VwGH vom 22.10.2004, 2002/08/0073
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der L in T, vertreten durch Dr. Gernot Gruböck, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Beethovengasse 4-6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/JUR/12181/2001, betreffend Familienzuschlag nach dem AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am einen Antrag auf Weitergewährung der Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses zur Berufsunfähigkeitspension. Ihr wurde ab dem mit einer Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Notstandshilfe als Pensionsvorschuss in Höhe von S 278,50 täglich (Grundbetrag S 234,30, Familienzuschläge für zwei Kinder in Höhe von jeweils S 22,10) bis zu einem voraussichtlichen Leistungsende am zuerkannt.
Am teilte die regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice der Beschwerdeführerin mit, dass der Familienzuschlag auf Grund einer Gesetzesänderung ab habe herabgesetzt werden müssen. Die Beschwerdeführerin verlangte, dies mit Bescheid auszusprechen. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde festgestellt, "dass der Familienzuschlag gemäß § 20 Abs. 4 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) ab täglich S 13,30 beträgt." Gemäß § 20 Abs. 4 AlVG in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, - so die Begründung - betrage der Familienzuschuss für jede zuschlagsberechtigte Person täglich 1/30 des Kinderzuschusses gemäß § 262 Abs. 2 ASVG. Gemäß § 79 Abs. 61 AlVG sei § 20 Abs. 4 AlVG neuer Fassung mit dem in Kraft getreten. Gemäß § 24 AlVG sei das Arbeitslosengeld (bzw. hier der Familienzuschlag als Bestandteil auch der als Pensionsvorschuss gewährten Notstandshilfe iSd § 38 iVm § 20 Abs. 2 und § 23 Abs. 1 AlVG) neu zu bemessen, wenn sich eine für dessen Ausmaß maßgebende Voraussetzung ändert. § 20 Abs. 4 AlVG neuer Fassung gelte nicht nur für neue, sondern auf Grund des § 79 Abs. 61 AlVG auch für laufende Leistungsansprüche. Die Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über das Ausmaß der Notstandshilfe in der Höhe von S 278,50 täglich bis zum bedeute nicht, dass bei einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen die mitgeteilte Höhe des Leistungsanspruches nicht geändert werden dürfe. In der Mitteilung über den Leistungsanspruch werde auch nur von einer voraussichtlichen Gewährung bis gesprochen. Aus der Mitteilung erwachse kein Rechtsanspruch auf Gewährung der Leistung in der mitgeteilten Höhe. Auch vor der Gesetzesänderung vorgenommene Berechnungen oder Bescheide würden eine Neubeurteilung des Anspruches ab nicht hindern.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat mit Beschluss vom , B 966/01, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ist der Ansicht, die Mitteilung über die Zuerkennung der Notstandshilfe und deren Ausmaß bedeute keineswegs, dass die regionale Geschäftsstelle bei Änderung der Gesetzeslage die Höhe des mitgeteilten Leistungsanspruches nicht ändern dürfe. Eine Neubeurteilung sei auch bei einem laufenden Bezug möglich, wenn dies in den Bestimmungen über das Inkrafttreten der Gesetzesänderung - wie im vorliegenden Fall - vorgesehen sei. Aus der Mitteilung erwachse kein Rechtsanspruch.
Die zuletzt genannte Aussage ist in dieser Allgemeinheit unzutreffend. Der Schutz, welchen § 24 AlVG der Partei vor einem willkürlichen Widerruf gewährter Geldleistungen gewähren soll, ersetzt in jenen Fällen, in denen eine Leistung ohne Erlassung eines Bescheides (§ 47 AlVG) im Wege einer Mitteilung antragsgemäß zuerkannt wurde, bis zu einem gewissen Grad die fehlende Rechtskraft, durchbricht aber auch diesen Schutz (und auch die Rechtskraft im Falle der bescheidmäßigen Zuerkennung) insoweit, als eine auch rückwirkende Korrektur der Leistungen unter den im § 24 AlVG genannten Voraussetzungen ohne Bindung an die strengen Voraussetzungen des § 69 AVG zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/08/0178). Ein Eingriff in einen durch Mitteilung zuerkannten Anspruch auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung ist im Übrigen nur insoweit zulässig, als auch in einen gleichen, durch Bescheid zuerkannten Anspruch eingegriffen werden könnte (vgl. das die Neubemessung des Ausmaßes der Notstandshilfe aus Anlass eines Wohnsitzwechsels betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0031).
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die ihr bis zum in Aussicht gestellte Notstandshilfe in Höhe von S 278,50 täglich (inklusive Familienzuschlägen) nicht auf Grund einer bloßen Gesetzesänderung gekürzt werden dürfe.
Nach der ständigen, auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , VwSlg. Nr. 9.315/A, gestützten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der geltend gemachte Anspruch auf Arbeitslosengeld, sofern das Gesetz nichts Gegenteiliges bestimmt, zeitraumbezogen zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0125). Dies bedeutet, dass die für das Entstehen und das Erlöschen des Anspruches auf Arbeitslosengeld jeweils geltende Rechtslage zeitraumbezogen maßgebend ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0310). Die Behörde hat daher die Sachlage und Rechtslage ab Antragstellung bis zur Erlassung des Bescheides - gemäß § 66 Abs. 4 AVG bis zur Erlassung des Berufungsbescheides - zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0280).
In Abweichung von der Zweifelsregel der Zeitraumbezogenheit der Ansprüche ist für die Berechnung von Dauerleistungen in der Arbeitslosenversicherung kraft gesetzlicher Anordnung jenes Recht heranzuziehen, das zum Zeitpunkt der Antragstellung gilt. So ist für die Bemessung des Arbeitslosengeldes gemäß § 21 Abs. 1 AlVG die im Zeitpunkt der Antragstellung gegebene Sach- und Rechtslage maßgebend, und zwar in der Regel für den gesamten Anspruchszeitraum (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/02/0103, und vom , Zl. 2000/08/0107). Spätere Gesetzesänderungen können - abgesehen von dort allenfalls vorgesehenen Übergangsbestimmungen - nicht mehr zum Anlass genommen werden, während des Zeitraumes, für den die Leistung auf Grund einer Mitteilung oder eines Bescheides bestandkräftig zuerkannt wurde, die Höhe der Leistung zu ändern (vgl. das die Änderung des AlVG mit BGBl. Nr. 290/1987 betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/08/0122, oder das § 79 Abs. 28 AlVG betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0482).
Eine solche gesetzlich angeordnete Ausnahme vom Grundsatz der Zeitraumbezogenheit des Anspruchs liegt in Bezug auf die Höhe der Familienzuschläge gemäß § 20 Abs. 4 AlVG aber nicht vor, weil hier kein sachverhaltsabhängiger Bemessungsakt vorgesehen ist, sondern die Höhe einer Leistung im Gesetz unmittelbar geregelt wird. Wird das Gesetz insoweit geändert, so ist daher ab dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung die neue Rechtslage anzuwenden, sofern nicht etwa im Übergangsrecht auf den Zeitpunkt des Anfalls der Leistung abgestellt wird. Die Behörde hat daher Gesetzesänderungen - sofern nicht etwaige Übergangsbestimmungen einer Anwendung entgegen stehen - zum Anlass zu nehmen, die Höhe der Leistung ab der Änderung der Rechtslage als einer "für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebenden Voraussetzung" iSd § 24 Abs. 1 AlVG neu zu bemessen. Da die Änderung des § 20 Abs. 4 AlVG gemäß § 79 Abs. 61 AlVG mit in Kraft getreten ist, war die belangte Behörde berechtigt, die Höhe des Familienzuschlages ab diesem Zeitpunkt an die neue gesetzlichen Regelung anzupassen.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am