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VwGH vom 17.09.1997, 93/13/0038

VwGH vom 17.09.1997, 93/13/0038

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des G W in G, vertreten durch DDr. Swen D. Fenz, Rechtsanwalt in Graz, Tummelplatz 6/II, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7 - 1176/1/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Nachlaß der B. wurde dem bedingt erbserklärten Beschwerdeführer mit Urkunde vom eingeantwortet. Dabei wurden die Aktiva mit S 59.913,-- und die Passiva mit S 32.712,-- festgestellt.

Am wurden gegen den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger nach B. Jahresausgleichsbescheide betreffend die Jahre 1986 bis 1989 erlassen. Dies führte zu einem Abgabenrückstand im Ausmaß von S 86.845,--.

Mit Datum erhielt der Beschwerdeführer vom Finanzamt folgendes Schreiben (in der Folge als Zahlungsaufforderung bezeichnet):

"...

Auf dem Abgabenkonto der verstorbenen B. scheint ein Betrag

von S 86.845,-- ... als unberichtigt auf.

Als bedingt erbserklärter Erbe werden Sie ersucht, den auf

Sie entfallenden Betrag von S 22.137,-- ... mittels

beiliegendem Erlagschein binnen einem Monat ... bei sonstiger

Exekution einzuzahlen."

Der Beschwerdeführer erblickte in diesem Schreiben einen Bescheid, den er mit Berufung bekämpfte. In dieser brachte er u. a. vor, daß nach Abzug der Kosten für den Notar als Reinnachlaß ein Betrag von S 22.043,-- verblieben sei. Zur Vermeidung einer "Doppelbelastung" müßte auch die Erbschaftssteuer berücksichtigt werden. Der vom Finanzamt festgesetzte Betrag von S 22.137,-- wäre daher auf S 11.817,-- "zu berichtigen".

Das Finanzamt wies die Berufung mit Bescheid vom zurück. Bei dem streitgegenständlichen Schreiben handle es sich lediglich um eine Zahlungsaufforderung, nicht aber um einen rechtsmittelfähigen Bescheid. "Bemerkt wird jedoch, daß die Erbenhaftung neu berechnet wird".

Der Beschwerdeführer erhob gegen die Zurückweisung Berufung. Gemäß § 92 Abs. 1 BAO seien Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen Rechte oder Pflichten begründen, abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen oder über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen. Im gegenständlichen Schreiben werde die abgabenrechtlich bedeutsame Tatsache festgestellt, daß der Beschwerdeführer auf Grund bedingter Erbserklärung zur Zahlung eines Betrages in Höhe von S 22.137,-- verpflichtet sei. Da die Zahlungsaufforderung daher in Bescheidform zu ergehen gehabt hätte, stünden Mängel in der äußeren Form ihrem Bescheidcharakter nicht entgegen.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom ab. Mit der Zahlungsaufforderung sei der Beschwerdeführer nur an seine Zahlungsverpflichtung "erinnert worden". Außerdem sei ihm "die von ihm zu entrichtende Quote mitgeteilt" worden. Derartige Mitteilungen und Erinnerungen seien keine Bescheide. Die Begründung der Berufungsvorentscheidung enthält weiters folgenden Zusatz:

"Beiliegend wird Ihnen die bereits in der Begründung des Zurückweisungsbescheides vom in Aussicht gestellte Neuberechnung (= Verminderung) der von ihnen zu entrichtenden Quote der Abgabenschuld der B. übermittelt."

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und wies auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sowie des Verwaltungsgerichtshofes betreffend den Bescheidcharakter formloser, aber einen normativen Inhalt aufweisender behördlicher Erledigungen. Die Quote, mit der er als bedingt erbserklärter Erbe für Abgabenschuldigkeiten der Erblasserin einzustehen habe, sei von der Abgabenbehörde bescheidmäßig festzustellen. Die Abgabenbescheide, mit denen die Abgabenschuldigkeiten der Erblasserin festgesetzt worden seien, hätten mit der Ermittlung der von ihm als Erbe zu entrichtenden Quote nichts zu tun.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Die Zahlungsaufforderung habe keinen Bescheidcharakter. Es werde damit "lediglich ein Abgabenrückstand und die Absicht, bei dessen Nichtzahlung Exekution zu führen, bekanntgegeben".

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich darüber, ob der Zahlungsaufforderung des Finanzamtes vom Bescheidcharakter zukommt oder nicht. Für den Fall, daß diese Frage zu bejahen ist, hat mit Rücksicht auf den Beschwerdepunkt keine weitere Prüfung dahingehend zu erfolgen, ob und in welchem Verfahrensstadium das Finanzamt einen solchen Bescheid zu erlassen hatte.

Zu Recht verweist der Beschwerdeführer auf Rechtsprechung und Schrifttum, wonach auch formlose, nicht ohne weiteres als Bescheide erkennbare Erledigungen von Behörden Bescheidcharakter haben, wenn mit ihnen über eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes rechtsverbindlich abgesprochen wird (siehe Stoll, BAO-Kommentar, Seite 916 ff, sowie die dort zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes).

Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts.

Weder den Verwaltungsakten noch dem angefochtenen Bescheid oder der Gegenschrift der belangten Behörde läßt sich ein Hinweis dafür entnehmen, daß das Ausmaß, mit dem der Beschwerdeführer gemäß § 19 Abs. 1 BAO für Abgabenschuldigkeiten der Erblasserin konkret herangezogen wurde, bereits mit einem vorangegangenen (gesonderten) Verwaltungsakt festgestellt wurde, oder daß dabei lediglich auf einen Gerichtsbeschluß Bezug genommen worden wäre. Im Gegenteil: Der Umstand, daß das Finanzamt dem Beschwerdeführer die Neuberechnung der "Erbenhaftung" mit Bescheid vom in Aussicht gestellt und in der Berufungsvorentscheidung vom auf eine vorgenommene "Verminderung" der Quote hingewiesen hat, zeigt, daß der Ermittlung der Quote eine behördliche Willensbildung vorausgegangen ist, wobei das Ergebnis dieser Willensbildung in Verbindung mit der Exekutionsankündigung für den Beschwerdeführer normative Wirkung hatte. Von einer bloßen Mitteilung ohne rechtsgestaltenden bzw. rechtsfeststellenden Inhalt oder einer Erinnerung kann daher keine Rede sein.

Ist aber dem Schreiben des Finanzamtes vom seinem Inhalt nach Bescheidcharakter zuzusprechen, so war dagegen auch eine Berufung zulässig. Der angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde die Unzulässigkeit der Berufung ausgesprochen hat, erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenaufwand war nur in jenem Ausmaß zuzusprechen, in dem er zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war.