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VwGH vom 16.11.1993, 93/08/0158

VwGH vom 16.11.1993, 93/08/0158

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des FS in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. VIII/1-1582-1993, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom , Zl. VIII/1-1582/1-1993, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Sozialhilfeangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides sowie des Berichtigungsbescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom wurde der Ehegattin des Beschwerdeführers ES und ihrer gemeinsamen minderjährigen Tochter I gemäß den §§ 4, 6, 8 und 12 des Burgenländischen Sozialhilfegesetzes (BSHG) Sozialhilfe in der Form zuerkannt, daß die Kosten für ihre Unterbringung im Haus der Sozialen Betreuungshilfe Burgenland in Oberwart von derzeit täglich S 195,-- pro Person ab auf die Dauer von sechs Monaten aus den Mitteln der Sozialhilfe übernommen würden. Dieser Bescheid wurde unter anderem auch dem Beschwerdeführer zur Kenntnis mit der Aufforderung, "eventuelle Zahlungen direkt an die ha. Sozialabteilung zu leisten", zugestellt.

Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung, in der er die Hilfsbedürftigkeit seiner Gattin bestritt, wies die belangte Behörde mit Bescheid vom in seiner der verwaltungsgerichtlichen Prüfung zugrundezulegenden Fassung des Berichtigungsbescheides vom (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom , Slg.Nr. 12.329/A) gemäß § 66 Abs. 4 AVG mangels Zulässigkeit zurück. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß im Spruch des bekämpften Bescheides kein Ausspruch über eine allfällige Kostenersatzpflicht des Beschwerdeführers enthalten sei; es werde lediglich in der Begründung des Bescheides durch Zitierung der §§ 42 und 43 BSHG auf das allgemeine Bestehen der Kostenersatzpflicht nach diesem Gesetz hingewiesen. Der bekämpfte Bescheid sei aufgrund des Antrages der Gattin des Beschwerdeführers auf Gewährung von Sozialhilfe an sie und ihre Tochter erlassen worden. An den Beschwerdeführer sei von der erstinstanzlichen Behörde nur eine Abschrift des Bescheides gemäß § 43 BSHG zur Kenntnis mit der schon genannten Aufforderung übermittelt worden. Daraus folgerte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht, daß im gegenständlichen Verfahren, in dem lediglich über die Unterbringung der Ehegattin des Beschwerdeführers (und ihrer Tochter) abgesprochen worden sei, eine Parteistellung des Beschwerdeführers mangels eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses nicht gegeben sei. Die Bekämpfung eines allfälligen Kostenersatzanspruches gegen den Beschwerdeführer wäre erst nach Erlassung eines Kostenersatzbescheides möglich, dies auch deshalb, weil nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 87/11/0232, in den Fällen, in denen eine Person als Ersatzpflichtiger dem der Gewährung von Sozialhilfeleistungen vorangegangenen Verfahren nicht als Partei zugezogen worden sei, der Gewährungsbescheid mangels einer diesbezüglichen Rechtsgrundlage keine (den Ersatzpflichtigen treffende) erweiterte Rechtskraft habe. Deshalb könne ein solcher Bescheid nicht einer Berücksichtigung der Einwendungen des Ersatzpflichtigen gegen die Berechtigung der Gewährung dieser Sozialhilfeleistungen in dem die Ersatzpflicht betreffenden Verfahren entgegenstehen; die Behörde müsse in diesem Verfahren vielmehr die in Rede stehende Frage ohne Bindung an den Gewährungsbescheid neuerlich klären.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde stellt der Beschwerdeführer nicht in Abrede, daß im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides nicht über seine Verpflichtung zum Kostenersatz abgesprochen worden sei. Es sei aber - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - auch nicht über die Unterbringung der Ehegattin des Beschwerdeführers, sondern über die Kostentragung dieser Unterbringung abgesprochen worden. Der Sozialhilfeträger übernehme aber nach § 28 BSHG die Kosten auf gesetzlicher Grundlage. In demselben Gesetz werde auch zwingend angeordnet, daß bestimmte Personen, unter die der Beschwerdeführer falle, diese Kosten dem Sozialhilfeträger ersetzen müßten. Damit liege auf der Hand, daß der Beschwerdeführer schon nach Eintritt der Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides vom Sozialhilfeträger finanziell in Anspruch genommen werden könne, weil dies die §§ 42, 43 BSHG ausdrücklich vorsehen. Daraus ergebe sich für den Beschwerdeführer jedenfalls ein rechtliches Interesse, an dem gegenständlichen Verfahren als Partei mitzuwirken, weil er durch eine entsprechende Mitwirkung an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes einerseits das Nichtbestehen der Voraussetzungen für den Empfang von Sozialhilfeleistungen durch seine Ehegattin und die gemeinsame Tochter hätte darlegen und andererseits damit die Anwendung der §§ 42 und 43 BSHG hätte abwenden können. Gleichzeitig wäre damit auch der Sozialhilfeträger von seiner Leistungspflicht befreit worden. Durch den angefochtenen Bescheid sei der Beschwerdeführer jedoch belasteter Dritter, ohne je Gelegenheit gehabt zu haben, im Verfahren gehört zu werden. Seine Belastung ergebe sich nämlich unmittelbar aus der im § 43 BSHG angeordneten Legalzession, durch die der Sozialhilfeträger sofort - nach bloßer schriftlicher "Anzeige" - auf den Beschwerdeführer greifen könne. Dazu komme, daß der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer mit der Aufforderung zugestellt worden sei, schon jetzt "Zahlungen direkt an die ha. Sozialabteilung zu leisten", was erweise, daß insofern auch die erstinstanzliche Behörde von einer unmittelbaren Wirkung des Bescheides gegen den Beschwerdeführer ausgehe. Die Meinung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe deshalb kein rechtliches Interesse, schon in diesem Verfahrensstadium mitzuwirken, weil er ohnehin später gegen einen Kostenersatzbescheid Berufung erheben könne, sei aus den genannten Gründen daher nicht nur völlig unzutreffend, sondern widerspreche auch jeglichem verfahrensökonomischen Denken. Danach wäre nämlich schon frühzeitig zu klären, ob der Sozialhilfeanspruch überhaupt dem Grunde nach bestehe. Nach Auffassung der belangten Behörde bedürfe es aber letztlich zweier Bescheide, nämlich des Gewährungsbescheides und des Kostenersatzbescheides, "die allenfalls der Rückgängigmachung im Verfahrenswege bedürfen." Insofern sei auch das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes unzutreffend. Schließlich ergebe sich die Verpflichtung, den Beschwerdeführer dem Verfahren als Partei zuzuziehen, unmittelbar aus § 42 Abs. 1 BSHG, weil danach ein Rechtsanspruch darauf bestehe, nicht zum Leistungsrückersatz herangezogen zu werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Sozialhilfegewährung nicht gegeben seien. Schließlich macht der Beschwerdeführer verfassungsrechtliche Bedenken gegen die von der belangten Behörde angewendeten Bestimmungen des BSHG in ihrer Deutung durch sie deshalb geltend, weil ihm dadurch im Gewährungsverfahren keine Möglichkeit eingeräumt werde, schon das Entstehen eines gegen ihn gerichteten finanziellen Anspruches des Sozialhilfeträgers zu verhindern.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage, ob dem Beschwerdeführer ein Recht zur Einbringung einer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid zukam.

Gemäß § 63 Abs. 1 AVG richtet sich unter anderem das Recht zur Einbringung einer Berufung, abgesehen von den in diesem Gesetz besonders geregelten Fällen (die im Beschwerdefall nicht vorliegen), nach den Verwaltungsvorschriften. Ist durch diese Vorschriften - so wie im Falle des BSHG - das Berufungsrecht nicht ausdrücklich geregelt, so steht es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Parteien des Verwaltungsverfahrens, in dem der Bescheid, gegen den Berufung erhoben wird, erlassen wurde, also denjenigen zu, die "an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind" (§ 8 AVG); letzteres ist aber wiederum aufgrund der der Sache zugrundeliegenden Verwaltungsvorschriften zu prüfen (vgl. u.a. das Erkenntnis vom , Zl. 86/08/0150, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Nach den Bestimmungen der ersten beiden Abschnitte des BSHG, aufgrund derer der Ehegattin und der Tochter des Beschwerdeführers Sozialhilfe in der Form einer Übernahme von Unterbringungskosten gewährt wurde, kommt ein Rechtsanspruch auf Leistungen der Sozialhilfe nur dem Hilfesuchenden zu. Dritte, etwa die Angehörigen des Hilfesuchenden, haben in diesem Verfahren, wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt zu insofern vergleichbaren anderen Sozialhilfegesetzen ausgesprochen hat (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom , Zl. 84/11/0118, und vom , Zl. 90/19/0233), grundsätzlich keine Parteistellung. Allfällige Ersatzpflichten Dritter nach den §§ 42 und 43 BSHG vermögen keine Beteiligung "an der Sache vermöge eines rechtlichen Interesses" zu begründen. Denn, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls schon wiederholt zu vergleichbaren Bestimmungen anderer Sozialhilfegesetze ausgesprochen hat (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom , Zl. 84/11/0118, und vom , Zl. 84/11/0332, vom , Zl. 87/11/0232, vom , Zl. 87/11/0127, und vom , Zl. 90/19/0234), hat in den Fällen, in denen eine Person als Ersatzpflichtiger - sozialhilferechtlichen Bestimmungen entsprechend - dem der Gewährung von Sozialhilfeleistungen vorangegangenen Verfahren nicht als Partei zugezogen wurde, der Gewährungsbescheid mangels einer diesbezüglichen Rechtsgrundlage keine (den Ersatzpflichtigen treffende) erweiterte Rechtskraft, weshalb ein solcher Bescheid (sofern in ihm nicht überdies im Spruch über die Ersatzpflicht abgesprochen wurde: vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 87/11/0231, nicht einer Berücksichtigung bei Einwendungen des Ersatzpflichtigen gegen die Berechtigung der Gewährung dieser Sozialhilfeleistungen in dem die Ersatzpflicht betreffenden Verfahren (hier nach § 46 Abs. 2 BSHG) entgegensteht und die Behörde in diesem Verfahren die in Rede stehende Frage ohne Bindung an den Gewährungsbescheid neuerlich zu klären hat. Dies gilt sinngemäß auch für ein gerichtliches Verfahren, in dem der Sozialhilfeträger, gestützt auf § 43 BSHG, Rechtsansprüche des Sozialhilfeempfängers gegen einen Dritten geltend macht. Die bloße Zustellung eines Bescheides vermag die Parteistellung im Gewährungsverfahren und damit das Recht zur Einbringung einer Berufung gegen den Gewährungsbescheid nicht zu begründen (vgl. u.a. das Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0233).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze, an denen der Verwaltungsgerichtshof - ungeachtet der oben wiedergegebenen Einwände des Beschwerdeführers - festhält, ist der angefochtene Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet. Die belangte Behörde hat vielmehr die Parteistellung des Beschwerdeführers im Gewährungsverfahren und damit sein Recht zur Einbringung einer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, trotz des Hinweises in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides auf die §§ 42 und 43 BSHG und der Zustellung des Bescheides mit der Aufforderung, künftig eventuelle Zahlungen, die der Beschwerdeführer zur Deckung des Lebensbedarfes seiner Gattin und seiner Tochter leiste, direkt an die Sozialabteilung der erstinstanzlichen Behörde zu leisten, mit Recht verneint, weil diese Umstände mangels einer Aufnahme in den Spruch des Gewährungsbescheides keine erweiterte Rechtskraft dieses Bescheides zu bewirken vermochten. Ob eine ausdrückliche Zuerkennung der Parteistellung an allfällige Ersatzpflichtige im Gewährungsverfahren aus verfahrensökonomischen Gründen zweckmäßig wäre, ist mangels einer solchen ausdrücklichen Anordnung im BSHG im gegenständlichen Fall nicht zu prüfen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Fehlen einer solchen Bestimmung mit den oben dargestellten Konsequenzen bestehen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht.

Da somit schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde, und zwar wegen Klärung der maßgeblichen Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Durch die Erledigung in der Hauptsache ist eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, entbehrlich.