zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 28.01.1994, 93/11/0035

VwGH vom 28.01.1994, 93/11/0035

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerden des J in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen 1. den Bescheid des UVS des Landes Salzburg vom , Zl. UVS-6/6/4-1991, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde, 2. den Bescheid des UVS des Landes Salzburg vom , Zl. UVS-6/7/6-1991, betreffend Abweisung einer Maßnahmenbeschwerde, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der erstangefochtene Bescheid wird, soweit er die zwangsweise Einlieferung des Beschwerdeführers in die Landesnervenklinik Salzburg betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2. Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

3. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 22.960,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer gegen die Bundespolizeidirektion Salzburg gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am in Form seiner zwangsweisen Einlieferung und Anhaltung in der Beobachtungsstation der Psychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik Salzburg. Er beantragte, "die Beschränkung der Bewegungsfreiheit (Einweisung, Einlieferung, Anhaltung in der Anstalt) zwischen 15.30 Uhr bis zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Anstalt (Erstellung der fachärztlichen Zeugnisse gemäß § 10 UbG)" für rechtswidrig zu erklären. Die Beschwerde wurde mit dem erstangefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof trat die dagegen erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluß vom , B 1435/91, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet. Der Beschwerdeführer hat darauf mit einem Schriftsatz repliziert.

2. Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer gegen die Bundespolizeidirektion Salzburg gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am in Form seiner zwangsweisen Einlieferung in die geschlossene Beobachtungsstation der Psychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik Salzburg. Er beantragte, diese Maßnahme für rechtswidrig zu erklären. Die Beschwerde wurde mit dem zweitangefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof trat die dagegen erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluß vom , B 567/92, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

1. Zu Beschwerde Zl. 93/11/0035

Die belangte Behörde begründete die Zurückweisung der Beschwerde mit dem Mangel ihrer Zuständigkeit zu deren Behandlung. Die bekämpften Maßnahmen der Einlieferung und Anhaltung seien zwar als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren. Die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates sei aber - so wie bisher die Zuständigkeit der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zur Entscheidung über derartige Beschwerden nach Art. 131a und 144 Abs. 1 B-VG - jedenfalls dann nicht gegeben, wenn eine besondere Zuständigkeit einer anderen Behörde bestehe. Dies treffe im vorliegenden Fall zu, da zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Unterbringung ein gerichtliches Verfahren nach dem Unterbringungsgesetz (UbG), BGBl. Nr. 155/1990, vorgesehen sei, welches auch durchgeführt worden sei. Teil dieses Verfahrens sei auch die Bescheinigung des Polizeiarztes über das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen sowie die Verbringung in die Anstalt. Die Untersuchung durch den Polizeiarzt beziehe sich auf genau jenen Gegenstand (nämlich das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 3 UbG), über den schließlich mit Beschluß des Gerichtes abgesprochen werde.

In der Gegenschrift an den Verfassungsgerichtshof präzisierte die belangte Behörde ihre Rechtsansicht dahin, eine Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat gegen die zwangsweise Verbringung einer Person in eine Krankenanstalt für Psychiatrie sei nur dann zulässig, wenn in der Folge nicht durch das Gericht über die Zulässigkeit der Unterbringung abgesprochen werde. Andernfalls würde das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen nach § 3 UbG, die für die Einlieferung wie auch für die Unterbringung selbst gälten, ohnedies durch das Gericht geprüft.

Der Beschwerdeführer steht demgegenüber auf dem Standpunkt, die gerichtliche Prüfungsbefugnis erstrecke sich ausschließlich auf die Zulässigkeit der Unterbringung in der Anstalt selbst. Bevor die Anstalt eine Person aufnehme, d.h. unterbringe, liege noch gar keine Unterbringung vor. Dies gelte umso mehr für die vorangehenden sicherheitspolizeilichen Maßnahmen. Daß die materiellen Voraussetzungen für die sicherheitsbehördliche Einlieferung (§§ 8, 9 UbG) dieselben seien wie für die Unterbringung in der Anstalt (§ 10 UbG), bedeute nicht, daß deshalb mit dem gerichtlichen Ausspruch über die Zulässigkeit der Unterbringung zugleich auch über die Zulässigkeit der Einlieferung abgesprochen werde, zumal für diese noch andere (formelle) Voraussetzungen bestünden. Aus der Zulässigkeit der Unterbringung folge daher nicht automatisch die Zulässigkeit der Einlieferung in die Anstalt. Da im übrigen die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in ihrer Rechtsprechung die Zulässigkeit von Beschwerden gegen die zwangsweise Einlieferung in eine psychiatrische Krankenanstalt durchgehend bejaht hätten, sei nicht einzusehen, weshalb in diesen Fällen nunmehr Beschwerden an die unabhängigen Verwaltungssenate nicht zulässig sein sollten. Die maßgebliche Rechtslage habe insofern keine Änderung erfahren.

Nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes. Dieser Regelung entspricht die Bestimmung des § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG. Mit dem Inkrafttreten dieser Regelung am ging die bisherige Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über derartige Beschwerden auf die unabhängigen Verwaltungssenate über. Da sich die Zuständigkeit mit der der früher zuständigen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts deckt, ist deren Rechtsprechung für die Zuständigkeit der UVS weiterhin von Bedeutung.

Beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. 8180, und vom , Slg. 11784, und des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 12302/A, und vom , Zl. 85/01/0094) Beschwerden gegen die zwangsweise Einlieferung in psychiatrische Krankenanstalten zugelassen. Die Prüfung der Zulässigkeit der Anhaltung in psychiatrischen Krankenanstalten oblag nach den Bestimmungen der Entmündigungsordnung, RGBl. Nr. 207/1916, den Bezirksgerichten. Sie hatten gemäß § 22 leg. cit. über die Zulässigkeit der "weiteren Anhaltung" zu entscheiden. Dabei kam es mittelbar auch zu einer Prüfung der materiellen Voraussetzungen für die zwangsweise Einlieferung gemäß § 49 KAG (Geisteskrankheit sowie Selbst- oder Gemeingefährlichkeit; vgl. Kopetzki, Rechtsfragen des Anhalteverfahrens, ÖJZ 1988, 232 mit weiteren Nachweisen). Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben daraus dennoch nicht die Konsequenz gezogen, daß ihnen in derartigen Fällen die Zuständigkeit zur Prüfung der der zwangsweisen Anhaltung in der Anstalt vorangegangenen sicherheitspolizeilichen Maßnahmen fehle. Es besteht auf dem Boden der durch das Unterbringungsgesetz geschaffenen Rechtslage kein Grund, die Überprüfung der der Anhaltung in der Anstalt vorangegangenen polizeilichen Zwangsmaßnahmen (zwangsweise Verbringung zu einem Arzt und in die Krankenanstalt - §§ 8 und 9 UbG) durch die unabhängigen Verwaltungssenate nur dann für zulässig zu erachten, wenn es zu keiner Unterbringung kommt. Bei der Aufnahme einer Person ohne Verlangen in eine Anstalt (§§ 10, 11 UbG) bildet gemäß § 18 UbG den Gegenstand des gerichtlichen Prüfverfahrens die Zulässigkeit der "Unterbringung" des Kranken in der Anstalt. Die gerichtliche Kontrollbefugnis erstreckt sich somit nicht auch auf die der Unterbringung vorangegangenen sicherheitsbehördlichen Maßnahmen. Diese fallen entgegen der Ansicht der belangten Behörde jedenfalls in die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate (vgl. Kopetzki, Unterbringungsgesetz (Wien 1991) Rz 554; Hopf-Aigner, Unterbringungsgesetz, S. 33 Anm. 7. Nunmehr sieht das Sicherheitspolizeigesetz ausdrücklich die Bekämpfbarkeit dieser Akte vor den unabhängigen Verwaltungssenaten vor - § 88 Abs. 1 in Verbindung mit § 46).

Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde an die belangte Behörde ausdrücklich auch seine zwangsweise ANHALTUNG in der Landesnervenklinik Salzburg von der Einlieferung am bis zur fachärztlichen Untersuchung am bekämpft. Es handle sich dabei (noch) nicht um eine Unterbringung im Sinne des Unterbringungsgesetzes, weshalb seine Anhaltung in diesem Zeitraum nicht der Anstalt, sondern der Bundespolizeidirektion Salzburg zuzurechnen und damit bei der belangten Behörde bekämpfbar sei. Damit stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit die zwangsweise Anhaltung in einer psychiatrischen Anstalt selbst mit Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG bekämpft werden kann.

Bei der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelt es sich um ein SUBSIDIÄRES Rechtsmittel (vgl. Funk, Von der "faktischen Amtshandlung" zum "verfahrensfreien Verwaltungsakt", ZfV 1987, 628). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dienen die Regelungen über die sogenannte Maßnahmenbeschwerde nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechtes (vgl. z.B. den Beschluß vom , Slg. 9439/A, und das Erkenntnis vom , Zl. 92/01/0712. Mit diesem Erkenntnis hat der Gerichtshof seine diesbezügliche Rechtsprechung auf die Regelung des § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG übertragen). Aus dieser Rechtslage folgt hinsichtlich von Maßnahmen nach dem Unterbringungsgesetz die Unzulässigkeit von Maßnahmenbeschwerden nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gegen Anstaltsakte - unbeschadet der Frage, ob sie überhaupt als Ausübung behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen sind - jedenfalls insoweit, als dagegen ein Rechtsmittel an das Gericht zur Verfügung steht (in diesem Sinne auch Kopetzki aaO Rz 554; ).

Gemäß § 10 Abs. 1 UbG haben bei einer Unterbringung ohne Verlangen der Abteilungsleiter und ein weiterer Facharzt die betroffene Person unverzüglich zu untersuchen. Sie darf nur aufgenommen werden, wenn nach übereinstimmenden, unabhängig voneinander erstellten ärztlichen Zeugnissen die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. Die Prüfung der Zulässigkeit der Unterbringung in der Anstalt obliegt gemäß § 18 UbG dem Gericht. Nach dem Klammerausdruck in § 2 UbG umfaßt der Begriff Unterbringung sowohl die Anhaltung einer Person im geschlossenen Bereich einer Krankenanstalt oder einer Abteilung für Psychiatrie wie auch sonstige Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit. Darunter fallen nach § 33 Abs. 3 UbG Beschränkungen der Bewegungsfreiheit auf einen Raum oder innerhalb eines Raumes. Das bedeutet, daß eine Unterbringung im Sinne des Unterbringungsgesetzes vorliegt, sobald eine in eine Anstalt eingelieferte Person durch Anstaltspersonal Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen wird (vgl. Kopetzki aaO Rz 496). Ab diesem Zeitpunkt ist sie im Sinne des § 1 Abs. 1 UbG in die Krankenanstalt "aufgenommen". § 10 Abs. 1 zweiter Satz UbG, der von der Aufnahme NACH Erstellung zweier ärztlicher Zeugnisse spricht, steht dem nicht entgegen. Da deren Erstellung UNVERZÜGLICH zu erfolgen hat, steht - bei gesetzmäßigem Vorgehen - der Beginn der mit der "Aufnahme" verbundenen Einschränkung der Bewegungsfreiheit praktisch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Einlieferung des Betreffenden in die Anstalt. Nur dieses Verständnis trägt dem deklarierten Ziel des Unterbringungsgesetzes, die Persönlichkeitsrechte psychisch Kranker, die in eine Krankenanstalt aufgenommen werden, besonders zu schützen (§ 1 Abs. 1), ausreichend Rechnung. Andernfalls hätte es eine Krankenanstalt in der Hand, mit der "Aufnahme" einer eingelieferten Person - trotz ihrer faktischen Anhaltung in der Anstalt - zuzuwarten und damit das Einsetzen des mit der Aufnahme bzw. Unterbringung verbundenen besonderen Rechtsschutzes (siehe insbesondere die §§ 10 Abs. 3, 14, 19 Abs. 1 UbG) hinauszuschieben.

Im vorliegenden Fall folgt daraus, daß auch in Ansehung der behaupteten Anhaltung in der Zeit zwischen der Einlieferung des Beschwerdeführers in die Landesnervenklinik am und der fachärztlichen Untersuchung am eine Unterbringung im Sinne des Unterbringungsgesetzes vorliegt.

Nach § 18 UbG hat über die Zulässigkeit der Unterbringung des Kranken in den Fällen der §§ 10 und 11 das Gericht nach Prüfung der Voraussetzungen der Unterbringung zu entscheiden. Im Falle der Aufnahme einer Person ohne Verlangen hat gemäß § 17 UbG der Abteilungsleiter hievon unverzüglich das Gericht zu verständigen. Nach § 14 Abs. 1 UbG wird mit der Aufnahme eines ohne Verlangen untergebrachten Kranken der Patientenanwalt kraft Gesetzes dessen Vertreter für das in diesem Bundesgesetz vorgesehene gerichtliche Verfahren und zur Wahrnehmung der insbesondere in den §§ 33 bis 39 verankerten Rechte. Nach § 19 Abs. 1 UbG hat sich das Gericht binnen vier Tagen ab Kenntnis von der Unterbringung einen persönlichen Eindruck vom Kranken in der Anstalt zu verschaffen. Nach § 30 UbG haben die Gerichte die Zulässigkeit der Unterbringung nach Ablauf der festgesetzten Frist erneut zu prüfen. Den Gerichten kommt schließlich auch die Kontrolle der Zulässigkeit der in den §§ 33, 34 und 35 UbG geregelten Beschränkungen und der ärztlichen Behandlung von Kranken zu.

Aus diesen Regelungen ergibt sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Prüfung der im Unterbringungsgesetz geregelten Zwangsakte in Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie. Der Gesetzgeber hat insoweit von der in Art. 6 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988 (PersFrG), vorgesehenen Alternative - Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges einer festgenommenen oder angehaltenen Person "durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde" - im Sinne der erstgenannten Möglichkeit Gebrauch gemacht. Der Verwaltungsgerichtshof hegt schon deshalb gegen die in Rede stehende Regelung unter dem Blickwinkel des Art. 94 B-VG keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Eine Einschränkung der Prüfbefugnis der ordentlichen Gerichte in Ansehung von Maßnahmen nach dem Unterbringungsgesetz in zeitlicher Hinsicht ist diesem Gesetz nicht zu entnehmen.

Aus der umfassenden Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Prüfung der Zulässigkeit einer Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz folgt die Unzuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate zur Prüfung einer solchen Maßnahme. Die belangte Behörde hat daher zu Recht ihre Zuständigkeit zur Prüfung der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Landesnervenklinik Salzburg von seiner Einlieferung am bis zur fachärztlichen Untersuchung am verneint. Die Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig ist insoweit Rechtens.

Aus diesen Erwägungen war der erstangefochtene Bescheid, soweit er die der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Anstalt vorangegangenen sicherheitsbehördlichen Maßnahmen (die zwangsweise Einlieferung an sich) zum Gegenstand hat, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Zu Beschwerde Zl. 93/11/0036

Die belangte Behörde nahm an, der in der Landesnervenklinik Salzburg als Patient im Sinne des Unterbringungsgesetzes untergebrachte Beschwerdeführer sei am Nachmittag des eigenmächtig und ohne Wissen des Arztes und des Stationspersonals in seine Wohnung zurückgekehrt. Daraufhin sei vom ärztlichen Hauptdienst der Landesnervenklinik seine Rückbringung in die Anstalt im Wege einer polizeilichen Assistenzleistung veranlaßt worden. Seine Unterbringung in der Landesnervenklinik sei erst zu einem späteren Zeitpunkt vom Landesgericht Salzburg für unzulässig erklärt worden. In rechtlicher Hinsicht wertete die belangte Behörde die eigenmächtige Entfernung des Beschwerdeführers aus der Anstalt dahin, daß damit seine Unterbringung nur faktisch, nicht jedoch rechtlich beendet gewesen sei. Das Unterbringungsgesetz kenne nur zwei Formen der Aufhebung der Unterbringung, nämlich die gerichtliche Unzulässigerklärung und die Aufhebung durch den Abteilungsleiter. Keine dieser beiden Varianten habe im vorliegenden Fall zugetroffen, sodaß weiterhin von der aufrechten Unterbringung des Beschwerdeführers in der Anstalt auszugehen gewesen sei. Die Landesnervenklinik sei im Sinne der Intentionen des § 37 Abs. 2 KAG verpflichtet gewesen, die Wiederherstellung des gebotenen rechtlichen Zustandes zu veranlassen. So gesehen hätten die Organe der Bundespolizeidirektion Salzburg die Freiheit des Beschwerdeführers gar nicht eingeschränkt, sondern nur den rechtlich gebotenen Zustand im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Z. 4 PersFrG wiederhergestellt.

Der Beschwerdeführer erblickt die behauptete Rechtswidrigkeit seiner zwangsweisen Einlieferung am darin, daß entgegen den Bestimmungen der §§ 8 und 9 UbG keine ärztliche Bescheinigung vorgelegen sei, obwohl mangels Gefahr im Verzug die Voraussetzungen für eine unmittelbare Einlieferung gemäß § 9 Abs. 2 UbG nicht gegeben gewesen seien. Ebensowenig seien die Voraussetzungen des Art. II § 4 Abs. 2 ÜG 1929 vorgelegen. Aus Art. 2 Abs. 1 Z. 4 PersFrG lasse sich keine unmittelbare Handlungsbefugnis der Bundespolizeibehörden für Maßnahmen der gegenständlichen Art ableiten. Da sich für die bekämpfte Maßnahme auch sonst keine Rechtsgrundlage finde, hätte sie für rechtswidrig erklärt werden müssen.

Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde war die Unterbringung des Beschwerdeführers in der Landesnervenklinik Salzburg am weder durch das Gericht für unzulässig erklärt noch vom Abteilungsleiter aufgehoben (§ 32 UbG). Unbestritten ist ferner, daß der Beschwerdeführer am Nachmittag des , nachdem er sich aus der Anstalt (nach seiner Darstellung aus Anlaß eines ihm gewährten Ausgangs) entfernt hatte, nicht wieder in diese zurückgekehrt war und daß seiner zwangsweisen Wiedereinlieferung ein diesbezügliches Ersuchen des ärztlichen Hauptdienstes der Anstalt zu Grunde lag.

Eine Unterbringung im Sinne des Unterbringungsgesetzes (die gegenständlichen Ausführungen haben fallbezogen nur die Unterbringung ohne Verlangen im Sinne des § 8 zum Gegenstand) ist zum einen ein Faktum, nämlich die tatsächliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit einer Person (§ 2). Sie ist zum anderen auch ein rechtlich gebotener Zustand, und zwar - wie aus § 3 Z. 1 UbG in Verbindung mit der korrespondierenden Grundsatzbestimmung des § 37 KAG erhellt - im Interesse der nötigen Abwehr der im Zusammenhang mit einer psychischen Krankheit stehenden Gefahren für das Leben oder die Gesundheit des Kranken oder anderer Personen. Diesen Zustand für die Dauer des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen aufrechtzuerhalten, ist Aufgabe der jeweiligen Anstalt (siehe die §§ 10, 11 und 32 UbG).

Nach dem Unterbringungsgesetz wird eine Unterbringung durch ihre (formlose) Aufhebung beendet, sei es nach der Erklärung ihrer Unzulässigkeit durch das Gericht (§ 29 Abs. 3), sei es ohne eine solche Erklärung bei Wegfall der Voraussetzungen für die Unterbringung (§ 32). Eine Unterbringung endet demnach nicht schon mit dem Entweichen des Untergebrachten aus der Anstalt. Vielmehr hat in diesem Falle die Anstalt entsprechend der ihr übertragenen Aufgabe darauf hinzuwirken, daß der durch das Entweichen geschaffene rechtswidrige Zustand im Interesse der geboteten Gefahrenabwehr so rasch wie möglich beendet wird. Dabei macht es keinen rechtlich relevanten Unterschied, ob der untergebrachte Kranke aus einem nicht geschlossenen Bereich innerhalb der betreffenden Anstalt oder aber von außerhalb der Anstalt in den geschlossenen Bereich zurückgebracht wird. Beides ist im Hinblick auf die Sicherungsaufgabe der Anstalt durch die ihr eingeräumte Ermächtigung gedeckt. Diese erfaßt mangels einer Unterscheidung im Gesetz die zur Aufrechterhaltung einer Unterbringung notwendigen Maßnahmen innerhalb der Anstalt wie auch die zu ihrer Wiederherstellung im Falle des Entweichens eines Untergebrachten. Der im vorliegenden Zusammenhang relevante Unterschied besteht lediglich darin, daß die Anstalt bei der Rückbringung eines aus der Anstalt entwichenen Untergebrachten in der Regel auf die Mithilfe der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes angewiesen ist. Gegen deren Mitwirkung bestehen im gegebenen Zusammenhang keine rechtlichen Bedenken. Der vom Beschwerdeführer vermißten ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung hiezu bedarf es schon deshalb nicht, weil sich aus der in den §§ 8 ff UbG normierten Ermächtigung zur zwangsweisen (erstmaligen) Verbringung in eine Anstalt kraft Größenschlusses auch die Ermächtigung ergibt, entwichene Untergebrachte über Ersuchen der betreffenden Anstalt wieder in diese zurückzubringen. Der Einwand des Beschwerdeführers, der um Amtshilfe ersuchenden Anstalt fehle die konkrete Zuständigkeit hiefür, kann im Hinblick auf ihre vorhin dargelegte Sicherungsaufgabe, die in derartigen Fällen notwendig die Wiedereinbringung des entwichenen Untergebrachten erfordert, nicht geteilt werden.

Die Wiedereinbringung über Ersuchen der Anstalt ist als bloße Wiederherstellung des vom Untergebrachten eigenmächtig unterbrochenen rechtlich gebotenen Zustandes keine Verbringung in die Anstalt im Sinne des § 8 UbG. Sie unterliegt daher nicht den Regelungen der §§ 8 ff UbG. Die gegenteilige Ansicht des Beschwerdeführers (und auch Kopetzkis - aaO Rz 196) läßt den besagten spezifischen Charakter einer Wiedereinbringung über Ersuchen der Anstalt außer acht. Diese Maßnahme ist, weil über Ersuchen der Anstalt vorgenommen, der Anstalt zuzurechnen und unterliegt so wie jede andere als Unterbringung zu wertende freiheitseinschränkende Maßnahme der Anstalt der gerichtlichen Kontrolle. Dies schließt im Sinne der obigen Darlegungen zur Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate deren Zuständigkeit zur Überprüfung derartiger Maßnahmen aus.

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß der belangten Behörde die Berechtigung zur meritorischen Entscheidung über die Beschwerde gegen die Wiedereinbringung des Beschwerdeführer am fehlte. Da sie über diese Beschwerde meritorisch abgesprochen hat, statt sie zurückzuweisen, hat die belangte Behörde den zweitangefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.