VwGH vom 03.10.1996, 96/06/0111
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der I Ges.m.b.H. in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 03-12.10 L 71-96/1, betreffend einen Devolutionsantrag in einem Widmungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Schreiben vom suchte die Beschwerdeführerin um die Widmungsbewilligung für ein Grundstück im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde für Wohnzwecke an. Es fand daraufhin zwar eine örtliche Erhebung und mündliche Verhandlung statt, ein Bescheid wurde jedoch nicht erlassen. Mit Anbringen vom an den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde wurde von der Beschwerdeführerin ein Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß § 73 AVG gestellt. Aufgrund dieses Antrages erging unter dem Datum eine Erledigung, mit welcher der Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde gemäß § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG 1991 abgewiesen wurde. Im Kopf des Schreibens ist (nur) die "Marktgemeinde L" genannt, aber kein Gemeindeorgan. In der Begründung heißt es:
"Über diesen Antrag nach § 73 AVG hat der Gemeinderat als sachlich in Betracht kommende und als solche angerufene Oberbehörde erwogen wie folgt:"
Der Bescheid enthält am Ende die Angabe "Der Bürgermeister:
(Unterschrift)" mit der leserlichen Beifügung des Namens des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde.
Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung gegen diesen Bescheid.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unzulässig zurück, da der genannte Bescheid vom dem Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde zuzurechnen sei und somit der innergemeindliche Instanzenzug nicht ausgeschöpft sei. Erst nach einer Entscheidung des Gemeinderates über eine Berufung gegen diesen Bescheid könne die Vorstellung erhoben werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird und ausgeführt wird, daß der Bescheid vom dem Gemeinderat zuzurechnen sei. Die Zurückweisung der Vorstellung sei somit unzulässig gewesen.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom (also nach Einbringung der vorliegenden Beschwerde) wurde der Bescheid vom dahingehend berichtigt, daß es an Stelle der "Fertigungsklausel" "Der Bürgermeister" zu lauten habe "für den Gemeinderat, der Bürgermeister".
Wie sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 62 Abs. 4 AVG ergibt, wirkt ein Berichtungsbescheid ungeachtet seiner möglichen Rechtswidrigkeit auf den berichtigten Bescheid zum Zeitpunkt der Erlassung desselben zurück (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 85/08/0042, vom , Zl. 86/11/0007, sowie vom , Zlen. 91/09/0047 und 0108). Eine Berichtigung eines Bescheides kann nach der hg. Rechtsprechung weiters auch noch im Laufe eines Verwaltungsgerichtshof-Verfahrens erfolgen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 86/11/0007, und vom , Zl. 90/07/0152). In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, daß sich durch die Berichtigung gegebenenfalls auch die belangte Behörde ändern könne (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/11/0007). Im Beschwerdefall wurde nicht ein letztinstanzlicher Bescheid berichtigt, der beim Verwaltungsgerichtshof angefochten wurde. Die Frage, ob die Berichtigung allenfalls auch eine Änderung der belangten Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bewirken könnte, stellt sich daher im Beschwerdefall nicht. Da im Beschwerdefall ein Gemeindebescheid, der Gegenstand einer VORSTELLUNGSENTSCHEIDUNG war, aufgehoben wurde, stellte sich die Frage, ob allenfalls die sich aus einer Berichtigung ergebende Klarstellung, welche Behörde einen Bescheid erlassen hat, auch nach Abschluß eines Vorstellungsverfahrens über den in Rede stehenden Bescheid wirksam werden könnte (die Vorstellungsbehörde hat keine Möglichkeit, durch Bekämpfung des Berichtigungsbescheides eine allfällige Rechtswidrigkeit dieses Bescheides geltend zu machen). Im Beschwerdefall ist diese Frage aber nicht von streitentscheidender Bedeutung, weil aufgrund des Inhaltes des Bescheides vom auch ohne Berücksichtigung der später erfolgten Berichtigung davon auszugehen ist, daß der Bescheid vom Gemeinderat erlassen wurde. Die angeschnittene Frage, ob die in der dargestellten Judikatur entwickelten Grundsätze für die Wirkung und die Zulässigkeit einer Berichtigung auch auf Fälle wie den vorliegenden übertragen werden können, kann daher im Beschwerdefall dahingestellt bleiben. Durch die Berichtigung wurde nicht nachträglich eine Fertigungsklausel dahingehend geändert, daß an Stelle der Fertigung "für" eine Behörde die Fertigung "für" eine andere Behörde gesetzt wurde (sodaß man mit den Worten der vorstehend zitierten Erkenntnisse von einer "Änderung" der bescheiderlassenden Behörde sprechen könnte).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zurechnung einer Erledigung zu einer Behörde (aus der als weitere Folge sich auch der Bescheidcharakter der Erledigung unter Umständen erst ergibt) ist ausschlaggebend, daß nach objektiven Gesichtspunkten erkennbar ist, welche Behörde mit der Erledigung eine normative Entscheidung treffen wollte (vgl. für den Fall eines Bescheides mit der Fertigungsklausel "im Auftrag" ohne Nennung einer Behörde in der Fertigungsklausel, aber der allfälligen Erkennbarkeit der bescheiderlassenden Behörde das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 90/05/0198, 0199, 0200 und 0202; oder zu den Umständen, die eine Zurechnung nach objektiven Gesichtspunkten ermöglichen können, das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/10/0448). Wenngleich es zutrifft, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Frage der Zurechnung in vielen Fällen die Fertigungsklausel von ausschlaggebender Bedeutung ist, ist darauf hinzuweisen, daß diese Aussage in der Judikatur in jenen Fällen getroffen wurde, in der im Falle der Übertragung der Approbationsbefugnis aus der Fertigung des ermächtigten Organwalters "für" eine bestimmte Behörde (z.B. den Landeshauptmann oder die Landesregierung) eine Zuordnung zu einer Behörde möglich wird. Im Beschwerdefall liegt jedoch keine Fertigung "für" eine bestimmte Behörde durch einen ermächtigten Organwalter vor. Im Beschwerdefall hat vielmehr ein Bürgermeister, der selbst Behördenstellung inne hat, aber auch gleichzeitig dem Kollegialorgan Gemeinderat vorsteht (vgl. § 52 Abs. 1 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115 i.d.g.F.), einen Bescheid unterzeichnet, in dem darauf hingewiesen wird, daß "der Gemeinderat" erwogen habe. Während bei Erlassung von Bescheiden durch den Hilfsapparat "Amt der Landesregierung" letztlich die Fertigungsklausel "für den Landeshauptmann" oder "für die Landesregierung" ausschlaggebend sein muß, versagt dieses Kriterium dann, wenn eine Erledigung keine derartige Fertigungsklausel ("Für ...") trägt. Vor allem aber ist bei der Erlassung von Bescheiden durch Kollegialorgane, deren Bescheide regelmäßig nicht durch das Kollegium selbst ausgefertigt werden, zu beachten, daß die bloße Beisetzung der Funktionsbezeichnung des Ausfertigenden noch nicht zur Annahme berechtigt, daß dieser den Bescheid als monokratisches Organ im eigenen Namen erlassen wollte, auch wenn er in dieser Funktion im übrigen (sachlich oder funktionell in anderen Angelegenheiten) behördliche Aufgaben wahrzunehmen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bei Bescheiden von Gemeindeorganen dann eine Zurechnung zu dem den Bescheid fertigenden Bürgermeister vorgenommen, wenn dem Bescheid jeglicher Hinweis fehlte, daß er auf einem Beschluß des Gemeinderates beruhe (vgl. Walter/Steiner, Gemeindeorgane, in: Fröhler/Oberndorfer, Handbuch des Gemeinderechts, 3.7., 29, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis VwSlg. 7399 A/1968 und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/06/0075). Wenn der Bürgermeister (wie dies nach der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115/1967, i.d.g.F. der Fall ist) zur Durchführung der Beschlüsse des Gemeinderates berufen ist und die Gemeindeordnung auch keine ausdrückliche Bestimmung für die Ausfertigung von Beschlüssen des Gemeinderats in individuellen behördlichen Angelegenheiten (bei der Erlassung von Bescheiden) enthält, kann davon ausgegangen werden, daß der Bürgermeister zur Ausfertigung der Bescheide des Gemeinderates berufen ist (vgl. § 45 Abs. 2 lit. a iVm § 52 Abs. 1 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/17/0068, zur Abgabenberufungskommission nach der Wiener Abgabenordnung, in dem der Verwaltungsgerichtshof aus den dem Vorsitzenden zustehenden Leitungsbefugnissen auch die Befugnis zur Ausfertigung der Bescheide der Abgabenberufungskommission im Sinne des § 70 WAO, der insofern § 18 Abs. 4 AVG entspricht, ableitete).
Es ist daher für die Zurechnung eines Bescheides zum Gemeinderat nicht ausschlaggebend, wenn nach Beschlußfassung durch den Gemeinderat die Fertigungsklausel nicht, wie dies jeden Zweifel auschließen würde, lautet: "für den Gemeinderat, der Bürgermeister", sondern - wie im Beschwerdefall erfolgt - der Bürgermeister nur unter Angabe seiner Funktion unterzeichnet, sofern nur aus dem Bescheid sonst ersichtlich ist, daß er auf der Willensbildung im Gemeinderat beruht (vgl. neuerlich das genannte Erkenntnis vom , Zlen. 90/05/0198, 0199, 0200 und 0202). In einem derartigen Fall liegt keine Fertigungsklausel derart vor, daß "für" ein bestimmtes Organ gezeichnet werde. Der Umstand, daß der Bürgermeister (in der Steiermark) nicht nur Vorsitzender des Gemeinderates (er muß dem Gemeinderat nicht zwingend angehören), sondern auch ein eigenes Gemeindeorgan im Sinne des Art. 117 B-VG ist, welches selbst Bescheide erlassen könnte, bedeutet nur, daß in einem derartigen Fall weitere Gesichtspunkte für die Beurteilung, ob der Bescheid dem Gemeinderat zugerechnet werden kann oder nicht, vorliegen müssen. Angesichts der im Bescheid gewählten Formulierung "über diesen Antrag nach § 73 AVG hat der Gemeinderat als sachlich in Betracht kommende und als solche angerufene Oberbehörde erwogen wie folgt" ist in dem Bescheid vom jedoch ausreichend klargestellt, daß es sich um eine Entscheidung des Gemeinderates handelt. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß für diese Deutung des Bescheides vom auch dessen Rechtsmittelbelehrung, derzufolge gegen den Bescheid ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig ist, spricht. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß aus dem Inhalt des Bescheides ein Bescheidwille des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde ableitbar wäre, in dieser seiner Funktion als Bürgermeister einen Bescheid zu erlassen.
Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, daß gegen den bei ihr mit Berufung bekämpften Bescheid noch ein Rechtsmittel offengestanden wäre. Die Zurückweisung der Vorstellung der Beschwerdeführerin war daher rechtswidrig und verletzt diese in ihrem Recht auf eine Sachentscheidung.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Stempelgebührenaufwand für nicht erforderliche Beilagen.