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VwGH vom 04.10.2001, 98/08/0100

VwGH vom 04.10.2001, 98/08/0100

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. Alfred Daljevec, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 23-25, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS9-982/11, betreffend Haftung als Betriebsführer gemäß § 33 Abs. 2 BSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat am mit B. W. die Ehe geschlossen. In einem Notariatsakt vom haben die damaligen Ehegatten eine Gütergemeinschaft während aufrechter Ehe und auf den Todesfall vereinbart, die das gesamte damals aktuelle und das während der Ehe zugewonnene Vermögen umfassen sollte. Die Ehegatten haben als Miteigentümer landwirtschaftlicher Grundflächen auf ihre Rechnung und Gefahr einen landwirtschaftlichen Betrieb geführt. Die Ehe ist aus gleichteiligem Verschulden am rechtskräftig geschieden worden.

Mit Bescheid vom stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt fest, dass der Beschwerdeführer als gemeinsamer Betriebsführer für die Beiträge, Beitragszuschläge und Nebengebühren zur Pensions- und Krankenversicherung sowie für die Beiträge nach dem Betriebshilfegesetz, die B. W. für die Zeit vom bis laufend schulde, hafte und verpflichtete ihn zur Zahlung rückständiger Beiträge für den Zeitraum vom bis in der Höhe von S 100.294,10,-. In der Begründung wurde nach Darstellung der Rechtslage zusammen gefasst ausgeführt, der Beschwerdeführer und B. W. seien auch nach ihrer Scheidung Miteigentümer der ihrem landwirtschaftlichen Betrieb zugehörigen Liegenschaften. Deshalb und nach ihren in diesem Punkt gleich lautenden Angaben anlässlich einer niederschriftlichen Einvernahme werde der landwirtschaftliche Betrieb nach wie vor auf ihre gemeinsame Rechnung und Gefahr geführt. Der Beschwerdeführer hafte daher gemäß § 3 Abs. 2 BSVG als gemeinsamer Betriebsführer für die rückständigen Beiträge von B.W. Die geschiedenen Ehegatten seien zudem weiterhin gemeinsam Pächter einer Weingartenfläche, die somit ihrem landwirtschaftlichen Betrieb zuzuordnen sei.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, der anlässlich der Eheschließung abgeschlossene Gütergemeinschaftsvertrag sei gemäß § 1266 ABGB kraft Gesetzes mit Rechtskraft der Ehescheidung aufgelöst worden. Somit sei der Beschwerdeführer seit alleiniger Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes. An dieser Rechtsfolge könnten auch anders lautende Aussagen des Beschwerdeführers nichts ändern. Der über die Weingartenfläche abgeschlossene Pachtvertrag könne keine gemeinsame Betriebsführung mit B. W. begründen, weil der Pachtzins seit Jahren nicht bezahlt werde und der Pachtvertrag daher als erloschen anzusehen sei. B. W. habe ihre Rechte aus diesem Pachtvertrag nach der Scheidung nicht mehr wahrgenommen, insbesondere keine Bewirtschaftung des gepachteten Weingartens durchgeführt und keinerlei Erträgnisse daraus bezogen. Insgesamt liege ab der Ehescheidung kein gemeinsamer Wirtschaftsbetrieb vor, weshalb die Haftung des Beschwerdeführers zu verneinen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge gegeben und den Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt bestätigt. Nach der (sehr umfangreichen) Begründung kommt der Landeshauptmann zusammen gefasst zu dem Ergebnis, die zwischen den seinerzeitigen Ehegatten getroffene Regelung über die Gütergemeinschaft sei nicht als Ehepakt zu werten; gegebenen Falles wäre eine solche Vereinbarung wegen einer groben Benachteiligung von B. W. als nichtig gemäß § 879 ABGB anzusehen, könnte sie nicht als Errichtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes zwischen den damaligen Ehegatten gewertet werden, wovon die belangte Behörde in der Folge ausging. Die Auflösung der Rechtsbeziehungen zwischen den Geschiedenen - so die belangte Behörde weiter - richte sich daher nicht nach § 1266 ABGB, sondern nach den Auflösungsregeln der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Bei den Vermögensgegenständen des landwirtschaftlichen Betriebes handle es sich im Wesentlichen um Grundstücke und Bauwerke, die weiterhin im Miteigentum der seinerzeitigen Ehegatten stünden, sodass die zwischen ihnen begründete Gesellschaft bürgerlichen Rechtes bis zur grundbücherlichen Änderung dieser Verhältnisse weiterhin bestehe. Daraus wiederum ergebe sich die Führung des landwirtschaftlichen Betriebes auf gemeinsame Rechnung und Gefahr. Beim gepachteten Weingarten könne kein Pachtzinsrückstand festgestellt werden, weshalb das Pachtverhältnis auch nicht als aufgelöst anzusehen sei. Die Pachtfläche sei demnach der Berechnung der Beiträge zu Grunde zu legen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zentral wendet sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte Beurteilung seiner Eigentumsverhältnisse als Miteigentum, weil mit Rechtskraft der Scheidung der das Miteigentum begründende Ehepakt aufgelöst und damit der Beschwerdeführer Alleineigentümer der Liegenschaften geworden sein soll. Mangels Eigentum an den Mitteln zur Führung des landwirtschaftlichen Betriebes sei die geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers schon aus diesem Grund nicht der Versicherungspflicht unterlegen, weshalb keine Beiträge angefallen seien und der Beschwerdeführer daher weder etwas schulde noch für rückständige Beiträge hafte.

Ausgehend von der im Ergebnis zutreffenden Wertung des Gütergemeinschaftsvertrages vom durch den Beschwerdeführer als Ehepakt, zumal diese Vereinbarung die vermögensrechtliche Beziehung der Ehegatten "im Allgemeinen", also den Ehegüterstand, für die Dauer der Ehe geordnet hat (vgl. Petrasch in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu § 1217), braucht auf die Ausführungen der belangten Behörde zu dieser Frage ebenso wenig eingegangen zu werden wie darauf, ob zwischen den Ehegatten (auch) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründet worden ist, weil die Rechtswirkungen der durch den Ehepakt erfolgten sachenrechtlichen Zuordnung der von der Gütergemeinschaft umfassten Liegenschaften ins Hälfteeigentum der Ehegatten - anders als der Beschwerdeführer annimmt - noch andauern. Zwar erlöschen auf Grund gesetzlicher Anordnung (§ 1266 ABGB) Ehepakte mit der rechtskräftigen Scheidung der Ehe (bei gleichteiligem oder beiderseits fehlendem Verschulden), die Auflösung erfolgt allerdings mit Wirkung ex nunc, das heißt, dass keine Änderung der durch die Ehepakte begründeten Eigentumsverhältnisse (durch Wegfall des Titels) eintritt, sondern (lediglich) ein Anspruch auf Rückstellung der in die Gütergemeinschaft eingebrachten Vermögensgegenstände besteht (vgl. ). Als Folge der gesetzlich angeordneten Auflösung des Ehepaktes verbleiben somit schuldrechtliche Ansprüche auf Rückübertragung des Eingebrachten, während die auf Grund der Ehepakte vollzogenen Übereignungsakte sachenrechtlich weiter wirksam sind (vgl. Koziol-Welser, I10, Seite 256, über die (ex nunc) Rechtsfolgen der Wandlung des Vertrages im Gewährleistungsrecht). Demnach irrt der Beschwerdeführer, wenn er von einer auch sachenrechtlichen Wirkung der Auflösung der Ehepakte ausgegangen ist; seine Einwände gegen die Argumente der belangten Behörde sind aber im Ergebnis berechtigt, wobei von folgenden im Beschwerdefall maßgeblichen - auszugsweise wiedergegebenen - Bestimmungen des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes 1978, BGBl. Nr. 559 (BSVG), auszugehen ist:

"§ 2 (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

1. Personen die auf ihre Rechnung und Gefahr einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird.

§ 30 (1) ... wenn mehrere Personen ein und denselben land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf gemeinsame Rechnung und Gefahr führen, ist der Betriebsbeitrag nur von einer Person zu leisten, jedoch haften alle Beteiligten für den Betriebsbeitrag zur ungeteilten Hand.

(2) Den gemäß Abs. 1 ermittelten Betriebsbeitrag schuldet der Betriebsführer. Hiebei ist anzunehmen, dass der Eigentümer des land-(forst)wirtschaftlichen Betriebes (der land- (forst)wirtschaftlichen Fläche diesen Betrieb (diese Fläche) auf seine Rechnung und Gefahr führt (bewirtschaftet). Diese Vermutung gilt bis zu dem Ersten des Kalendermonates, in dem der Eigentümer nachweist, dass der ihm gehörige Betrieb (die ihm gehörige Fläche) durch eine andere Person (andere Personen) bewirtschaftet wird (werden).

§ 33 (1) Die Beiträge der gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 ... Pflichtversicherten ... sind vierteljährlich im Nachhinein vorzuschreiben (Vorschreibezeitraum). ...

(2) Die Beiträge gemäß Abs. 1 schulden die Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr den land(forst)wirtschaftlichen Betrieb führen oder auf deren Rechnung und Gefahr der Betrieb geführt wird, ... sind mehrere Personen aus dem Grund des § 2 Abs. 1 Z. 1 pflichtversichert, schulden sie die Beiträge zur ungeteilten Hand.

...

(4) Die Bestimmungen über Eintreibung und Sicherung, Haftung, Verjährung und Rückforderung von Beiträgen gelten entsprechend für Beitragszuschläge und Verwaltungskostenersätze."

Die hier in Frage kommende Bestimmung des im § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG genannten Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287 - LAG, lautet:

"§ 5 (1) Betriebe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion ... in diesem Rahmen zählen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues ..."

Im Beschwerdefall ist demnach entscheidend, ob B.W. den (noch) im Miteigentum stehenden landwirtschaftlichen Betrieb auch nach der Scheidung auf ihre Rechnung und Gefahr weiter betrieben hat. Für die Beantwortung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb geführt wird, ist maßgeblich, ob jene Person, deren Versicherungs- und Beitragspflicht zu beurteilen ist, aus der Betriebsführung im Außenverhältnis (also im Verhältnis zu Dritten) berechtigt und verpflichtet wird. Wer aus der Betriebsführung in diesem Sinne berechtigt und verpflichtet wird, ist eine Rechtsfrage, die nicht bloß nach tatsächlichen Gesichtspunkten, sondern letztlich nur auf Grund rechtlicher Gegebenheiten beantwortet werden kann (vgl. die Erkenntnisse vom , 91/08/0110, und vom , 91/08/0082, jeweils mit weiteren Judikaturnachweisen). Als solche Rechtstatsachen kommen dingliche oder obligatorische Rechtsverhältnisse in Betracht. Nun ist B.W auch nach der Aufhebung der Ehepakte noch Miteigentümerin der dem Betrieb dienenden und vom Beschwerdeführer in die Gütergemeinschaft eingebrachten Liegenschaften, sieht sich aber mit einem Herausgabeanspruch des Beschwerdeführers konfrontiert, der sich als berechtigt erweist, weil der rechtliche Grund, den Liegenschaftsanteil zu behalten, weg gefallen ist (vgl. § 1435 ABGB). Da diese Kondiktion auf einer gesetzlichen Anordnung beruht (§ 1266 ABGB), ist von einer B.W. zurechenbaren Kenntnis der Existenz dieses Anspruches auszugehen. Damit ist sie ab Rechtskraft der Scheidung als unredliche Empfängerin des Miteigentumsanteils zu betrachten (vgl. Rummel in Rummel, ABGB 2, Rz 2 zu § 1437) und hat ab diesem Zeitpunkt keinen Anspruch mehr auf Nutzungen des Betriebes, also auf dessen Ertrag in Form von Zivil- oder Naturalfrüchten (vgl. Rummel, aaO, Rz 5f zu § 1437). Diese durch die angesprochene gesetzliche Regelung hervor gerufene Rechtsfolge entspricht einem auch durch Vereinbarung erzielbaren Ergebnis, weshalb die dargestellten Wirkungen der Auflösung der Ehepakte zu jenen Rechtstatsachen zu zählen sind, die dem Beschwerdeführer eine Rechtsposition einräumen, nach der er aus der Führung des (gesamten) landwirtschaftlichen Betriebes berechtigt und verpflichtet wird, während B.W. diese Rechtsstellung verloren hat.

Eine Vereinbarung in Form eines Übergabsvertrages lag dem Erkenntnis vom , 89/08/0033, zu Grunde, in dem der Verwaltungsgerichtshof auch schon für die Zeit eines Rechtsstreites über das (dann festgestellte) gültige Zustandekommen des Übergabsvertrages die Betriebsführerschaft des den landwirtschaftlichen Betrieb während des gesamten Zeitraumes tatsächlich bewirtschaftenden Sohnes, somit eine die sachenrechtlichen Zuordnung ändernde Vereinbarung als Rechtsgrund für die aus der Betriebsführung resultierende Berechtigung und Verpflichtung, angenommen hat. Nichts anderes kann für einen auf dem Gesetz beruhenden Titel gelten, weil es für die Begründung eines Schuldverhältnisses nicht darauf ankommt, ob es auf einem Rechtgeschäft oder auf dem Gesetz beruht (vgl. § 859 ABGB). Die geschiedene Ehefrau war somit in dem in Frage stehenden Zeitraum nicht mehr Betriebsführerin des ehemals gemeinsamen Betriebes und somit aus diesem Titel auch nicht pflichtversichert, weshalb keine Beitragspflicht und keine Haftung des Beschwerdeführers bestanden hat.

Aus den dargestellten Gründen hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Gebührenbefreiung nach § 44 BSVG abzuweisen.

Wien, am