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VwGH 25.06.1997, 96/01/0242

VwGH 25.06.1997, 96/01/0242

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §69 Abs1 Z2;
RS 1
Bei den im § 69 Abs 1 Z 2 AVG genannten Tatsachen oder Beweismitteln muß es sich um neu hervorgekommene, dh um solche handeln, die bereits zur Zeit des Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden. Die neuen Tatsachen müssen die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen (nova reperta). Neue Beweismittel dürfen nur geltend gemacht werden, wenn die zu beweisende Tatsache im abgeschlossenen Verfahren geltend gemacht wurde, die in Rede stehenden Beweismittel aber erst nach Abschluß des Verfahrens hervorgekommen sind. Neu entstandene Tatsachen (nova causa superveniens), also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluß des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil in diesem Fall einem Antrag auf der Basis des geänderten Sachverhaltes die Rechtskraft des bereits erlassenen Bescheides nicht entgegensteht (Hinweis Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 660 und 698; Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht, Auflage 4, S 604)(hier: Wiederaufnahmsantrag zu Verfahren über die Pflicht zur Rückzahlung von Bauarbeiter Schlechtwetterentschädigungen wegen Zahlung vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds mit der Begründung, dessen Vorschüsse seien in der Folge erstattet worden.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1992/02/20 91/09/0196 1 (hier: AsylG 1991)
Norm
AVG §69 Abs1 litb;
RS 2
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens kann nicht wegen Mangelhaftigkeit des früheren Verfahrens oder wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung des im früheren Verfahren vorgelegten Tatbestandes stattfinden.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0541/50 E VwSlg 2078 A/1951 RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 4.337.616/5-III/13/93, betreffend Wiederaufnahme eines Asylverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde der am gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers - eines kubanischen Staatsangehörigen, der am in das Bundesgebiet eingereist ist - in Erledigung seiner Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 92/01/0811, abgewiesen.

In dem am beim Bundesasylamt eingelangten Wiederaufnahmsantrag brachte der Beschwerdeführer vor, er habe am aus seiner Heimat einen am in der Tschechoslowakei (während seines dortigen Aufenthaltes) ausgestellten Ausweis übersendet erhalten, aus dem sich ergebe, daß er in der Tschechoslowakei für den kubanischen Geheimdienst tätig gewesen sei. Unter dem Gesichtspunkt dieser seiner Tätigkeit wäre sein gesamtes Vorbringen im Asylverfahren anders zu beurteilen gewesen. Unter diesem Aspekt habe er aufgrund seiner regimekritischen Äußerungen und der Tatsache, daß er sich nach Ablauf der Gültigkeitsdauer eines Sichtvermerks weiterhin im Ausland aufgehalten habe, mit der Todesstrafe zu rechnen. Die Tatsache, daß er für den kubanischen Geheimdienst tätig gewesen sei, habe er bereits im Asylverfahren vorgebracht. Aufgrund einer unzureichenden Übersetzung sei dies jedoch nicht aktenkundig. Da er den Ausweis nicht früher erlangen habe können, stelle dieser ein neues Beweismittel dar, welches zur Wiederaufnahme des Verfahrens führen müsse.

Mit Bescheid vom hat die belangte Behörde diesen Antrag abgewiesen.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Im Sinne dieser Gesetzesbestimmung sind "neue Tatsachen" nur solche, die bereits zur Zeit des Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden (vgl. etwa Walter-Mayer, Grundriß des Österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz. 588, und die dort zitierte hg. Judikatur). Da dem Beschwerdeführer die vorgebrachte Aktivität für den kubanischen Geheimdienst nach dem Inhalt des Wiederaufnahmsantrages bereits während seines Asylverfahrens bekannt war, handelt es sich hiebei nicht um eine den Wiederaufnahmsgrund gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG bildende "neu hervorgekommene Tatsache".

Das Hervorkommen "neuer Beweismittel" - das sind solche, die bereits zur Zeit des Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden (vgl. Walter-Mayer, a.a.O) - bildet nur dann einen Wiederaufnahmsgrund, wenn die dadurch zu beweisende Tatsache im Verwaltungsverfahren bereits vorgebracht - aber nicht bewiesen - wurde (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 650, Anm. 7 zu § 69

AVG).

Der Beschwerdeführer hat nach dem Akteninhalt im verwaltungsbehördlichen Asylverfahren nicht vorgebracht, für den kubanischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein. Hätte der Beschwerdeführer - wie er im Wiederaufnahmsantrag vorbringt - tatsächlich derartiges bei seiner Vernehmung durch das Bundesasylamt ausgesagt und wäre die Protokollierung wegen einer mangelhaften Übersetzung unterblieben, so hätte er diesen Mangel in der Berufung geltend machen können. In der im Asylverfahren erstatteten Berufung hat der Beschwerdeführer jedoch seine angebliche Tätigkeit für den kubanischen Geheimdienst mit keinem Wort erwähnt. Das Wiederaufnahmsverfahren dient jedoch nicht dazu, eine Mangelhaftigkeit des früheren Verfahrens nachträglich geltend zu machen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., S. 660, E 59 zu § 69 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Da somit davon auszugehen ist, daß der Beschwerdeführer im verwaltungsbehördlichen Asylverfahren seine - ihm bekannte - Arbeit für den Geheimdienst nicht vorgebracht hat, handelt es sich bei dem dem Beschwerdeführer angeblich nunmehr zugekommenen Ausweis um kein einen Wiederaufnahmsgrund bildendes "neu hervorgekommenes Beweismittel" im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG.

Da die belangte Behörde den Wiederaufnahmsantrag somit mangels Vorliegens eines Wiederaufnahmsgrundes zu Recht abgewiesen hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Zusatzinformationen


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Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2;
Schlagworte
Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta
nova producta
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010242.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAE-46150