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VwGH vom 06.11.1990, 90/05/0062

VwGH vom 06.11.1990, 90/05/0062

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 8 BauR1-87/1/1990, betreffend die Aussetzung eines Baubewilligungsverfahrens (mitbeteiligte Parteien: 1) A,

2) Stadtgemeinde Hermagor-Pressegger See, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde das auf Antrag des Beschwerdeführers eingeleitete Baubewilligungsverfahren betreffend die Errichtung einer Terrasse südlich des Objektes P 20 gemäß § 38 AVG 1950 bis zur Entscheidung über den von der Erstmitbeteiligten beim Bezirksgericht Hermagor zur GZ. Nc n/n eingebrachten Antrag auf Einräumung eines Notwegerechtes aus. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß anläßlich der durchgeführten Verhandlung von der Erstmitbeteiligten ein im Grundbuch nicht ersichtlich gemachtes Gehrecht sowie von einer weiteren Partei ein landwirtschaftliches Bringungsrecht behauptet worden sei. Von der Erstmitbeteiligten sei nun beim Bezirksgericht Hermagor zur genannten Zahl ein Antrag auf Einräumung eines Notwegerechtes eingebracht worden. Da es sich hier um eine Vorfrage handle, die vom Bezirksgericht Hermagor zu entscheiden sei, sei das Baubewilligungsverfahren auszusetzen gewesen.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab der Stadtrat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom keine Folge. Im wesentlichen teilte die Berufungsbehörde die Auffassung der Behörde erster Instanz.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung wies die Kärntner Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, des Wortlautes des § 38 AVG 1950, des § 3 des Notwegegesetzes und des § 18 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung (BO) vertrat die Gemeindeaufsichtsbehörde die Ansicht, daß die Baubehörde die Bewilligung für ein Bauvorhaben nur dann erteilen dürfe, wenn dadurch das Recht eines Servitutsberechtigten nicht beeinträchtigt werde. Unbestritten sei, daß beim Bezirksgericht Hermagor ein Verfahren betreffend die Einräumung eines Notweges anhängig sei. Der Umstand, daß der diesbezügliche Antrag erst nach Einleitung des Baubewilligungsverfahrens gestellt worden ist, stehe einer Aussetzung nach § 38 AVG 1950 nicht entgegen. Dem Beschwerdeführer sei zwar darin beizupflichten, daß gemäß § 18 Abs. 4 BO Einwendungen der Parteien, deren Austragung dem Rechtswege vorbehalten sei, niederschriftlich festzuhalten sind, und solche Einwendungen auf die Entscheidung über den Antrag keinen Einfluß haben. Daraus ergebe sich aber, daß privatrechtliche Einwendungen die Entscheidung der Baubehörde über den Bauantrag, nämlich bezüglich der Frage, ob eine Baubewilligung zu erteilen oder zu versagen sei, insofern nicht beeinflussen können, als diese privatrechtliche Einwendung - sofern bereits bei Gericht anhängig - vorerst im Rechtswege auszutragen sei. Erst nach der Entscheidung des Gerichtes über den Antrag könne die Baubehörde endgültig entscheiden, ob das Bauvorhaben nicht ein Recht des Servitutsberechtigten beeinträchtige. Eine Verweisung auf den Rechtsweg sehe die Kärntner Bauordnung nämlich nicht vor. Es könne nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers durchaus zutreffen, daß ein allfälliger Notweg nicht dort verlaufen muß, wo die gegenständliche Terrasse errichtet werden soll, jedoch sei das gerade die Frage, die vom Gericht zu beurteilen sei. Es sei Aufgabe der Baubehörde, zu prüfen, ob Servitutsberechtigte in ihren Rechten beeinträchtigt werden.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Er erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem ihm nach der Kärntner Bauordnung und dem AVG 1950 zustehenden Recht verletzt, daß das Baugenehmigungsverfahren über seinen Antrag ohne Berücksichtigung unzulässiger Einwendungen und ohne Aussetzung, für welche die Voraussetzungen des § 38 AVG 1950 nicht vorliegen, rasch beendet werde.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der erstmitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften und die Replik des Beschwerdeführers hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 18 der Kärntner Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 48/1969, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 69/1981 lautet:

"(1) Im Verfahren nach §§ 12 bis 15 ist dem Eigentümer, jenen Servitutsberechtigten, deren Recht durch das Vorhaben beeinträchtigt werden könnte, und den Anrainern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

.....

(3) Den Parteien stehen gegen einen Baubewilligungsbescheid die Berufung und die Vorstellung nach den gemeinderechtlichen Vorschriften zu.

(4) Einwendungen der Parteien, deren Austragung dem Rechtsweg vorbehalten ist, hat die Behörde niederschriftlich festzuhalten. Auf die Entscheidung über den Antrag haben solche Einwendungen keinen Einfluß."

Nach § 38 AVG 1950 ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrundezulegen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Unter Berufung auf § 18 Abs. 1 BO vertrat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, daß die Baubehörde die Bewilligung für ein Bauvorhaben dann nicht erteilen dürfe, wenn dadurch das Recht eines Servitutsberechtigten beeinträchtigt wird. Der Verwaltungsgerichtshof teilt nicht die Auffassung der belangten Behörde, daß die Beeinträchtigung eines Servitutsrechtes zu einer Versagung der Baubewilligung führen muß. Schon in seinem Erkenntnis vom , Zl. 89/05/0061, hat der Gerichtshof klargestellt, daß aus § 18 Abs. 1 BO lediglich das Recht des Servitutsberechtigten ableitbar ist, beigezogen zu werden und Einwendungen gegen das Vorhaben zu erheben, ohne daß sie auf die Entscheidung über den Bauantrag von Einfluß wären. Aus § 18 Abs. 4 leg. cit. ergibt sich nämlich, daß solche Einwendungen, deren Austragung dem Rechtsweg vorbehalten ist, lediglich niederschriftlich festzuhalten sind. Schon damals hat der Gerichtshof aus dieser Rechtslage die Folgerung gezogen, daß bei Verletzung des Privatrechtes unter Umständen das bewilligte Vorhaben nicht ausgeführt werden kann, dies aber nicht etwa bedeutet, daß diese Frage im Bauverfahren zu erörtern wäre, weil die Baubehörden lediglich über die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens abzusprechen haben; die Frage, ob der Bauwerber wegen zivilrechtlicher Ansprüche anderer Personen zur Konsumation dieser Baubewilligung gar nicht befugt ist, ist Gegenstand des zivilgerichtlichen Verfahrens. Der Verwaltungsgerichtshof hält an dieser Rechtsanschauung weiterhin fest, zumal § 13 Abs. 1 BO lediglich öffentliche Interessen aufzählt, die der Erteilung einer Baubewilligung entgegenstehen können. Auch § 18 Abs. 1 des Gesetzes räumt den Servitutsberechtigten, deren Recht durch das Vorhaben beeinträchtigt werden könnte, keinen Rechtsanspruch auf Versagung der Baubewilligung ein; es ist ihnen lediglich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Daß die Beeinträchtigung des Rechtes eines Servitutsberechtigten zur Versagung der Baubewilligung führen muß, kann weder dieser Gesetzesstelle, noch einer anderen der hier maßgebenden Rechtsvorschriften entnommen werden. Tatsächlich hat ja auch die Baubehörde im Rahmen des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens ausschließlich die Frage zu beantworten, ob nach den von ihr anzuwendenden Vorschriften das Bauvorhaben in öffentlich-rechtlicher Hinsicht zulässig ist, wie dies auch § 13 Abs. 1 BO umschreibt. Die Frage, ob ein Servitutsrecht durch die Erteilung einer Baubewilligung verletzt wird oder nicht, hat ausschließlich das zuständige Gericht zu entscheiden, nicht aber die Baubehörde; auch der Kärntner Landesgesetzgeber hat in dieser Beziehung nichts Gegenteiliges angeordnet.

Da nach den dargelegten Erwägungen die Baubehörde gar nicht verpflichtet war zu prüfen, ob durch das Vorhaben des Beschwerdeführers ein Servitutsrecht der Erstmitbeteiligten beeinträchtigt wird oder nicht, konnte auch ein beim Bezirksgericht anhängiges Verfahren nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens nach § 38 AVG 1950 führen, weil es sich hiebei gar nicht um eine Vorfrage im Sinne der genannten Gesetzesstelle handelt. Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte unerörtert bleiben, ob ein Verfahren über die Einräumung eines Notwegerechtes einem Verfahren betreffend Verletzung einer Servitut überhaupt gleichzuhalten wäre.

Ausgehend von dieser Beurteilung der Rechtsstellung des Servitutsberechtigten im Baubewilligungsverfahren hätte die Baubehörde trotz der Einwendungen der Erstmitbeteiligten die vom Beschwerdeführer angestrebte Baubewilligung - sofern kein Versagungsgrund nach § 13 Abs. 1 der Bauordnung vorlag - erteilen müssen, unabhängig davon, ob das Bauvorhaben etwa dann deshalb nicht verwirklicht werden kann, weil ein Servitutsrecht oder ein sonstiges Privatrecht der Erstmitbeteiligten dem entgegensteht. Die Austragung eines solchen Rechtsstreites ist im Sinne des § 18 Abs. 4 BO dem Zivilrechtsweg vorbehalten.

Auf Grund der angeführten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Antrag auf Zuerkennung einer den pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden Umsatzsteuer sowie nicht erforderliche Stempelgebühren.