VwGH vom 20.06.1990, 90/02/0036

VwGH vom 20.06.1990, 90/02/0036

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Wien vom , Zl. MA 70-10/968/89/Str, betreffend Zurückweisung eines Einspruches in einer Angelegenheit des Kraftfahrwesens

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Wieden, vom wurde der Beschwerdeführer u.a. einer Übertretung des KFG 1967 für schuldig erkannt. Nachdem in Ansehung der diese Strafverfügung enthaltenden Sendung zwei Zustellversuche am 2. März und am wegen Abwesenheit des Beschwerdeführers von seiner Abgabestelle gescheitert waren, wurde die Sendung beim zuständigen Postamt hinterlegt und lag dort vom an zur Abholung bereit.

In seinem am zur Post gegebenen Einspruch gegen die Strafverfügung vom führte der Beschwerdeführer zur Rechtzeitigkeit aus, daß er bis ortsabwesend gewesen sei.

Mit Bescheid der Erstbehörde vom wurde der Einspruch gegen die Strafverfügung vom "gemäß § 68 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG 1950) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen". Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung.

Über Aufforderung der Berufungsbehörde erging seitens der Erstbehörde eine mit datierte "Aufforderung zur Rechtfertigung", die u.a. den Betreff "Bescheid vom Ihre Berufung" aufweist und in der der Beschwerdeführer u.a. zur Glaubhaftmachung seiner Abwesenheit von seiner Abgabestelle am Tage des ersten Zustellversuches, dem , aufgefordert wurde. Dazu führte der Beschwerdeführer aus, daß er "bereits vor dem ortsabwesend war und erst am an die Abgabestelle zurückkehrte". Als Beweismittel bot er seine Beschuldigtenvernehmung und die Zeugeneinvernahme seiner Ehefrau an. Die von der Erstbehörde am als Zeugin einvernommene Ehefrau des Beschwerdeführers gab dazu an, der Beschwerdeführer und sie seien "vom bis in der Nacht" in Vorarlberg gewesen. Von Wien weggefahren seien sie am ; außer den Ehepartnern sei niemand dabeigewesen. Diese Zeugenaussage wurde dem Beschwerdeführer, wie er in der Beschwerde selbst ausführt, zur Kenntnis gebracht. Daraufhin erklärte der Beschwerdeführer gegenüber der Erstbehörde, daß sich an seiner bisherigen Verantwortung nichts ändere.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung, "soweit es die Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 betrifft", keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vom bestätigt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht "auf sachgerechte Entscheidung verletzt" zu sein, "da das Verfahren gegen mich mangels Verwirklichung des mir zur Last gelegten Sachverhaltes in objektiver und subjektiver Hinsicht einzustellen gewesen wäre". Damit verkennt der Beschwerdeführer, daß es im vorliegenden Beschwerdeverfahren nur darum geht, ob die belangte Behörde den Einspruch gegen die Strafverfügung vom im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches zu Recht zurückgewiesen hat. Ob das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war oder nicht, weil der dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Sachverhalt verwirklicht worden ist oder nicht, ist nicht Gegenstand des Abspruches des angefochtenen Bescheides. Die Begründung der Beschwerde läßt aber erkennen, daß sich der Beschwerdeführer in Wahrheit in seinem Recht auf Fällung einer Sachentscheidung über einen rechtzeitigen Einspruch für verletzt erachtet.

2. Vorauszuschicken ist auch, daß es im vorliegenden Beschwerdefall nicht um die Rechtzeitigkeit eines Einspruches des Beschwerdeführers gegen eine Strafverfügung der Erstbehörde vom betreffend Übertretung der StVO 1960 geht. Sowohl der erstinstanzliche Bescheid vom als auch der angefochtene Bescheid nehmen ausdrücklich (nur) auf die Strafverfügung vom Bezug. Daran vermag nichts zu ändern, daß im Ermittlungsverfahren Verfahrensschritte, insbesondere "Aufforderungen zur Rechtfertigung", gesetzt wurden, die beide Verwaltungsstrafverfahren, die unter derselben Geschäftszahl der Erstbehörde geführt werden, und damit die Rechtzeitigkeit von beiden Einsprüchen betrafen.

3. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, wann die Strafverfügung der Erstbehörde vom dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt wurde. Beide Parteien gehen davon aus, daß der Beschwerdeführer vom 3. bis zum von seiner Abgabestelle abwesend war. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, daß die Zustellung der Strafverfügung am , dem Tag nach seiner Rückkehr an seine Abgabestelle, erfolgt sei. Die belangte Behörde nimmt als Tag der Zustellung den , den Tag des Beginnes der Abholfrist, an. Sie stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der bei einer Zustellung zu eigenen Handen gemäß § 21 des Zustellgesetzes die Anwesenheit des Adressaten an seiner Abgabestelle auch nur an einem der Tage der beiden Zustellversuche bewirkt, daß die anschließende Hinterlegung als rechtswirksame Zustellung im Sinne des dritten Satzes des § 17 Abs. 3 leg. cit. gilt. Bereits durch die Verständigung vom erfolglosen ersten Zustellversuch und die Aufforderung, in der für die Vornahme des zweiten Zustellversuches bestimmten Zeit zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein, kann der Adressat Kenntnis davon erlangen, daß ihm ein behördliches Schriftstück zugestellt werden soll (vgl. außer den von der belangten Behörde in der Gegenschrift zitierten Erkenntnissen vom , Zl. 85/11/0245, und vom , Zl. 86/02/0157, die seither ergangenen Erkenntnisse vom , Zl. 88/02/0010, vom , Zl. 88/02/0180, vom , Zl. 88/03/0211, und vom , Zl. 89/02/0012).

Erfährt demnach eine Partei durch das Vorfinden einer Verständigung vom erfolglosen Versuch eines ersten Zustellversuches und der Aufforderung zur Anwesenheit bei dem gleichzeitig angekündigten zweiten Zustellversuch, daß die Behörde ihr ein Schriftstück zustellen will, so hat sie sich durch entsprechende Dispositionen primär in die Lage zu versetzen, das Schriftstück beim angekündigten zweiten Zustellversuch zu übernehmen. Sollte es der Partei im Einzelfall unmöglich oder unzumutbar sein, solche Dispositionen zu treffen, etwa weil sie am Tage des zweiten Zustellversuches vor der angekündigten Zeit ihre Abgabestelle wieder verlassen muß, so hätte sie die Möglichkeit, allfällige für sie durch die erfolgte Zustellung eingetretene Säumnisfolgen mit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beseitigen. Es würde zweifellos dem Sinn des Gesetzes widersprechen, hätte der Adressat die Möglichkeit, die Rechtswirksamkeit einer Zustellung dadurch hinauszuschieben, daß er seine Abgabestelle am Tage des zweiten Zustellversuches verläßt und auf diesem Wege etwa die Rechtmäßigkeit des zuzustellenden Verwaltungsaktes in Frage stellt (Verjährung, Einjahresfrist nach § 51 Abs. 5 VStG 1950 odgl.).

Es kann daher dahinstehen, ob das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei mit seiner Ehefrau am UM 7.00 UHR FRÜH nach Vorarlberg abgereist, eine unzulässige Neuerung darstellt. Selbst wenn dies nicht der Fall und dieses Vorbringen vom Verwaltungsgerichtshof zu berücksichtigen wäre, würde es nichts daran ändern, daß die Zustellung der Strafverfügung vom mit dem Beginn der Abholfrist am als bewirkt gilt. Der dagegen am zur Post gegebene Einspruch ist daher verspätet. Er wurde von der belangten Behörde zu Recht zurückgewiesen.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.