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VwGH vom 19.10.1993, 93/08/0205

VwGH vom 19.10.1993, 93/08/0205

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. A und andere Rechtsanwälte, L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. SV-1137/1-1993, betreffend Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge nach § 40 BSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Wien III, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und der beigeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid vom stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern über Antrag des Beschwerdeführers auf rückwirkende Ausscheidung aus der Kranken- und Betriefshilfeversicherung und Rückzahlung der Beiträge fest, daß der Beschwerdeführer die Beiträge zur Kranken- und Betriebshilfeversicherung für die Zeit vom bis zu Ungebühr entrichtet habe, das Recht auf Rückforderung der Beiträge bis aber verjährt sei.

Dem vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Einspruch gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Nach der Bescheidbegründung stehe unbestritten fest, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom bis deshalb zu Ungebühr Beiträge zur Krankenversicherung nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz BSVG und nach dem Betriebshilfegesetz (BHG) entrichtet habe, weil bei ihm in dieser Zeit ein Grund für eine Ausnahme von der Krankenversicherung nach dem BSVG gegeben gewesen sei. Mit Antrag vom habe der Beschwerdeführer die von ihm für diese Zeit entrichteten Beiträge rückgefordert. Nach Darlegung der Rechtslage des § 40 BSVG in der Stammfassung, BGBl. Nr. 559/1978, der neunten Novelle zum BSVG, BGBl. Nr. 113/1986, sowie der sechzehnten Novelle zum BSVG, BGBl. Nr. 678/1991, bewertete die belangte Behörde das Begehren des Beschwerdeführers wie folgt: Anders als in Art. II (Abs. 1) der neunten BSVG-Novelle sei in der sechzehnten BSVG-Novelle betreffend § 40 BSVG keine Übergangsregelung geschaffen worden. Dies bedeute, daß die geänderte Gesetzesbestimmung nicht auf den Zeitraum eines Rückforderungsbegehrens auf bereits vor dem Inkrafttreten dieser Novelle am entstandene und verjährte Rückforderungen anzuwenden sei. Der (nach der neunten Novelle geltende) dreijährige Rückforderungszeitraum werde daher lediglich für den Zeitraum zwischen dem (dem Wirksamkeitsbeginn der fünfjährigen Verjährungsfrist nach der sechzehnten BSVG-Novelle) und der Antragstellung am verlängert. Nach dieser Rechtslage könnten daher nur die Beiträge ab zurückbezahlt werden. Sie seien erst im Jänner 1989 vorgeschrieben und einbezahlt worden, sodaß die damals geltende dreijährige Verjährung erst im Jänner 1992 abgelaufen wäre. Zum Stichtag seien daher bei der damals geltenden Rechtslage die Beiträge vor dem verjährt. Das Recht auf Rückforderung der Beiträge für die Zeit vom bis sei somit bereits Ende Oktober 1991 (gemäß der sechzehnten BSVG-Novelle) verjährt gewesen; in Ermangelung entsprechender Übergangsbestimmungen könne diese dreijährige Verjährungsfrist durch die günstigere Bestimmung des § 40 BSVG in der Fassung der sechzehnten Novelle nicht beseitigt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge ab verletzt erachtet. Aus dem so umschriebenen Beschwerdepunkt folgt, daß der Bescheid nur insoweit bekämpft wird, als mit ihm festgestellt wurde, es sei das Recht des Beschwerdeführers auf Rückforderung der Beiträge für die Zeit vom bis verjährt (d.h. es bestehe kein Rückforderungsrecht hinsichtlich dieser Beiträge). Dies begründet er damit, daß die Grundsatzbestimmung des § 1479 ABGB über das Erlöschen von Rechten durch Nichtgebrauch oder Stillschweigen bestimme, es würden alle Rechte durch den 30-jährigen Nichtgebrauch zum Erlöschen gebracht. Die lex specialis des § 40 BSVG schränke diese Grundsatzbestimmung auf eine fünfjährige Verjährungsfrist ein. Dies könne aber nur für solche Streitfälle gelten, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Regelung zu Tage treten. Im Beschwerdefall sei vor dem weder ein Antrag noch eine rechtskräftige Entscheidung über verjährte Beitragsleistungen infolge der ungebührlichen Entrichtung gestellt bzw. getroffen worden. Die belangte Behörde gehe (demgemäß) rechtsirrig davon aus, daß vor Inkrafttreten der sechzehnten BSVG-Novelle die dreijährige Verjährungsfrist (der neunten BSVG-Novelle) den Rückforderungstatbestand vor dem zunichte gemacht habe. Dies könne aber nicht Absicht des Gesetzgebers sein, zumal im Gleichklang zu § 39 BSVG auch die Verjährungsfrist hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge fünf Jahre betrage. Da keine Übergangsbestimmungen zu § 40 BSVG in der Fassung der sechzehnten Novelle bestünden, sei davon auszugehen, daß für alle ab anhängigen Rückforderungsverfahren die neue Verjährungsfrist von fünf Jahren - unter Beachtung des § 1479 ABGB - und nicht die alte Bestimmung des § 40 BSVG in der Fassung der neunten Novelle zu gelten habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 40 Abs. 1 BSVG in der Fassung der neunten Novelle, BGBl. Nr. 113/1986, die diesbezüglich nach Art. IV Abs. 1 der Novelle am in Kraft getreten ist, lautet:

"Zu Ungebühr entrichtete Beiträge können, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, zurückgefordert werden. Das Recht auf Rückforderung verjährt nach Ablauf von drei Jahren nach deren Zahlung. Der Lauf der Verjährung des Rückforderungsrechtes wird durch Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Herbeiführung einer Entscheidung, aus der sich die Ungebührlichkeit der Beitragsentrichtung ergibt, bis zu einem Anerkenntnis durch den Versicherungsträger bzw. bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Verwaltungsverfahren unterbrochen."

Nach Abs. 1 des mit "Übergangsbestimmungen" überschriebenen Art. II der neunten BSVG-Novelle gelten die Bestimmungen des § 40 in der Fassung dieser Novelle auch für noch nicht verjährte Rückforderungen, die vor dem entstanden sind.

Durch die sechzehnte BSVG-Novelle, BGBl. Nr. 678/1991, wurde § 40 Abs. 1 zweiter Satz dahingehend geändert, daß er nunmehr zu lauten hat:

"Das Recht auf Rückforderung verjährt nach Ablauf von fünf Jahren nach deren Zahlung."

Diese Bestimmung trat nach § 243 Abs. 1 BSVG in der Fassung dieser Novelle am in Kraft. Eine Übergangsbestimmung zu dieser Bestimmung findet sich in dieser Novelle nicht.

Nach § 6 Abs. 3 BHG, BGBl. Nr. 359/1982, gelten mangels diesbezüglicher Sonderbestimmungen im BHG die für die Krankenversicherung geltenden Vorschriften des BSVG über die Verjährung auch zur Durchführung der Bestimmungen des BHG.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom bis zu Ungebühr Beiträge zur Kranken- und Betriebshilfeversicherung entrichtet hat. Der Beschwerdeführer stellt auch nicht in Abrede, daß er die im Beschwerdefall noch strittigen Beiträge zu diesen Versicherungen für die Zeit vom bis vor dem entrichtet hat und vor dem kein Verwaltungsverfahren zur Herbeiführung einer Entscheidung, aus der sich die Ungebührlichkeit dieser Beitragsentrichtung ergibt, eingeleitet wurde. Demnach ist nach § 40 Abs. 1 BSVG in der Fassung der neunten Novelle das Recht des Beschwerdeführers auf Rückforderung dieser Beiträge nach Ablauf von drei Jahren nach den jeweiligen Zahlungen, jedenfalls aber vor dem , verjährt. Sollten die Beschwerdeausführungen so zu verstehen sein, daß zum Eintritt einer Verjährung dieses Rückforderungsrechtes nach der neunten BSVG-Novelle überdies ein Antrag oder eine rechtskräftige Entscheidung über verjährte Beitragsleistungen infolge der ungebührlichen Entrichtung erforderlich gewesen wäre, so wäre dem nicht beizupflichten; aus § 40 Abs. 1 dritter Satz BSVG ergibt sich vielmehr, daß zwar die Einleitung eines solchen Verfahrens den Lauf der Verjährung des Rückforderungsrechtes unterbricht, nicht aber der mit dem Institut der Verjährung völlig unvereinbare Schluß, es könne der Lauf einer Verjährungsfrist nur beginnen und ablaufen, wenn ein solches Verfahren anhängig gemacht oder durch rechtskräftige Entscheidung beendet worden sei.

Zu klären ist im Beschwerdefall daher lediglich, ob die Verlängerung der Verjährungsfrist des § 40 Abs. 1

zweiter Satz BSVG durch die insofern am in Kraft getretene sechzehnte BSVG-Novelle zur Folge hatte, daß auch ein nach der Rechtslage der neunten BSVG-Novelle spätestens am bereits verjährtes Recht auf Rückforderung ab nach Maßgabe der neuen Rechtslage wieder wirksam geltend gemacht werden konnte, ob also die Änderung der Rechtslage einem bereits undurchsetzbar gewordenen öffentlich-rechtlichen Anspruch wieder die Durchsetzbarkeit verliehen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zur insofern ähnlichen Problemstellung im Beitragsrecht ausgeführt hat (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0236 mit weiteren Judikaturhinweisen, insbesondere auf das Erkenntnis vom , Zl. 85/08/0114), müßte eine derartige Rückwirkung ausdrücklich angeordnet werden. Mangels einer solchen Anordnung werden Verjährungsfolgen, die bereits vor dem eingetreten sind, durch die bloße Änderung der Rechtslage nicht "rückwirkend" beseitigt; zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist kommt es demgemäß nur in den Fällen, in denen eine Verjährung nach der alten Rechtslage bis noch nicht eingetreten ist (vgl. zu dieser Frage im Beitragsrecht, insbesondere zu dem schon zitierten Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0236, auch Mazal, Ecolex 1992, S. 786 ff, insbesondere S. 788). Entgegen der Auffassung der belangten Behörde bewirkte im übrigen auch nicht Art. II Abs. 1 der neunten BSVG-Novelle ein Wiederaufleben bereits verjährter Rückforderungsrechte; es wurde damit lediglich klargestellt, daß die durch diese Novelle neugeschaffene Rechtslage nicht erst auf die Rückforderung von nach Inkrafttreten dieser Novelle gezahlten Beiträgen, sondern auch auf - im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novelle - noch nicht verjährte Rückforderungen, die vor dem entstanden sind, anwendbar sei.

Die vom Beschwerdeführer gegen diese auch von der belangten Behörde vertretene Auffassung zu Übergangsproblemen im Zusammenhang mit der sechzehnten BSVG-Novelle erhobenen Einwände vermögen nicht zu überzeugen. Daß die Nichteinleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Herbeiführung einer Entscheidung, aus der sich die Ungebührlichkeit der Beitragsentrichtung des Beschwerdeführers ergeben hätte, in der Zeit vor dem gerade den ungehinderten Ablauf der Verjährungsfrist betreffend das Recht auf Rückforderung der vor dem entrichteten Beiträge zur Folge hatte, wurde schon ausgeführt. Die sechzehnte BSVG-Novelle hat daran nichts geändert. Der angesprochene "Gleichklang zu § 39 BSVG" besteht zwar nicht in der Länge der Verjährungsfrist, die diesbezüglich grundsätzlich nur drei Jahre beträgt, wohl aber in der Lösung der Übergangsprobleme (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0236, zur inhaltlich identen Parallelbestimmung des § 68 Abs. 1 ASVG in der Fassung der 50. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 676/1991) und spricht demgemäß für die vom Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung. Dagegen läßt sich auch nicht etwa eine andere "Absicht des Gesetzgebers" ins Treffen führen, weil die diesbezüglichen Gesetzesmaterialien zur neunten BSVG-Novelle (RV: 776 Blg NR XVI. GP, AB: 825 Blg NR XVI. GP) und zur sechzehnten BSVG-Novelle (RV: 286 Blg NR XVIII. GP, AB: 313 Blg NR, XVIII. GP) nur auf die gleichzeitig erlassene

41. bzw. 50. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 111/1986 bzw. 676/1991, verweisen deren Gesetzesmaterialien (zur

41. ASVG-Novelle: RV 774 Blg NR, XVI. GP, und AB, 823 Blg NR,

XVI. GP; zur 50. ASVG-Novelle: RV, 284 Blg NR, XVIII. GP, und AB, 311 Blg NR, XVIII GP) diesbezüglich aber keine Ausführungen enthalten. Schließlich hat nach den obigen Ausführungen auch die fehlende Übergangsbestimmung der sechzehnten BSVG-Novelle zu § 40 BSVG nicht zur Folge, daß deshalb wegen der Änderung des zweiten Satzes des § 40 Abs. 1 BSVG durch diese Novelle das bereits verjährte Recht auf Rückforderung wiederaufgelebt wäre.

Da somit schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.