurückgestellt habe. Aus der Aussage des einvernommenen Bankbeamten Georg St. gehe hervor, dass dieser auch nach dem die G. GmbH bzw. die für sie auftretenden Personen telefonisch erreicht habe.

Verständlicherweise habe sich Georg St. bei seiner Einvernahme am nicht mehr an die Telefonnummer erinnern können, unter der er angerufen habe. Auch seine Aussage "Ich glaube es war eine einzige Telefonnummer, glaube ich zumindest" auf die Frage, ob es sich um eine einzige Telefonnummer gehandelt habe oder ob er je nach Gesprächspartner unter verschiedenen Telefonnummern an- bzw. zurückgerufen habe, sei eher vage. Dass nach dem das Geschäftslokal in Wien 1., von der G. GmbH noch benutzt worden sei, könne daraus nicht mit Sicherheit abgeleitet werden. Es spreche in diesem Zusammenhang zwar der Umstand, dass die Telefonnummer weiterhin auf die G. GmbH gelautet habe, für eine Weiterbenützung des Lokales. Wenn man aber bedenke, dass die Rechnungen über das Postfach gelaufen seien, so sei es Jehuda G. möglich gewesen, diese zu begleichen, ohne weiterhin Zutritt zum Geschäftslokal zu haben. Die Aussagen der übrigen Bankbeamten beträfen die Zeit der ersten Geschäftsanbahnung und könnten daher zur gegenständlichen Frage, unter welcher Telefonnummer die G. GmbH später möglicherweise erreichbar gewesen sei, nichts beitragen. Im Übrigen seien die Geschäftsverbindungen zu anderen Bankinstituten teilweise schon Mitte Mai 1986 zum Erliegen gekommen. Der Einwand, es sei unlogisch, dass Jehuda G. gerade das Geschäftslokal aufgegeben haben sollte, während er ansonsten etwa weiter den gewerberechtlichen Geschäftsführer und andere Aufwendungen bezahlt habe, um ein tätiges Unternehmen vorzutäuschen, sei an sich berechtigt. Im Hinblick auf die weiter oben geschilderten Beweggründe Jehuda Gs., Aufsehen im Zusammenhang mit dem Geschäftslokal zu vermeiden, sei die termingerechte Rückgabe des Geschäftslokales aber erklärbar. Einer allfälligen Nachfrage durch die Banken hätte Jehuda G. durch die Mitteilung der Änderung der Geschäftsanschrift begegnen können, ohne dass deshalb ein Schaden für seine Geschäfte unmittelbar zu befürchten gewesen sei. Auf Grund der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sei jedenfalls ab dem die in den Rechnungen aufscheinende Anschrift der G. GmbH im Zeitpunkt der entsprechenden Lieferungen nicht (mehr) aktuell gewesen, weshalb ab diesem Zeitpunkt die Rechnungen der G. GmbH nicht mehr den Formerfordernissen des § 11 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 entsprochen hätten und die Abzugsfähigkeit der ab diesem Zeitpunkt in den ausgestellten Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer zu verweigern gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 kann der Unternehmer, der die in dieser Gesetzesstelle angeführten Erfordernisse erfüllt, die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 müssen Rechnungen den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers enthalten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss in einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnung im Sinne des § 11 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 sowohl der richtige Name als auch die richtige Adresse des liefernden (oder leistenden) Unternehmers angegeben sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 95/13/0226).

Ob in einer Rechnung die richtige Adresse angegeben ist, ist eine auf der Tatsachenebene zu lösende Sachverhaltsfrage. Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist. Die Beweiswürdigung unterliegt insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2000/13/0145).

Im Beschwerdefall hält das Ergebnis der diesbezüglichen behördlichen Beweiswürdigung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle aus folgenden Gründen nicht stand:

Die belangte Behörde geht davon aus, dass konkrete Aussagen auf Grund eigener Wahrnehmungen hinsichtlich des Beginnes, der Dauer und dem Ende der Überlassung des in Rede stehenden Geschäftslokales ausschließlich Agnes Go. habe machen können. Bereits in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass diese "konkreten" Aussagen insoweit widersprüchlich und wenig konkret sind, als die Zeugin in ihrer ersten Aussage vom davon gesprochen hat, dass sie das Geschäftslokal "etwa zum Zeitpunkt" des Erwerbes der Anteile an der GmbH ("im Laufe des Jahres 1985", tatsächlich war dies im Dezember 1985) auf "ca 3 Monate" überlassen habe, in ihrer Aussage vom jedoch unter Vorlage einer mit datierten "Verpflichtungserklärung" des Jehuda G., wonach er das "unentgeltlich, nur gegen die Betriebskosten" übernommene Lokal am räumen werde, meinte, den Schlüssel für das Geschäftslokal habe sie "sicher" vor Ablauf der vereinbarten Zeit () gefunden.

Die belangte Behörde räumt im angefochtenen Bescheid ein, dass in der Regel Aussagen über zeitlich zurückliegende Ereignisse unbestimmter oder ungenauer würden, je mehr Zeit zwischen den Ereignissen und dem Zeitpunkt der späteren Einvernahme vergangen sei, meint aber, dass es unter den gegenständlich gegebenen Umständen erklärbar sei, dass die Angaben der Zeugin nach Ablauf von 12 Jahren "weitaus präziser" gewesen seien als bei Befragung nach 6 Jahren. Von "weitaus präziseren" Angaben auf Grund eigener Wahrnehmungen kann unter den gegebenen Umständen - abgesehen davon, dass die Zeugin einen exakten Tag, an welchem der Schlüssel für das Lokal zurückgegeben wurde, nicht nennt - keine Rede sein. Es kann nämlich in keiner Weise ausgeschlossen werden, dass die Zeugin lediglich aus dem Inhalt der von ihr erst nach ihrer Einvernahme vom aufgefundenen "Verpflichtungserklärung" auf den (annähernden) Zeitpunkt, bis zu welchem der Schlüssel für das Geschäftslokal zurückgelassen worden sei, geschlossen hat. Daran vermag der Umstand, dass die Zeugin nach Ansicht der belangten Behörde bei ihrer Einvernahme vom im höchsten Maß geistig präsent gewesen sei, nichts zu ändern, zumal die belangte Behörde einräumt, dass sich die Zeugin an andere Umstände, etwa ob das Geld für die Betriebskosten jeweils monatlich oder auf einmal im Geschäftslokal hinterlassen wurde, nicht erinnerte.

Die Überlegung der belangten Behörde, da die Geschäftsverbindungen mit den Banken ohnehin schon gut angelaufen seien, sei das Risiko für Jehuda G., die Geschäfte mit den Banken würden in Folge einer allfälligen Nichterreichbarkeit im Geschäftslokal in Wien 1., abgebrochen werden, "nicht sehr groß" gewesen, ist vor dem Hintergrund fehlender Feststellungen zur Frage, in welcher anderen Weise als über dieses Geschäftslokal und den dort befindlichen Telefonanschluss die Erreichbarkeit der G. GmbH sichergestellt gewesen wäre oder weshalb eine solche tatsächlich - ungeachtet des Umstandes, dass im Mai und Juni 1986 die meisten, aber auch im Juli 1986 noch erhebliche Lieferungen an die Beschwerdeführerin erfolgten - gar nicht notwendig gewesen wäre, nicht schlüssig.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid einräumt, dass der Umstand, wonach der im Geschäftslokal befindliche Telefonanschluss über den hinaus auf die GmbH gelautet habe und bestanden hat, für eine Weiterbenützung des Lokales spreche. Der im angefochtenen Bescheid aufgezeigte Umstand, weshalb die belangte Behörde diesem Beweisergebnis dennoch keine weitergehende Bedeutung beigemessen hat, weil es nämlich Jehuda G. möglich gewesen wäre, die über "das Postfach gelaufenen Rechnungen zu begleichen", vermag nicht zu überzeugen, weil die Frage der Begleichung von Rechnungen mit der Frage, in welcher Weise für die Banken eine Erreichbarkeit der G. GmbH auch nach dem allenfalls weiterbestand, nicht zusammenhängt.

Die belangte Behörde räumt auch ein, dass der Einwand (der Beschwerdeführerin), es sei unlogisch, dass Jehuda G. gerade das Geschäftslokal aufgegeben haben soll, während er ansonsten etwa weiter den gewerberechtlichen Geschäftsführer und andere Aufwendungen bezahlt habe, um ein tätiges Unternehmen vorzutäuschen, "an sich berechtigt" sei. Sie maß aber diesem Einwand mit der Begründung, die termingerechte Rückgabe des Geschäftslokales sei erklärbar, weil Jehuda G. Aufsehen im Zusammenhang mit dem Geschäftslokal habe vermeiden wollen, keine entscheidende Bedeutung bei. Damit begründet die belangte Behörde aber - abgesehen davon, dass sie keine Feststellungen getroffen hat, dass für den Fall, dass die Schlüssel für das Geschäftslokal nicht "termingerecht" zurückgegeben worden wären, tatsächlich "Aufsehen" entstanden wäre, Agnes Go. etwa eine Räumungsklage eingebracht hätte - nicht, weshalb Jehuda G. - wenn er das Geschäftslokal aus welchen Gründen immer nicht mehr benützen wollte - etwa den im Geschäftslokal befindlichen Telefonanschluss nicht abgemeldet hat.

Es mag - wie im angefochtenen Bescheid dargelegt - zutreffen, dass aus der Aussage des Angestellten der Beschwerdeführerin Georg St. vom hinsichtlich der auch nach dem gegebenen Erreichbarkeit der G. GmbH nicht "mit Sicherheit" abgeleitet werden könne, dass das Geschäftslokal nach dem noch benutzt worden sei. Mit dem Berufungsvorbringen zur ersten und insofern zu den relevanten Geschehnissen wesentlich zeitnäheren Aussage des Georg St. vom , wonach die Verkaufsverhandlungen über die Goldmünzenlieferungen telefonisch über die betreffende Telefonnummer (des Geschäftslokales in Wien 1.,) bis zum avisiert sowie der Kurs und die Menge vereinbart worden seien, setzt sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht auseinander.

Im Hinblick auf die angeführten Umstände kann der von der belangten Behörde als erwiesen angenommene und der rechtlichen Beurteilung einer nicht gegebenen Abzugsfähigkeit der in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer zu Grunde gelegte Sachverhalt, dass das Geschäftslokal nach dem nicht mehr benützt worden und die in den Rechnungen aufscheinende Adresse daher "nicht mehr aktuell" sei, nicht als Ergebnis einer von wesentlichen Verfahrensmängeln freien Beweiswürdigung angesehen werden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher sowohl hinsichtlich der Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 1986 als auch hinsichtlich des neuen Sachbescheides als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren gründet sich auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am