VwGH vom 29.01.2003, 2002/03/0239

VwGH vom 29.01.2003, 2002/03/0239

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des K in Graz, vertreten durch Dr. Willibald Rath, Dr. Manfred Rath, Mag. Gerhard Stingl und Mag. Georg Dieter, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 40.14-2/2002-10, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung der Berufung in einer Angelegenheit betreffend Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes II wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom , mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis vom abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I) und die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom als verspätet zurückgewiesen (Spruchpunkt II).

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, die Erstbehörde habe den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers gegen die Versäumung der Berufungsfrist mit der Begründung abgewiesen, ihr Straferkenntnis sei rechtswirksam zugestellt worden, die Hinterlegungsanzeige sei ordnungsgemäß an der Eingangstüre des Zustellortes zurückgelassen worden und der Beschwerdeführer habe vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen können. Entgegen den Einwendungen des Beschwerdeführers, die Zustellung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt und er habe von der beabsichtigten Zustellung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangt, habe sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zustellvorgänge an der Zustelladresse F-Gasse in Graz wohnhaft gewesen sei, der Postzusteller ihn aber am Zustelltag nicht angetroffen habe. Da der Beschwerdeführer in regelmäßigen Abständen an der Abgabestelle anwesend gewesen sei, habe der Postbeamte die Hinterlegungsanzeige an der Eingangstür in der Weise angebracht, "als er sie vor die Tür gelegt oder zwischen dem Türanschlag und der Tür hineingesteckt" habe. Warum der Beschwerdeführer die Hinterlegungsanzeige nicht vorgefunden habe, sei durch ihn nicht dargetan worden. Es sei daher davon auszugehen, dass das Straferkenntnis der Erstbehörde rechtswirksam zugestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund nicht geltend gemacht; ohne Darlegung von konkreten Umständen sei die Versicherung allein, "nie eine Hinterlegungsanzeige erhalten zu haben", nicht ausreichend, der Antrag sei daher abzuweisen. Demzufolge sei die gegen das am zugestellte erstinstanzliche Straferkenntnis erst am eingebrachte Berufung verspätet.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG in Verbindung mit § 24 VStG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Beschwerdeführer stützt seine Einwendungen gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen darauf, dass der Zustellvorgang hinsichtlich des erstinstanzlichen Straferkenntnisses mangelhaft, rechtsunwirksam und nichtig gewesen sei.

Damit vermag er eine Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht aufzuzeigen: Denn der Beschwerdeführer übersieht, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Versäumung einer Frist bzw. die Versäumung einer mündlichen Verhandlung voraussetzt, wobei - was die Fristversäumnis anlangt - die Behauptung von Zustellmängeln und sohin der nicht rechtswirksamen Zustellung nicht erfolgreich als Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 71 AVG geltend gemacht werden kann, weil bei Zutreffen dieser Behauptung die versäumte Frist noch gar nicht zu laufen begonnen hatte (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/09/0043, vom , Zl. 2001/03/0136, u.v.a.).

Da somit die Behauptung der nicht ordnungsgemäßen Zustellung - wie im vorliegenden Fall - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu rechtfertigen vermag, erweisen sich die Beschwerdebehauptungen, die belangte Behörde habe zum Zustellvorgang nur unzureichende bzw. unvollständige Feststellungen getroffen, als nicht zielführend.

Die Beschwerde war daher, was Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides anlangt, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Im Übrigen ist die Beschwerde jedoch begründet:

Gemäß § 17 Abs. 2 ZustG ist im Falle der Hinterlegung eines Schriftstückes der Empfänger hievon schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Hinterlegung "ordnungsgemäß" erfolgt sei, auch wenn die Hinterlegungsanzeige vor die Tür gelegt oder zwischen Türanschlag und der Tür hineingesteckt worden sei, zumal es im hier in Rede stehenden Haus "keine Briefkästen und keine zentralen Postfächer" gäbe. Damit hat sie jedoch verkannt, dass gemäß § 17 Abs. 2 ZustG im Falle, dass das Einlegen der schriftlichen Verständigung über die Hinterlegung in einen für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten oder das Zurücklassen der Verständigung an der Abgabestelle nicht möglich ist, die Benachrichtigung an der Eingangstüre "anzubringen" ist. Ein ordnungsgemäßes Anbringen liegt jedoch entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht vor, wenn die Hinterlegungsanzeige vor die Tür gelegt oder bloß zwischen Türanschlag und Tür "hineingesteckt" wird, sondern es ist erforderlich, dass sie in diesem Fall an der Tür befestigt, also etwa mittels Klebevignette angeheftet wird (vgl. auch Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht, S. 101, Anm. 24 zu § 17 Abs. 2 ZustG).

Da die belangte Behörde somit in Verkennung der Rechtslage von einer ordnungsgemäßen Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und davon ausgehend einer Verspätung der eingebrachten Berufung ausgegangen ist, erweist sich der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt II als rechtswidrig; er war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001 (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , A 9/01), im Rahmen des gestellten Begehrens.

Wien, am