VwGH 26.04.2000, 96/05/0133
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Die Umwidmung einzelner Räume einer Wohnung, ohne dass diese als solche verloren ginge, kann nicht der Umwidmung von Wohnungen iSd § 62 Abs 1 Wr BauO, also des gesamten Objektes, gleichgehalten werden. Damit besteht keine Parteistellung der anderen Wohnungseigentümer und damit auch nicht das Erfordernis ihrer Zustimmung (Hinweis E , 88/05/0264; hier: Einrichtung einer Arztordination auf weniger als der Hälfte der Wohnnutzfläche). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Versicherungsanstalt der österreichischen Bundesländer Versicherungs AG in Wien, vertreten durch Dr. Josef Bock und Dr. Thomas Wiesinger, Rechtsanwälte in Wien I, Fichtegasse 5, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MD-VfR - B VIII - 5/96, betreffend Parteistellung in einem Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: Dr. Abdul Salem Safar in Wien, vertreten durch Dr. Josef Unterweger, Dr. Sepp Brugger, Rechtsanwälte in Wien VIII, Buchfeldgasse 19a), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und dem Mitbeteiligten in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren des Mitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte ist, wie sich aus dem Mietvertrag vom ergibt, Mieter der 219,15 m2 großen Wohnung im Haus Wien VIII, Piaristengasse 56-58, Tür 24. Laut Mietvertrag besteht der Mietgegenstand aus drei Zimmern und zwei Kabinetten, Küche, Vorzimmer, Bad, WC, einem Salon, einem Gang, zwei Veranden und durfte zu Wohn- und Ordinationszwecken verwendet werden, soweit für eine derartige Nutzung behördliche Bestimmungen nicht dagegen stünden. Eigentümer des Hauses ist die Beschwerdeführerin.
Der Mitbeteiligte zeigte der Baubehörde am gemäß § 62 BauO für Wien an, dass er "geringfügige bauliche Änderungen in der Bestandseinheit" vorgenommen habe; die Wohnung werde in der Kombination Ordination und Wohnung ohne Unterbrechung seit verwendet. Er legte dazu u.a. Pläne über den konsentierten Bestand - die keinen Hinweis auf eine Ordination enthalten - und einen Einreichplan vor.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom wurde die Anzeige betreffend die in den mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Plänen dargestellten Baumaßnahmen zur Kenntnis genommen.
Dagegen richtete die Beschwerdeführerin mit der Behauptung, durch Zufall sei ihr dieser Bescheid am zugekommen, eine Berufung. Sie brachte vor, dass es sich um eine "erhebliche" Umwidmung einer Reihe von Wohnräumlichkeiten in Ordinationsräumlichkeiten gehandelt habe; diese Maßnahmen hätten dazu geführt, dass aus einem in der Schutzzone gelegenen Wohnhaus mit besonders ruhigem Charakter der Betrieb einer Großordination mit einer entsprechenden Belästigung von Mitmietern möglich geworden sei. Die Baubehörde hätte nicht nach § 62 Abs. 1 Wiener Bauordnung, sondern nach § 60 leg. cit. vorgehen müssen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unzulässig zurück. Sie stellte fest, dass die angezeigte Bauführung innerhalb einer Wohnung erfolgte, wobei fünf Räumlichkeiten der Wohnung Top Nr. 24 im Ausmaß von insgesamt 82 m2 in Ordinationsräume, einen Warteraum und eine Ordinationsküche umgewidmet wurden. Die übrigen Teile der 219 m2 großen Wohnung blieben von der angezeigten Umwidmung unberührt und würden laut Einreichplan weiterhin als Wohnung benützt werden. Es läge daher nicht die Umwidmung "von Wohnungen" sondern nur die Umwidmung einzelner Räume einer Wohnung vor, wozu noch komme, dass eine Arztordination eine typische Nebennutzung einer Wohnung darstelle, die mit dem Wohnzweck vereinbar sei. Es lägen daher die Voraussetzungen des Anzeigeverfahrens vor, weshalb gemäß § 134 Abs. 5 BauO für Wien nur der Bauwerber, nicht aber der Liegenschaftseigentümer Partei sei. Mangels Parteistellung sei die Berufung des Liegenschaftseigentümers unzulässig gewesen.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Parteistellung im Bauverfahren verletzt; sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 62 Abs. 1 Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 34/1992 (BO), ist bei Bauführungen innerhalb von Wohnungen oder Betriebseinheiten, die nicht von Einfluss auf die statischen Verhältnisse des Hauses oder der baulichen Anlage sind, weder eine Änderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes oder der baulichen Anlage bewirken noch gemeinsame Teile des Hauses, der baulichen Anlage oder der Liegenschaft in Anspruch nehmen noch die Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume, Büroräume, Verkaufsräume, Versammlungsräume, Gaststätten und Räume mit ähnlicher Funktion sowie Lagerräume betreffen, vor Beginn die Kenntnisnahme einer Bauanzeige zu erwirken. Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung hat die Kenntnisnahme einer Bauanzeige innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Einlangen bei der Behörde mit schriftlichem Bescheid zu erfolgen oder ist mit schriftlichem Bescheid zu verweigern, wenn die zur Anzeige gebrachten Baumaßnahmen nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen oder Gründe dafür sprechen, dass die Baumaßnahmen einer Baubewilligung bedürfen.
Gemäß § 134 Abs. 5 BO ist im Verfahren zur Erwirkung der Kenntnisnahme einer Bauanzeige der Bauwerber Partei.
Gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO sind u.a. Änderungen von Gebäuden und baulichen Anlagen bewilligungspflichtig, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hätte das Vorhaben einer Baubewilligung im Sinne des § 60 BO bedurft, weil sich schon aus § 62 Abs. 1 BO ergebe, dass diese Bestimmung auch für die Umwidmung einzelner Räume keine Anwendung finde, sodass nicht zwischen der Umwidmung einzelner Wohnräume und der Umwidmung ganzer Wohnungen zu unterscheiden sei.
Die vom Anzeigeverfahren ausgenommene "Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume" fand sich bereits in der durch die gegenständliche Novelle außer Kraft gesetzten Bestimmung des § 63 Abs. 1 lit. c BO in der Fassung LGBl. Nr. 28/1987: Danach war im Falle des Wohnungseigentums die Zustimmung der Miteigentümer zu einem Bauvorhaben nicht erforderlich, wenn das Bauvorhaben nicht von Einfluss auf die statischen Verhältnisse des Hauses oder der baulichen Anlage war, oder wenn es weder eine Änderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes oder der baulichen Anlage bewirkte noch gemeinsame Teile des Hauses, der baulichen Anlage oder der Liegenschaft in Anspruch nahm noch die Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume, Büroräume, Verkaufsräume, Versammlungsräume, Gaststätten und Räume mit ähnlicher Funktion sowie Lagerräume betraf.
Zu dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift richtig aufgezeigt hat, im Erkenntnis vom , Zl. 88/05/0264, ausgeführt, dass die Umwidmung einzelner Räume einer Wohnung, ohne dass diese als solche verloren ginge, nicht der Umwidmung "von Wohnungen", also des gesamten Objektes gleichgehalten werden kann. Damit gelangte der Verwaltungsgerichtshof nach der damaligen Rechtslage zum Ergebnis, dass in einem solchen Fall keine Parteistellung der anderen Wohnungseigentümer, und damit auch nicht das Erfordernis ihrer Zustimmung bestand.
Es besteht kein Anlass, das Merkmal "Umwidmung von Wohnungen" im Rahmen des § 62 Abs. 1 BO anders auszulegen. Wenn die Verwendung von weit weniger als der Hälfte der Wohnnutzfläche (hier 82 m2 von 219 m2) geändert werden soll, kann von einer Umwidmung der Wohnung noch keine Rede sein. Dazu kommt im Beschwerdefall, dass es sich um eine Ordination handelt; die belangte Behörde verweist zu Recht auf § 6 Abs. 17 BO (in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 28/1987), wonach ein Aufenthaltsraum auch dann als Wohnung oder Teil einer Wohnung verwendet wird, wenn in ihm auch Tätigkeiten ausgeübt werden, die zwar nicht unmittelbar Wohnzwecken dienen, jedoch üblicherweise in Wohnungen ausgeübt werden; diese Bestimmung findet sich nunmehr in § 7a Abs. 3 zweiter Satz BO. Die Erläuternden Bemerkungen zur Novelle LGBl. Nr. 28/1987 (wiedergegeben bei Geuder/Hauer, Das Wiener Baurecht3, 73) zählen u.a. Arztordinationen als in Verbindung mit einer Wohnung miterfasst auf. Auch das spricht dafür, dass bei einer teilweisen Veränderung einer Wohnung durch Einrichtung einer Arztordination von einer Umwidmung von Wohnungen im Sinne des § 62 Abs. 1 BO keine Rede sein kann.
Die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Qualifikation als "Großordination" kann bei einer Zahnarztpraxis auf einer Nutzfläche von 82 m2 nicht nachvollzogen werden; entscheidend ist, dass hier der Rahmen einer üblicherweise in einer Wohnung ausgeübten Arztpraxis keineswegs gesprengt wird und nur Teile einer Wohnung betroffen sind.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 95/05/0180, ausgeführt, dass dann, wenn die Baubehörden zu Unrecht das Vorliegen einer bloß anzeigepflichtigen Baumaßnahme annehmen, im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung dem Eigentümer in dem Verfahren, in dem dann zu Unrecht ein Bescheid gemäß § 62 Abs. 4 BO ergangen ist, Parteistellung einzuräumen ist, wenn das Verfahren ein gemäß § 60 BO bewilligungspflichtiges Bauvorhaben betrifft. Hier liegt aber ein solches bewilligungspflichtiges Bauvorhaben nicht vor, sodass die belangte Behörde in Anwendung des § 134 Abs. 5 BO zu Recht die Parteistellung der Beschwerdeführerin verneint hat. Mangels Legitimation war ihre Berufung nicht zulässig; die gegen die Zurückweisung der Berufung gerichtete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der pauschalierte Aufwandersatz deckt auch die Umsatzsteuer.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 15397 A/2000 |
Schlagworte | Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2000:1996050133.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAE-47907