VwGH vom 24.09.1996, 93/13/0016
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Dr. J in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom , Zl. 6/3-3272/91-04, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für 1985 bis 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer machte ab dem Jahre 1984 Verluste aus Vermietung und Verpachtung eines Mietobjektes geltend. Nach umfangreichen Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten an dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude wurden erstmals ab Einnahmen aus der Vermietung erzielt. Vom 1. Juli bis war das Gebäude an die Tochter und den Schwager des Beschwerdeführers vermietet; ab wurde das Gebäude jeweils auf ein Jahr an Ing. O. vermietet.
In den Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen wurden folgende Verluste ausgewiesen:
"1985: - S 5.915,25
1986: - S 72.530,86 (Ausgaben ohne Umsatzsteuer Renovierung)
1987: - S 98.879,04 (Ausgaben ohne Umsatzsteuer Renovierung)
1988: - S 89.159,81 (Einnahmen ohne Umsatzsteuer Guthaben 1986)
1989: - S 70.386,93 (Einnahmen ohne Umsatzsteuer Guthaben 1987)
1990: - S 66.383,22
1991: - S 39.010,61"
Auf einen entsprechenden Vorhalt des Finanzamtes gab der Beschwerdeführer in einer Eingabe vom bekannt, in dem gegenständlichen Haus befinde sich nur eine Wohnung. In Anbetracht der aus dem 16. - 17. Jahrhundert stammenden Teile des Hauses sei eine zehnjährige Nutzungsdauer angenommen worden. Der geringe Anschaffungswert von S 213.328,-- dokumentierte den schlechten Erhaltungszustand des Gebäudes, sodaß nach Ablauf von zehn Jahren weitere Restaurierungsarbeiten erforderlich sein würden.
Mit Bescheiden betreffend die endgültige Festsetzung von Umsatz- und Einkommensteuer 1985 bis 1988 sowie die vorläufige Festsetzung von Umsatz- und Einkommensteuer 1989 wurde das in Rede stehende Mietobjekt als Voluptuarvermögen behandelt und ein Verlustausgleich nicht zugelassen und wurden die Vorsteuerbeträge nicht anerkannt.
In der Berufung gegen diese Bescheide wurde die bisher vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung über die Schätzung der Restnutzungsdauer korrigiert. Im Zeitpunkt der Anschaffung im Jahre 1985 sei das Objekt tatsächlich in einem sehr schlechten Erhaltungszustand gewesen. In den Jahren 1986 bis 1988 sei das Haus mit einem Gesamtaufwand von S 1,588.961,-- saniert worden. Nach genauerer Prüfung komme der Beschwerdeführer nunmehr zu dem Schluß, daß die Restnutzungsdauer durch die Sanierung wesentlich länger, nämlich mit 30 bis 50 Jahren anzunehmen sei.
Mit einer ergänzenden Eingabe vom legte der Beschwerdeführer ein Sachverständigengutachen vom vor, in welchem die Restnutzungsdauer zum Stichtag mit 40 Jahren zu bemessen sei. Nach diesem Gutachten seien für eine Prognoserechnung die Anschaffungs- und Renovierungskosten im Gesamtausmaß von S 957.289,-- auf mindestens 40 Jahre zu verteilen, sodaß bei einem jährlichen Mietzins von S 43.200,-- von Beginn der Tätigkeit an Einnahmenüberschüsse vorliegen.
In einer Eingabe vom wurde vom Beschwerdeführer beantragt, die Anschaffungskosten für die Liegenschaft in Höhe von S 213.328,-- zur Gänze aus der Abschreibungsgrundlage auszuscheiden. Bei einem 250 Jahre alten Gebäude werde der Kaufpreis in der Regel nur mehr für den Grund und Boden entrichtet. Weiters wurde ausgeführt, daß bisher die Zehntelabsetzung zu gering vorgenommen worden sei, andererseits aber die jährlichen Annuitätenzuschüsse als steuerpflichtige Einnahmen zu behandeln seien. Weiters wurde ausgeführt, derzeit fänden Verhandlungen über eine Neufestsetzung des Mietzinses ab statt. Voraussichtlich könne der Beschwerdeführer eine Miete von monatlich S 5.800,-- durchsetzen.
Mit einer weiteren Eingabe vom wurden folgende berichtigte Ertragsrechnungen für die Jahre 1985 bis 1990, eine Ermittlung der wirtschaftlichen Ergebnisse 1986 - 1990 sowie eine Vorschau auf die Jahre 1991 - 1993 vorgelegt:
"Berichtigte Ertragsrechnung 1985 - 1990:
1986 1987
---------------------------------------------------------------
E WK E WK
Betriebskosten u.Instandhaltung
4.299,41 5.019,88
1/10 des Renovierungsaufwandes 1986
(909.179,30) 90.917,93 90.917,93
1/10 " " 1987
(532.663,25) 53.266,32 53.266,32
1/10 " " 1988
(15.475,83) 1.547,58 1.547,58
------------
(1.457.318,38)
1/10 Gasanschlußkosten 1990
12.139,15
Einnahmen aus Landeszuschuß
-,-- 25.430,--
Mieteinnahmen -,-- -,--
Zinsen -,-- 62.032,78
-------------------------------------------------
0,-- 150.031,24 25.430,-- 212.784,49
steuerlicher Verlust
150.031,24 187.354,49
1988 1989 1990
---------------------------------------------------------------
E WK E WK E WK
9.226,50 4.197,16 -,--
90.917,93 90.917,93 90.917,93
53.266,32 53.266,32 53.266,32
1.547,58 1.547,58 1.547,58
1.213,91
50.860,-- 50.860,-- 50.860,--
18.000,-- 36.000,-- 37.800,--
66.242,89 61.226,56 55.787,86
---------------------------------------------------------------------
68.860,-- 221.201,22 86.860,-- 211.155,55 88.660,-- 202.733,60
152.341,22 124.295,55 114.073,60
"wirtschaftliches Ergebnis" 1986-1990:
1986 1987
--------------------------
steuerlicher Verlust
laut ber. Ertragsrechnung 150.031,24 187.354,--
abzüglich Zehntelabsetzung
v. Renovierungsaufwand 1986-1988 145.731,83 145.731,--
abzüglich Zehntelabsetzung
Gasanschluß 1990
--------------------------
ergibt Verlust (Überschuß) - 4.299,41 - 41.622,--
zu- oder abzüglich:
2,5 % Abschreibung vom
Renovierungsaufwand 1986-1988
1.457.318,38 ab - -
Verteilung Gasanschlußkosten 1990
auf die Restnutzg. Dauer 38 Jahre
--------------------------
Verlust - 4.299,41 - 41.622,--
1988 1989 1990
------------------------------------
steuerlicher Verlust
laut ber. Ertragsrechnung 152.341,22 124.295,55 114.073,60
abzüglich Zehntelabsetzung v.
Renovierungsaufwand 1986-1988 145.731,83 145.731,83 145.731,83
abzüglich Zehntelabsetzung
Gasanschluß 1990
-----------------------------------
ergibt Verlust (Überschuß) - 6.609,39 + 21.436,28 + 32.872,14
zu- oder abzüglich:
2,5 % Abschreibung vom
Renovierungsaufwand 1986-1988
1.457.318,38 ab 18.216,-- 36.433,-- 36.433,--
Verteilung Gasanschlußkosten 1990
auf die Restnutzg. Dauer 38 Jahre 319,--
-----------------------------------
Verlust -24.825,39 -14.996,72 - 3.879,86
"Vorschau auf die Jahre 1991-1993":
1991 1992 1993
-----------------------------------------------------------------
E WK E WK E WK
Mieteinnachmen
43.200,-- 49.800,-- 69.600,--
Einnahmen aus Landeszuschuß
50.860,-- 50.860,-- 50.860,--
Abschreibung
wie 1990 36.752,-- 36.752,-- 36.752,--
Zinsen 49.891,22 43.498,06 36.566,95
Instandhaltung
1.267,40 geschätzt 3.000,-- geschätzt 5.000,--
Überschuß 6.149,38 17.409,94 42.141,41
-----------------------------------------------------------------
94.060,-- 94.060,-- 100.660,-- 100.660,-- 120.460,-- 120.460,--
================================================================="
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Im Sachverhaltsteil des angefochtenen
Bescheides ist ausgeführt:
"Sachverhaltsbezogen wird auf folgendes, dem Bw. bekannte
Aktenmaterial hingewiesen:
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- | Steuererklärungen samt Beilagen | |||||||||
- | (Erst-)Bescheide | |||||||||
- | Vorhalt des Finanzamtes vom | |||||||||
- | Vorhaltsbeantwortung vom samt Beilagen | |||||||||
- | Bescheide vom einschließlich gesonderter Begründung vom | |||||||||
- | Berufung vom | |||||||||
- | Ergänzung der Berufung vom samt Gutachten vom | |||||||||
- | Vorhalt der Finanzlandesdirektion vom | |||||||||
- | Vorhaltsbeantwortung vom samt Ergänzung vom | |||||||||
- | Vorhalt der Finanzlandesdirektion vom | |||||||||
- | Vorhaltsbeantwortung vom | |||||||||
- | Ergänzung der Berufung vom samt Beilagen | |||||||||
- | Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Verhandlung vom ." |
Im Erwägungsteil machte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zum Vorwurf, er habe "zweckorientierte Vorbringen" erstattet. Dem Antrag, die Anschaffungskosten zur Gänze auf Grund und Boden entfallend zu behandeln, könne nicht gefolgt werden. Die AfA betrage bei Anschaffungskosten von S 213.328,-- und Renovierungs- und Restaurierungskosten von S 1,457.318,38 bei einer Verteilung auf 40 Jahre S 41.766,--. Demgegenüber habe der (hochgerechnete) Jahresumsatz 1988 sowie der Umsatz 1989 je S 32.727,27 betragen. Nicht einmal die AfA deckende Umsätze sprächen aber für Liebhaberei. Spätere Mieterhöhungen seien aber als eine Änderung der Wirtschaftsführung anzusehen.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Begründung eines Bescheides muß erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 92/13/0051 und 92/13/0140, jeweils mit weiteren Hinweisen). Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid nicht. Die belangte Behörde beschränkte sich darauf, anstelle einer zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung auf "Aktenmaterial" hinzuweisen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 93/13/0171, durch einen verstärkten Senat ausgesprochen hat, ist dem Gesetz zu entnehmen, daß eine Betätigung nur dann als Einkunftsquelle anzusehen ist, wenn nach der ausgeübten Art der Betätigung objektive Ertragsfähigkeit vorliegt, d.h. wenn nach der konkreten Art der Wirtschaftsführung ein positives steuerliches Gesamtergebnis innerhalb eines absehbaren Zeitraumes erzielbar ist. Ergibt die Prüfung der objektiven Ertragsfähigkeit kein eindeutiges Bild, so ist zu prüfen, ob die Betätigung mit subjektivem Ertragsstreben, also dem Streben nach Erzielung eines positiven steuerlichen Gesamtergebnisses, ausgeübt wird, wobei dieses Streben durch das Handeln nach Wirtschaftlichkeitsprinzipien zu identifizieren ist. Nach nunmehriger Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einem absehbaren Zeitraum zur Möglichkeit der Erzielung eines wirtschaftlichen Gesamterfolges bei einer Vermietungstätigkeit eine Zeitspanne zu verstehen, die zum getätigten Mitteleinsatz bei Betrachtung der Umstände des konkreten Falles in einer nach der Verkehrsauffassung vernünftigen, üblichen Relation steht. Absehbar ist ein solcher Zeitraum, der im Verhältnis zum eingesetzten Kapital und zur vorhersehbaren Dauer der Nutzbarkeit des Gegenstandes der Vermietung zu Vermietungszwecken für die Abdeckung des insgesamt getätigten Aufwandes bis zur Erzielung des wirtschafltichen Gesamterfolges nach bestehender Übung in Kauf genommen wird. Handeln nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip schließt nämlich längerfristige Rentabilitätsberechnungen nicht aus. Eine Zeitspanne, die nach den wirtschaftlichen Gepflogenheiten des betroffenen Verkehrskreises als übliche Rentabilitätsdauer des geleisteten Mitteleinsatzes kalkuliert wird, muß dabei noch als absehbar gelten.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde keine Feststellungen über den zu erwartenden wirtschaftlichen Gesamterfolg getroffen. Sie hat vielmehr ausdrücklich eine Beurteilung der vorliegenden Betätigung lediglich im Berufungszeitraum vorgenommen. Der Umstand, daß die vom Beschwerdeführer abgeschlossenen Bestandverträge jeweils nur eine Mietdauer von einem Jahr beurkundeten, steht dabei in keinem Zusammenhang mit der Zeitspanne, die für die Beurteilung des Erfolges der Vermietungstätigkeit maßgeblich ist. Wenn dabei die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom , 87/14/0107, verweist, wonach höhere Mieteinnahmen, die auf Grund eines späteren Mietvertrages anfallen, bei der Rentabilitätsberechnung nicht zu berücksichtigen seien, so ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer im Falle des damaligen Erkenntnisses lediglich auf die Möglichkeit eines allfälligen späteren Mietvertrages hingewiesen hatte. Im nunmehrigen Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer jedoch tatsächlich allein Bestandverträge mit einer Bestanddauer von einem Jahr abgeschlossen, sodaß auch alljährlich ein neuer Mietvertrag abzuschließen war.
Darin, daß der Beschwerdeführer bei Abschluß der späteren Mietverträge mit demselben Mieter jeweils nicht unbeträchtliche Steigerungen der Mieteinnahmen erzielen konnte, kann entgegen der Meinung der belangten Behörde keine - für die Beurteilung des Gesamtergebnisses der Vermietungstätigkeit unmaßgebliche - wesentliche Änderung der Bewirtschaftungsart erblickt werden.
Die belangte Behörde hat es auf Grund dieser unzutreffenden Rechtsauffassung unterlassen, sich mit den im Rechtsmittelverfahren vom Beschwerdeführer eingebrachten Rentabilitätsrechnungen auseinanderzusetzen. Da dem Abgabenverfahren einerseits ein Neuerungsverbot fremd ist (vgl. § 280 BAO), es sich andererseits bei den in Rede stehenden Tatfragen um solche handelt, die von den Abgabenbehörden von Amts wegen zu lösen sind (vgl. § 115 Abs. 1 BAO), ist es auch verfehlt, von "zweckorientiertem Vorbringen" des Beschwerdeführers zu sprechen.
Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes - welcher Aufhebungsgrund gegenüber jenem der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG prävaliert - aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.