VwGH vom 29.05.1996, 93/13/0008
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde des Dr. G in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom , Zl. 6/1 - 1145/91, betreffend Einkommensteuer 1986 und 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Facharzt. Aus seiner ärztlichen Tätigkeit erzielte er sowohl Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als auch solche aus selbständiger Arbeit. Aufwendungen (Ausgaben) der Jahre 1986 und 1987 für Fachliteratur (1986: 9.109 S 1987: 28.385 S) und Fortbildung
(1986: 102.545 S 1987: 96.262 S) berücksichtigte der Beschwerdeführer zur Gänze als Betriebsausgaben bei der Gewinnermittlung für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Bei Erlassung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1986 und 1987 teilte das Finanzamt diese Kosten für Fachliteratur und Fortbildung auf die Einkünfte aus selbständiger Arbeit einerseits und die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Verhältnis 85 (selbständige ärztliche Tätigkeit) zu 15 (nichtselbständige ärztliche Tätigkeit) auf.
In der Berufung gegen diese Bescheide beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung zusätzlicher Betriebsausgaben (für 1986: 15.695 S 1987: 9.872 S, davon 4.214 S Fachliteratur). Zudem wurde vorgebracht, daß von den Betriebseinnahmen des Jahres 1987 ein Betrag von 370.170 S auf die Rückerstattung von in den früheren Jahren geleisteten Beiträgen an den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer entfalle; für diesen Betrag werde die Besteuerung mit dem begünstigten Steuersatz des § 37 Abs. 1 EStG 1972 beantragt.
Das Finanzamt gab der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1986 mit Berufungsvorentscheidung Folge. Der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 gab es mit Berufungsvorentscheidung teilweise, nämlich hinsichtlich der geltend gemachten zusätzlichen Betriebsausgaben Folge.
Hinsichtlich beider Streitjahre stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und erweiterte sein Berufungsbegehren dahingehend, daß die mit der Einkommensteuererklärung geltend gemachten Kosten für Fachliteratur und Fortbildung nicht auf die Einkünfte aus selbständiger Arbeit und die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aufgeteilt, sondern - wegen des überwiegenden Zusammenhanges - zur Gänze bei den erstgenannten Einkünften (als Betriebsausgaben) berücksichtigt werden sollten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung hinsichtlich Einkommensteuer 1986 in dem Ausmaß Folge gegeben, in dem der Berufung bereits mit Berufungsvorentscheidung Rechnung getragen worden war. Hinsichtlich Einkommensteuer 1987 wurde der in der Berufung zusätzlich begehrte Betriebsausgabenabzug von Fachliteratur (4.214 S) nur im Ausmaß von 85% der selbständigen ärztlichen Tätigkeit zugeordnet und damit als Betriebsausgabe anerkannt; im übrigen wurde der Berufung in gleicher Weise Folge gegeben, wie dies mit Berufungsvorentscheidung erfolgt ist. Der auf die nichtselbständige Arbeit entfallende Teil der zusätzlichen Fachliteratur (15% von 4.214 S, das sind 633 S) fand in den durch Verordnung nach § 17 Abs. 4 EStG 1972 festgelegten Durchschnittssätzen für Werbungskosten Deckung. Zur Begründung wurde im abgefochtenen Bescheid ausgeführt, Fortbildungsveranstaltungen und Fachliteratur würden einen die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers allumfassenden Bildungsprozeß fördern. Aufwendungen zur Erhaltung bzw Erweiterung des medizinischen Fachwissens seien sowohl für die nichtselbständige als auch für die selbständige Arzttätigkeit von Bedeutung. Es sei daher eine schätzungsweise Aufteilung der Aufwendungen in Betriebsausgaben und Werbungskosten (hier 85% zu 15%) vorzunehmen; das gelte auch für die in der Berufung zusätzlich geltend gemachten Aufwendungen für Fachliteratur. Zu den Beiträgen an den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer wird ausgeführt, daß diese infolge eines Antrages des Beschwerdeführers rückerstattet worden seien. Die Gewährung der Begünstigung des § 37 EStG scheitere daran, daß diese Einkünfte nachträglich zugeflossene Teile der vom Beschwerdeführer in den Vorjahren erzielten Einkünfte seien. Die rückerstatteten Beträge seien sohin Teile einheitlicher Entgelte, die verteilt auf die Vorjahre und das Jahr der Rückerstattung zugeflossen seien. Es mangle daher an der für die Anwendung des § 37 EStG bestehenden Grundvoraussetzung der Zusammenballung von Einkünften. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung stellten die rückerstatteten Beiträge keine Entschädigung iSd § 32 Z. 1 lit. a EStG 1972 dar, sondern lediglich eine Rückzahlung bisher eingezahlter Beträge. Es sei weder eine Kapitalisierung noch eine Verzinsung der eingezahlten Beträge durch den Wohlfahrtsfonds erfolgt; der Rückzahlungsbetrag habe nicht einmal 100% der Summe der eingezahlten Beiträge erreicht.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom , B 25/92, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluß vom dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Mit Schriftsatz vom ergänzte der Beschwerdeführer der auf § 34 Abs. 2 VwGG gestützten Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend seine Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Unzuständigkeit der belangten Behörde:
Der Beschwerdeführer bringt vor, in Anschluß an die mündliche Verhandlung sei zwar eine Verkündung der Berufungsentscheidung dahingehend erfolgt, daß der Berufung teilweise Folge gegeben werde. Die "ziffernmäßige Berechnung" sei jedoch nicht verkündet worden und offenkundig in der kurzen Beratungszeit nicht vom Senat durchgeführt worden. Da diese Bestandteil des Bescheidspruches sei, der Berufungssenat aber nicht über sie abgestimmt habe, liege Unzuständigkeit der belangten Behörde vor.
Werden Teile des Bescheidspruches nicht von der kollegialen Beschlußfassung des zuständigen Berufungssenates getragen, so ist der Bescheid mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet (vgl. hg. Erkenntnis vom , 90/13/0028). Die Beschwerde zeigt eine derartige Rechtswidrigkeit allerdings nicht auf.
Dem Beschwerdevorbringen ist zunächst zu entgegnen, daß sich hinsichtlich des Jahres 1986 die Bemessungsgrundlage und die Abgabenhöhe bereits aus dem Akt des Finanzamtes ergeben haben, weil mit dem angefochtenen Bescheid das Ergebnis der Berufungsvorentscheidung übernommen worden ist. Für dieses Streitjahr lagen somit dem Berufungssenat die Berechnungen im Zeitpunkt der Beratung und Abstimmung vor, zumal in der Beschwerde nicht behauptet wird, der Berufungssenat habe nicht den Akt des Finanzamtes herangezogen.
Hinsichtlich des Jahres 1987 ist mit dem angefochtenen Bescheid gegenüber der Berufungsvorentscheidung eine Änderung dadurch eingetreten, daß die Betriebsausgaben um 633 S gekürzt worden sind und damit das Einkommen iSd § 2 Abs. 2 um diesen Betrag erhöht worden ist. Gegenüber der Berufungsvorentscheidung hat sich dadurch in Anwendung der Rundungsbestimmung des § 33 Abs. 2 EStG 1972 eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage um 300 S und aufgrund des Grenzsteuersatzes von 60% eine Erhöhung der Steuer um 180 S ergeben. Eine derartige Berechnung kann auch innerhalb kurzer Beratungszeit angestellt werden. Die Dauer der Beratungszeit ist somit kein Indiz dafür, daß der Berufungssenat über die Höhe der Abgabe und der Bemessungsgrundlage nicht abgestimmt habe. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang aber, daß nach der Aktenlage - auch die Gegenschrift der belangten Behörde verweist darauf - der Entscheidungsentwurf des Berichterstatters (§ 283 Abs. 1 BAO) bereits die Berechnung der Bemessungsgrundlage und der Abgabe enthält, woraus sich ergibt, daß diese Berechnungen der Beratung und Beschlußfassung des Senates zugrundegelegen sind.
Die Beschwerde vermag sohin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde nicht aufzuzeigen.
2. Rückzahlung der Beiträge an den Wohlfahrtfonds:
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mit Erkenntnis vom , 89/14/0178, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zu einem vergleichbaren Fall ausgesprochen, daß die Rückerstattung von Beitragsleistungen zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer keinen Tatbestand des § 37 Abs. 2 EStG 1972 erfüllt. Die Gewährung der Begünstigung des § 37 Abs. 1 EStG 1972 scheitert demnach daran, daß die strittigen Einkünfte nachträglich zu erfassende Teile der dem Beschwerdeführer in Vorjahren zugeflossenen Einnahmen aus der ärztlichen Tätigkeit sind, sodaß die Zusammenballung von Einkünften in einem einzigen Veranlagungsjahr nicht gegeben ist.
Dieses Ergebnis findet, soweit der Beschwerdeführer die Tätigkeit dem § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 subsumiert wissen will, eine Bestätigung darin, daß nur eine solche mehrjährige Tätigkeit, die es ermöglicht, ihr einen besonderen Gewinn, d.h. Reinertrag, zuzurechnen, zu Einkünften im Sinn dieser Bestimmung führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 3040/79). Im gegenständlichen Fall werden im Streitjahr allerdings nur die Einnahmen (Rückzahlungen) aus dem Wohlfahrtsfonds erfaßt, während die zu diesen Einnahmen führenden - nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde die Einnahmen übersteigenden - Betriebsausgaben (Beitragsleistungen) in früheren Veranlagungsjahren abgezogen worden sind. Somit fallen in das Streitjahr auch nicht annähernd die - einen Verlust darstellenden - "Einkünfte" aus der Rechtsbeziehung zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer, sondern nur die Einnahmen; § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 stellt aber seinem klaren Wortlaut nach auf "Einkünfte" ab.
Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, die strittigen Beträge seien Entschädigung iSd § 32 Z. 1 EStG (iVm § 37 Abs. 2 Z. 4 leg.cit), ist darauf zu verweisen, daß die Rückzahlung der Beiträge durch den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer auf Antrag des Beschwerdeführers und somit aufgrund seiner Initiative erfolgt ist. Es steht daher auch die freiwillige Herbeiführung der Entschädigungen der Anwendung der Begünstigung des § 37 Abs 1 entgegen (vgl. hg. Erkenntnis vom , 1173/77, Slg. NF. 5181/F; Hofstätter/Reichel, § 32 EStG 1988 Tz 3.1.; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 32 Tz 6.1).
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, daß Einkünfte iSd § 37 Abs. 2 Z. 1 bis 4 EStG 1972 nur dann zur Besteuerung nach § 37 Abs. 1 leg. cit. führen, wenn sie ausnahmsweise und einmalig in einem bestimmten Jahr anfallen, wenn es also zu einer (regelmäßig progressionswirksamen) Zusammenballung von Einkünften in einem einzigen Wirtschaftsjahr kommt. Der Verwaltungsgerichtshof leitet diese Interpretation aus dem im Hinblick auf die in § 37 Abs. 2 genannten Einkünfte einzigen erkennbaren Zweck der Vorschrift des § 37 Abs. 1 EStG ab (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 89/14/0074;
Hofstätter/Reichel, § 37 EStG 1988, Tz 6). Durch die vorliegende Beschwerde sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht zu einem Abgehen von dieser Rechtsprechung veranlaßt. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen besteht im wesentlichen in einem Verweis auf die Materialien zum (deutschen) EStG 1938, aus welchem sich aber ein Argument für die Begünstigung von aufgeteilt auf mehrere Veranlagungsjahre zu erfassenden Einkünfte nicht ergibt.
3. Aufteilung bestimmter Aufwendungen:
Der Beschwerdeführer bringt unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0180, vor, daß die Aufwendungen für Fachliteratur und Fortbildung mangels einwandfreier Trennbarkeit und wegen der überwiegenden Veranlassung zur Gänze den Einkünften aus selbständiger Arbeit und somit nicht (teilweise) den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen seien.
Die Systematik des Einkommensteuergesetzes fordert, daß im Rahmen der Einkommensermittlung zunächst stets die Einkünfte aus jeder einzelnen Einkunftsquelle ermittelt werden. Ist eine Aufwendung durch mehrere, nicht die Lebensführung betreffende Bereiche veranlaßt worden, so muß der aufgewendete Betrag aufgeteilt und mit jeweils einem Teilbetrag den unterschiedlichen Betätigungen zugeordnet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 86/13/0080;
Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 4 Tz 36.4, und § 16 Tz 13; Doralt, EStG2, § 16 Tz 34).
Dem steht das vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis 90/14/0180 nicht entgegen. In diesem Erkenntnis ging es nämlich um die Frage, ob Aufwendungen für jeweils einzelne Reisen durch mehrere unterschiedliche, aber vergleichbare Tätigkeiten, nämlich die Tätigkeit als Personalvertreter einerseits und die Tätigkeit als Gewerkschaftsfunktionär andererseits, veranlaßt sind, wobei die Besonderheit des Falles darin lag, daß Reiseaufwendungen (insb. Reisen zu Gewerkschaftsveranstaltungen) auch ausschließlich mit einer der Tätigkeiten in Zusammenhang stehen konnten. Bei dieser Sachverhaltskonstellation war sohin fraglich, ob die Aufwendungen für die einzelne Reise tatsächlich durch beide Betätigungen veranlaßt war; aus diesem Grunde war darauf abzustellen, ob die unterschiedlichen Aufwendungszusammenhänge feststellbar sind. Für den Fall der erweislichen Veranlassung durch mehrere Tätigkeiten geht auch dieses Erkenntnis von der Aufteilung aus.
Im gegenständliche Fall waren die strittigen Aufwendungen durch die einheitliche ärztliche Tätigkeit veranlaßt. Es liegt auf der Hand, daß bei Aufwendungen für allgemeine ärztliche Fortbildung und Fachliteratur der Zusammenhang mit der selbständigen oder der nichtselbständigen ärztlichen Tätigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß in solchen Fällen nur die Aufteilung der Aufwendungen auf die beiden Einkunftsquellen dem Gesetz entspricht. Gegen das im gegenständlichen Fall zur Anwendung gebrachte konkrete Aufteilungsverhältnis wendet sich die Beschwerde nicht.
Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid sohin im Rahmen des Beschwerdepunktes nicht in seinen Rechten verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Die Durchführung einer Verhandlung konnte aus dem Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.