VwGH vom 27.08.1998, 98/13/0062
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des SF in W, vertreten durch Mag. Georg Riha, Rechtsanwalt in Wien VII, Kaiserstraße 67, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/037-07/06/97, betreffend Sicherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Den Beschwerdeschriften und der ihnen angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ist folgendes zu entnehmen:
Mit Sicherstellungsauftrag vom ordnete das Finanzamt gemäß § 232 BAO die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschwerdeführers zur Sicherung von Abgabenansprüchen in Höhe von insgesamt S 4,804.951,-- mit der Begründung an, daß auf Grund eines anhängigen Strafverfahrens wegen gewerbsmäßigem Handel mit Cannabisharz gegen den Beschwerdeführer der dringende Verdacht einer Abgabenhinterziehung über mehrere Jahre bestehe, habe dieser doch den aus dem Verkauf der Drogen resultierenden Erlös (das Finanzamt gehe hierbei von den vor Gericht getätigten Aussagen aus) dem Finanzamt nicht bekanntgegeben.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer die Mehrjährigkeit des ihm vorgeworfenen Drogenhandels. Er habe im Jahre 1993 keinerlei Suchtgiftverkäufe getätigt und bei Gericht ausgesagt, lediglich geringe Mengen von Haschisch verkauft zu haben. Die vom Finanzamt angenommene Höhe der Abgabenverkürzung könne nicht auf Grund der vom Beschwerdeführer getätigten Aussagen errechnet worden sein und sei mit einem Betrag in Höhe von S 4,804.951,-- weitaus überhöht angenommen worden.
Die abweisliche Berufungsvorentscheidung begründete das Finanzamt damit, daß erfahrungsgemäß zu vermuten sei, daß jemand, der zunächst Abgaben hinterziehe, auch versuchen werde, die später festgesetzten Abgaben zumindest teilweise nicht zu entrichten oder sich einer diesbezüglichen Vollstreckung zu entziehen, was umso mehr dann gelten müsse, wenn die Einkünfte aus illegalen Geschäften stammten.
In seinem Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz bezeichnete der Beschwerdeführer die Schätzung durch das Finanzamt als völlig unbegründet, weil die Annahme einer regelmäßigen Vervielfachung von Einnahmen durch nichts gedeckt sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Sicherstellungsauftrag des Finanzamtes vom ab und führte in der Begründung ihres Bescheides nach Darlegung der Funktion eines Sicherstellungsbescheides sachverhaltsbezogen aus, daß der Beschwerdeführer selbst vor dem Sicherheitsbüro der Bundespolizeidirektion Wien am niederschriftlich angegeben habe, seit Juni 1993 Suchtgifthandel mit Haschisch betrieben zu haben. Ein Mittäter des Beschwerdeführers habe am niederschriftlich ausgesagt, vom Beschwerdeführer selbst zu wissen, daß dieser den Haschischhandel schon seit fünf Jahren betreibe. Ein weiterer Mittäter habe darüber berichtet, daß der Beschwerdeführer zu Beginn seiner Tätigkeit wöchentlich fünf bis sechs Kilogramm Haschisch einem anderen Dealer verkauft habe, was bei einem Verkaufspreis in Höhe von S 40.000,-- im Zeitraum Juni bis Dezember 1993 einen Umsatz in Höhe von ca. S 7,200.000,-- ergebe. Ein anderer Mittäter habe wiederum bekundet, daß der Beschwerdeführer von ihm im Zeitraum Dezember 1994 bis Ende Juni 1995 für Suchtgifte und Drogen insgesamt S 7,300.000,-- erhalten habe. Bei allen Verkäufen sei von einem Aufschlag in Höhe von 100 % auszugehen. Ausgehend von Umsätzen des Beschwerdeführer von S 3,500.000,-- im Jahr 1993, von S 5,000.000,-- im Jahr 1994 und von S 1,600.000,-- in der ersten Jahreshälfte 1995 sowie von Gewinnen des Beschwerdeführer von S 1,500.000,-- im Jahr 1993 und S 3,000.000,-- im Jahr 1994 sei die Schätzung des Finanzamtes zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages keineswegs als überhöht anzusehen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, nur mit Haschisch gehandelt zu haben, erscheine zudem nicht glaubwürdig, weil mehrere Mittäter niederschriftlich ausgesagt hätten, vom Beschwerdeführer auch andere Rauschgifte und Drogen (Kokain, LSD-Trips, Ecstasy) erhalten zu haben. Zur Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben sei festzustellen, daß es aktenkundig sei, daß außer dem nach einem Schreiben des Sicherheitsbüros der Bundespolizeidirektion Wien vom eingestandenen Besitz mehrerer Sparbücher und eines Autos kein Vermögen vorhanden und der Beschwerdeführer bereits seit in Verwahrungshaft gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit seinem Beschluß vom , B 2005/97, abgelehnt und sie mit Beschluß vom dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Abs. 2 dieser Gesetzesstelle normiert, daß der Sicherstellungsauftrag unter anderem die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld sowie die Gründe zu enthalten hat, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt.
Eine Sicherstellung ist kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende "Sofortmaßnahme", die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, daß sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern daß es genügt, daß die Abgabenschuld dem Grunde nach (nämlich gemäß § 4 BAO) mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind. Von einer solchen Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung kann im wesentlichen dann gesprochen werden, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden muß, daß nur bei raschem Zugriff der Behörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , 95/15/0057, ÖStZB 1998, 149, vom , 95/14/0130, ÖStZB 1997, 431, vom , 92/15/0115, ÖStZB 1997, 162, vom , 93/15/0237, ÖStZB 1996, 630, vom , 95/13/0147, ÖStZB 1997, 26, und vom , 94/15/0169, ÖStZB 1996, 390, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung zeigt das Beschwerdevorbringen eine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit nicht erfolgreich auf:
Eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Abgaben soll zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Sicherstellungsauftrages deswegen nicht vorgelegen sein, weil sich der Beschwerdeführer bereits seit dem in Verwahrungshaft befunden habe, sodaß er über sein Vermögen faktisch nicht mehr habe verfügen und es verbringen können; die vorgefundenen Vermögenswerte seien sowohl dem Gericht als auch den Finanzbehörden bekannt gewesen, weshalb die vorgefundenen Sparbücher bei einem Bezug zu den gegangenen Straftaten hätten gerichtlich verwahrt werden können. Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß zunächst von einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgaben grundsätzlich schon dann ausgegangen werden kann, wenn der dringende Verdacht einer Abgabenhinterziehung besteht (vgl. die oben wiedergegebene Judikatur). Wurden die Sparbücher des Beschwerdeführers nicht gerichtlich verwahrt, wie dies seinem Vorbringen gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof entnommen werden muß, dann war ein Zugriff der Abgabenbehörde auf diese Sparbücher im Interesse der Sicherung der Abgabeneinbringung umso gebotener, weil der Umstand der Verhaftung des Beschwerdeführers diesen einer Verfügungsmöglichkeit über die Vermögenswerte im Wege erteilter Anweisungen an Dritte nicht in der von ihm behaupteten Weise berauben konnte. Unterlagen die Sparbücher des Beschwerdeführers aber einer erfolgten Beschlagnahme für andere Zwecke als jene der Abgabeneinbringung, dann schloß dies die Erforderlichkeit des abgabenbehördlichen Zugriffs auf die Vermögenswerte deswegen nicht aus, weil die Abgabenbehörde sonst auf Bestand und Dauer einer Beschlagnahme der Sparbücher keinen Einfluß gehabt hätte.
Auch die vom Beschwerdeführer kritisierte Höhe des Sicherstellungsauftrages begegnet keinen Bedenken. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf Aussagen vernommener Personen vor der Sicherheitsbehörde die Ermittlung der Abgabenbemessungsgrundlagen in einer Weise dargestellt, mit welcher den an die Begründung eines Sicherstellungsauftrages zu stellenden Anforderungen Genüge getan ist. Inwiefern die Begründungsausführungen des angefochtenen Bescheides widersprüchlich sein sollen, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen. Wenn das Strafgericht in einem mittlerweile ergangenen verurteilenden Erkenntnis seiner Entscheidung andere vom Beschwerdeführer verkaufte Suchtgiftmengen als jene zugrunde gelegt hatte, von denen der Sicherstellungsauftrag ausgeht, dann liegt darin keine Widersprüchlichkeit der Begründung des angefochtenen Bescheides insoweit, als diese von Aussagen vernommener Personen im Zuge des Strafverfahrens ausgeht. Daß die belangte Behörde besser daran getan hätte, jene Mittäter, auf deren Aussagen im Vorverfahren die Feststellungen zur voraussichtlichen Höhe der Abgabenschuld gestützt wurden, im angefochtenen Bescheid namentlich anzuführen, trifft zu. Es begründet das Unterlassen einer namentlichen Nennung dieser Mittäter im angefochtenen Bescheid einen zu dessen Aufhebung führenden Verfahrensmangel im Beschwerdefall aber nicht. Begnügt der Beschwerdeführer sich doch, die Vorgangsweise der belangten Behörde zu rügen, ohne in der Sache selbst zu bestreiten, daß die von der belangten Behörde angeführten Aussagen tatsächlich gemacht worden sind. Es verweist der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf, daß Angaben von Mittätern mit höchster Vorsicht zu genießen seien, wobei er meint, daß die dafür zuständigen Strafgerichte größere Erfahrungen mit Anschuldigungen von Mitbeteiligten bei Suchtgiftdelikten hätten als die Finanzbehörden. Diese Ausführungen sind allerdings nicht geeignet, eine der Abgabenbehörde bei der Erlassung des Sicherstellungsauftrages auf der Basis von Aussagen von Mittätern unterlaufene Fehleinschätzung der voraussichtlichen Höhe der Abgabenschuld in einem Ausmaß aufzuzeigen, welches den angefochtenen Bescheid als rechtswidrig erkennen ließe. Der im angefochtenen Bescheid überschlagsmäßig gegebenen Darstellung der Abgabenbemessungsgrundlagen setzt der Beschwerdeführer gar kein Argument entgegen. Daß schließlich Teile des beim Beschwerdeführer vorgefundenen Vermögens nicht Erlöse aus dem Suchtgifthandel dargestellt hätten, ist ebenso kein Argument, welches der Schätzung der voraussichtlichen Höhe der Abgabenschuld überzeugend entgegengehalten werden kann, weil aus dem beim Beschwerdeführer aufgefundenen Vermögen allein sich auf die Höhe der von ihm getätigten Umsätze und erzielten Gewinne ein verläßlicher Schluß noch nicht ziehen läßt, sodaß selbst eine Glaubwürdigkeit vom Beschwerdeführer aufgestellter Behauptungen über eine andere Herkunft vorgefundener Barmittel als aus dem Suchtgifthandel stammend die auf andere Verfahrensergebnisse gestützte vorläufige Schätzung der Abgabenbemessungsgrundlagen noch nicht widerlegen könnte.
Da der Inhalt der Beschwerde somit schon erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
Wien, am