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VwGH vom 11.04.1991, 90/06/0156

VwGH vom 11.04.1991, 90/06/0156

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve-550-1523/13, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom hatte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde gemäß § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung der Beschwerdeführerin den Abbruch ohne Bewilligung errichteter baulicher Anlagen angedroht. Am erging der Abbruchbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde. Die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin wies der Stadtsenat der mitbeteiligten Stadtgemeinde nach Durchführung ergänzender Ermittlungen mit Bescheid vom als unbegründet ab und konkretisierte dabei die zu beseitigenden baulichen Anlagen, nämlich 10 Stände zur Unterbringung von Tieren, die aus Holz hergestellte Decke über dem Stallraum und die mit Rigips verkleidete Trennwand aus Holz, welche den Stallraum gegenüber dem Stadel abgrenze. Die dagegen eingebrachte Vorstellung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom als unbegründet ab. Dieser Bescheid blieb nach der Aktenlage unangefochten.

Mit einem am bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingelangten Ansuchen beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung der Baubewilligung für die Umgestaltung eines bestehenden Stall- Stadelobjektes auf dem Grundstück Nr. 1607/2, KG X. Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde unter I. das Ansuchen vom gemäß § 31 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung ab. Unter II. wurde aufgetragen:

"Die zwischenzeitlich im Gebäude auf Gp. 1607/2 wieder untergebrachten Pferde sind unverzüglich zu entfernen. Hinsichtlich des Spruchteiles II. wird gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen."

Mit Berufungsbescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde der Spruchteil II. des Bescheides vom insoweit abgeändert, als ausgesprochen wurde, daß gemäß § 43 Abs. 3 TBO die Benützung des gegenständlichen Gebäudes auf der Gp. 1607/2 KG als Stall untersagt werde und die dort befindlichen Tiere innerhalb von vier Wochen nach Rechtskraft des Bescheides zu entfernen seien. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 43 Abs. 3 TBO sei u.a. die Benützung einer baulichen Anlage zu untersagen, wenn eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Benützungsbewilligung benützt oder eine bauliche Anlage zu einem anderen als dem bewilligten Verwendungszweck, bei baulichen Anlagen, die nach früheren baurechtlichen Vorschriften errichtet wurden, zu einem anderen als dem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck benützt werde und die Bewilligung nach § 25 lit. d bzw. § 56 Abs. 7 TBO nicht vorliege. Die Baubewilligung für die Umbauarbeiten im Gebäude auf Gp. 1607/2 habe bereits in einem abgeführten Verfahren wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan versagt werden müssen. Da die Benützung des Gebäudes als Stall mangels einer Baubewilligung unzulässig sei, sei die Untersagung der Benützung und als Folge davon die Entfernung der Tiere auszusprechen.

Die dagegen eingebrachte Vorstellung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom ab. Begründend führte die Gemeindeaufsichtsbehörde aus, die gegenständliche Rechtsfrage sei unter Zugrundelegung der Bestimmung des § 43 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung zu lösen. Im vorliegenden Fall könne unbestritten festgestellt werden, daß die mit dem Bauansuchen der Beschwerdeführerin vom beantragten baubewilligungspflichtigen Maßnahmen zur "Sanierung" bzw. "Umgestaltung" eines Altbestandes zum Zwecke der Errichtung eines Pferdestalles keine baubehördliche Genehmigung erfahren hätten. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde habe vielmehr das Bauansuchen mit Bescheid vom abgewiesen, eine Entscheidung, die mit dem Berufungsbescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom in Rechtskraft erwachsen und nach wie vor rechtskräftig aufrecht sei. Folglich habe diese bewilligungspflichtige bauliche Anlage im Sinne des § 43 Abs. 3 TBO auch keine Benützungsbewilligung und werde der zum Pferdestall ausgebaute Altbestand ohne Benützungsbewilligung benützt. Damit werde aber bereits der Tatbestand des § 43 Abs. 3 TBO für die behördliche Untersagung der weiteren Benützung der baulichen Anlage erfüllt. Die umfangreiche und immer wiederkehrende Argumentation der Beschwerdeführerin, daß der Altbestand früher ja (auch) bereits der Tierhaltung gedient habe und daß deshalb nun nach der baulichen "Sanierung" des Altbestandes das Gebäude wohl auch der Pferdehaltung dienen dürfte, gehe damit an der Rechtslage vorbei.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof hat dieser mit Beschluß vom , Zl. B 788/90-6, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde wird (sinngemäß) Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten und eine Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950, hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 leg. cit. erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. "Sache" des Berufungsverfahrens ist nur der Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, soweit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten wurde. Die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde berechtigt diese daher nur dazu, den erstinstanzlichen Bescheid im Rahmen der mit der Berufung bekämpften Punkte einer Abänderung zu unterziehen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 7959/A, vom , Zlen. 1131, 1133/80, u.a.). Insbesondere ist die Berufungsbehörde auch nicht berechtigt, zusätzlich zu einem in erster Instanz erteilten Auftrag einen vom ersten Auftrag trennbaren weiteren Auftrag zu erteilen (Erkenntnis vom , Zl. 1085/69, sowie das bereits zitierte Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 7959/A).

Mit dem Spruchteil II. des Bescheides vom hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Beschwerdeführerin lediglich den Auftrag erteilt, die zwischenzeitlich im Gebäude auf Gp. 1607/2 wieder untergebrachten Pferde unverzüglich zu entfernen. Die Berufungsbehörde hat den Auftrag dahingehend abgeändert, daß gemäß § 43 Abs. 3 TBO die Benützung des gegenständlichen Gebäudes auf Gp. 1607/2 KG X als Stall untersagt wurde und die dort befindlichen Tiere innerhalb von vier Wochen nach Rechtskraft des Bescheides zu entfernen seien. Mit dem erstinstanzlichen Auftrag wurde die Benützung des gegenständlichen Gebäudes als Stall nicht schlechthin untersagt, es wurde lediglich der Auftrag erteilt, die dort befindlichen Pferde zu entfernen. Der Auftrag der Berufungsbehörde war wesentlich weiter gefaßt, da er generell die Benützung des gegenständlichen Gebäudes als Stall untersagte und die Entfernung aller dort befindlichen Tiere anordnete. Damit hat aber die Berufungsbehörde den durch den Spruch des bekämpften Bescheides in Verbindung mit dem erhobenen Rechtsmittel abgesteckten Bereich der "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 überschritten und somit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zukam. Da die Gemeindeaufsichtsbehörde diesen Mangel nicht erkannte, belastete sie schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid ist aber noch mit einer weiteren inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

Die belangte Behörde ging der Begründung ihres Bescheides zufolge davon aus, daß für die mit dem Ansuchen der Beschwerdeführerin vom beantragten baubewilligungspflichtigen Maßnahmen zur "Sanierung" bzw. "Umgestaltung" eines Altbestandes keine (nachträgliche) Baubewilligung erteilt wurde. Liegt aber für eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage nicht einmal die erforderliche Baubewilligung vor, so kommen nur mehr Aufträge gemäß § 44 Abs. 3, 4 oder 5 TBO in Betracht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 86/05/0113, AW 86/05/0045, und vom , Zl. 85/05/0158, BauSlg. Nr. 622), weil bei Fehlen einer erforderlichen Baubewilligung der Abbruch der baulichen Anlage bzw. die konsensgemäße Wiederherstellung dieser baulichen Anlage aufzutragen und nicht - nur - die Benützung zu untersagen ist. Ein solcher in Rechtskraft erwachsener Abbruchbescheid liegt nach der Aktenlage vor. Damit ist aber nicht überdies mit einer Untersagung der weiteren Benützung des konsenslosen Objektes vorzugehen, sondern die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens zur Durchführung des Abbruchs zu veranlassen. Der Vollstreckungsbehörde wird es dann obliegen, alle zur Sicherstellung der Vollstreckung der baulichen Abbruchmaßnahmen erforderlichen Verfügungen zu treffen. Sollte die Beschwerdeführerin die in den Stallungen befindlichen Tiere nicht zuvor freiwillig entfernen, wird die Vollstreckungsbehörde gegebenenfalls daher auch den Abtransport und die anderweitige Verwahrung der Tiere auf Kosten und Gefahr der Beschwerdeführerin zu verfügen haben.

Da die belangte Behörde zu Unrecht davon ausging, daß bei Fehlen der erforderlichen Baubewilligung die Benützung ohne Benützungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 TBO untersagt werden kann, belastete sie auch aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da im pauschalierten Aufwandersatz die Umsatzsteuer bereits inbegriffen ist.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.