VwGH 19.11.1996, 96/05/0199
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1; VwRallg; |
RS 1 | Ob ein Gebäude dem "täglichen Bedarf" iSd § 16 Abs 1 Z 1 NÖ ROG 1976 dient, hängt nicht davon ab, ob die darin erzeugten Produkte täglich benötigt werden. Für die Beurteilung, ob ein Betrieb der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfes dient, kommt es auf die Verkehrsanschauung an (Hinweis E , 84/05/0180; hier Nebengebäude zum Zwecke einer Haltung von neun Hühnern und einem Hahn dienen nicht dem täglichen Bedarf der im Wohngebiet wohnenden Bevölkerung). |
Normen | ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1; VwRallg; |
RS 2 | Bei der Auslegung des Begriffes "täglicher Bedarf" iSd § 16 Abs 1 Z 1 NÖ ROG 1976 kommt es nicht auf den konkreten Bedarf eines einzelnen Bewohners an, sondern auf den täglichen Bedarf der im Wohngebiet wohnenden Menschen, wie durch den Ausdruck Bevölkerung hinreichend klargestellt ist (Hinweis E , 91/05/0080; hier: da ein solcher täglicher Bedarf der Bevölkerung für ein Nebengebäude zum Zwecke einer Haltung von neun Hühnern und einem Hahn nicht besteht, ist ein solches Gebäude im Wohngebiet iSd § 16 Abs 1 Z 1 NÖ ROG 1976 nicht zulässig). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des W und der HB in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zlen. R/1-V-95026/03, R/1-V-95026/04, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. T in L, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, 2. Gemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Miteigentümer des Grundstückes Nr. 66/165 der Liegenschaft EZ 847,
Grundbuch 05210 L. Dieses Grundstück befindet sich im Bauland-Wohngebiet.
Anläßlich einer "Beschau" betreffend die Überprüfung einer nichtgenehmigten Baulichkeit am wurde von der Baubehörde erster Instanz festgestellt, daß auf dem vorbezeichneten Grundstück ca. 3,50 m von der rückwärtigen Grundstücksgrenze entfernt ein Gebäude im Ausmaß von ca. 4 m x 4,90 m errichtet worden ist, für welches keine Baubewilligung vorliegt. Rund die Hälfte dieses Gebäudes wird als Stall für Hühner verwendet, für welche auch im Freien ein Auslauf vorgesehen ist. Als Ergebnis dieser Verhandlung ist in der Niederschrift vom festgehalten, daß umgehend, d.h. bis längstens , mit entsprechenden Einreichplänen um Erteilung der nachträglichen Baubewilligung und Benützungsbewilligung anzusuchen ist.
Mit Eingabe vom beantragten die Beschwerdeführer "die Erteilung einer Baubewilligung für das Nebengebäude" auf dem obbezeichneten Grundstück gemäß Einreichplan und Baubeschreibung. Die Baubeschreibung wurde mit Eingabe vom wie folgt ergänzt:
"Die Hühnerhaltung erfolgt im westlichen Teil des Raumes 1 (ca. 4 m2). Die Anzahl der Hühner beträgt zur Zeit 10 Stück.
Der Auslauf der Hühner ist variabel und stellt keine Baulichkeit dar, da keine feste Verbindung mit dem Terrain vorhanden ist."
Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Partei vom (das bis dahin im Verwaltungsakt dokumentierte Verwaltungsgeschehen ist nicht entscheidungsrelevant) wurde den Beschwerdeführern über deren Ansuchen aufgrund des Ergebnisses der Bauverhandlung vom gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 100 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976 die nachträgliche Bewilligung zum Neubau für das Nebengebäude auf dem gleichzeitig zum Bauplatz erklärten Grundstück Nr. 66/165 erteilt. Folgende Auflagen wurden erteilt:
"1. Der Verwendungszweck des Nebengebäudes wird im Ausmaß von 4 m2 als Stallung für die Haltung von neun Hühnern und einem Hahn, hinsichtlich des restlichen Teiles als Abstellraum festgelegt.
Die Haltung von mehr als einem Hahn ist untersagt.
Der Auslauf der Hühner muß so angelegt werden, daß zu den Nachbargrundstücken zumindest ein Abstand von 3 m besteht."
Den dagegen erhobenen Berufungen der Beschwerdeführer und des anrainenden Erstmitbeteiligten wurde mit Bescheid des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Partei vom keine Folge gegeben. Die Haltung von neun Hühnern und einem Hahn sei aufgrund der eingeholten Sachverständigengutachten "gerade noch ohne gravierende Belästigung der Anrainer, die das örtlich zumutbare Maß übersteigen, bewilligungsfähig".
Den dagegen erhobenen Vorstellungen der Beschwerdeführer und der erstmitbeteiligten Partei wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der zweitmitbeteiligten Partei zurückverwiesen. Die Flächenwidmung "Bauland-Wohngebiet" bezüglich des hier zu bebauenden Grundstückes der Beschwerdeführer sei im Jahre 1994 festgelegt worden. Bei der Beurteilung des Begriffes "Wohngebiet" sei daher zur Auslegung § 16 Abs. 1 Z. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-9, heranzuziehen. Im gegenständlichen Verfahren sei die Frage zu klären, ob die Errichtung eines Nebengebäudes zur Hühnerhaltung mit der Wohngebietswidmung in Einklang stehe oder nicht. Im Bauland-Wohngebiet sei zwar die Haltung von Haustieren zulässig, nicht jedoch die Haltung von Hühnern und Hähnen. Unter der Haltung von Haustieren sei die Unterbringung von Einzeltieren in Wohngebäuden zu verstehen. Es sei daher davon auszugehen, daß für die Haltung von Haustieren kein Stallgebäude bzw. keine eigenen Räumlichkeiten notwendig seien. Bauwerke für eine Hühnerhaltung seien nicht als dem täglichen Bedarf der im Wohngebiet wohnenden Bevölkerung dienende Gebäude zu beurteilen. Der Zweck von Stallgebäuden bestehe in der Haltung und Zucht von Nutztieren und sie gehörten in der Regel in die Widmung Bauland-Agrargebiet. Auf die Frage, ob durch das gegenständliche Stallgebäude eine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung verursacht werde, komme es bei dieser Rechtslage nicht mehr an. Die Errichtung eines Stallgebäudes zur Hühnerhaltung im Bauland-Wohngebiet sei daher an sich schon unzulässig. Der Antrag auf Baubewilligung sei daher wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf antragsgemäße Baubewilligung verletzt.
Die Haltung einer geringen Anzahl von Hühnern und eines Hahnes diene dem vom Gesetz geforderten täglichen Bedarf der Bevölkerung. Bei der geringen Anzahl der Hühner komme es zu keiner gewerblichen Nutzung. Die Tierhaltung diene daher einzig und allein der Versorgung der Beschwerdeführer und ihrer nahen Angehörigen mit Eiern und Fleisch sowie der Freizeitgestaltung der Beschwerdeführer. Bei diesem Bedarf handle es sich nicht um einen konkreten Bedarf der Beschwerdeführer, sondern um einen Bedarf der Bevölkerung. In einem derart kleinen Raum (4 m2) wäre eine Zucht von Nutztieren gar nicht möglich.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die Beschwerdeführer erstatteten eine Gegenäußerung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 der NÖ Bauordnung 1976 bedarf u.a. der Neubau von Gebäuden einer Bewilligung der Baubehörde. Gemäß § 100 Abs. 2 leg. cit. ist die beantragte Baubewilligung dann zu versagen, wenn durch die Ausführung des Vorhabens u.a. die Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes, LGBl. 8000, verletzt werden.
Maßgebend ist also, ob das hier zu beurteilende Nebengebäude mit dem - teilweisen - Verwendungszweck als Hühnerstall für neun Hühner und einen Hahn mit der Widmung "Bauland-Wohngebiet" des hier anzuwendenen NÖ Raumordnungsgesetzes, LGBl. 8000-9 (ROG), zu vereinbaren ist oder nicht.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 1 ROG sind Wohngebiete für Wohngebäude und die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäude sowie für Betriebe bestimmt, welche keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen für die Umgebung verursachen können. Gemäß § 16 Abs. 3 leg. cit. dürfen im Bauland Gebäude, Bauwerke und Anlagen für Betriebe zur Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfes errichtet werden.
Ob ein Gebäude dem "täglichen Bedarf" dient, hängt nicht davon ab, ob die darin erzeugten Produkte täglich benötigt werden. Für die Beurteilung, ob ein Betrieb der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfes dient, kommt es auf die Verkehrsanschauung an (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/05/0180). Die Beschwerdeführer gehen selbst davon aus, daß es sich bei dem hier zu beurteilenden Stallgebäude im Zusammenhang mit dem Halten von neun Hühnern und einem Hahn um keinen Betrieb im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 1 ROG handelt, sie versuchen jedoch darzutun, daß das zu bewilligende Nebengebäude mit teilweiser Verwendung als Hühnerstall "dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung" dient. Entscheidend ist hiebei jedoch der tatsächliche tägliche Bedarf der Bevölkerung, nicht aber ein sonstiger Bedarf. Bei der Auslegung des Begriffes "täglicher Bedarf" kommt es nicht auf den konkreten Bedarf eines einzelnen Bewohners an, sondern auf den täglichen Bedarf der im Wohngebiet wohnenden Menschen, wie durch den Ausdruck Bevölkerung hinreichend klargestellt ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/05/0080). Da ein solcher täglicher Bedarf der Bevölkerung nach dem hier zu beurteilenden Gebäude mit dem feststehenden Verwendungszweck nicht besteht, ist ein solches Gebäude im Wohngebiet nicht zulässig.
In der Annahme der belangten Behörde, ein Nebengebäude zum Zwecke einer Haltung von neun Hühnern und einem Hahn stehe im Widerspruch zur Widmung Bauland-Wohngebiet, ist daher keine Rechtswidrigkeit zu erblicken (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/05/0169).
Ist aber der Auffassung der belangten Behörde zuzustimmen, daß die Errichtung des von den Beschwerdeführern beabsichtigten Nebengebäudes als ein im Wohngebiet nicht zulässiges Gebäude zu beurteilen war, so war nicht zu prüfen, ob im Hinblick auf damit verbundene Immissionen das Bauvorhaben auch aus diesem Grund unzulässig ist.
Aufgrund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Zusatzinformationen
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Normen | ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1; VwRallg; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1996:1996050199.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAE-48094