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VwGH vom 17.02.1994, 93/06/0164

VwGH vom 17.02.1994, 93/06/0164

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des J in B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 1/02-32.111/8-1993, betreffend Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: W in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom wurde dem Mitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines ostseitigen und eines kleinen südseitigen Zubaus beim bestehenden gastgewerblichen Objekt auf GP 721/2 mit Keller-/Erd- und Obergeschoß sowie Umbauten im Bestand nach einem näher bezeichneten Einreichplan mit der darin dargestellten Art des Verwendungszwecks (Keller: hauptsächlich Lager- und Technikräume, Erdgeschoß: nordseitiger kleiner Gastraum wie bisher, neuer Gastraum im Zubau, bisheriger Hauptgastraum als Anrichte und als Lagerraum; Obergeschoß:

"Appartement und Wohnwagen"), sowie zur Errichtung von Lüftungsanlagen und einer südseitigen Terrasse unter zahlreichen Auflagen erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit zahlreichen Einwendungen, von denen - aus dem Blickwinkel der vorliegenden Beschwerde - nur mehr jene der unzulässigen Lärm- und Abgasimmissionen und einem daraus abgeleiteten Widerspruch zur Widmung als "Bauland-erweitertes Wohngebiet" im Sinne des § 12 Abs. 1 Z. 2 lit. c des Salzburger Raumordnungsgesetzes noch von Bedeutung ist.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Unter Hinweis auf § 12 Abs. 1 Z. 2 lit. c des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 (welches gemäß § 45 Abs. 11 des Raumordnungsgesetzes 1992, LGBl. Nr. 98/1992, auf das vorliegende Projekt noch Anwendung finde) vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß die geplante Erweiterung des bereits vorhandenen Betriebes nach allen eingeholten Sachverständigengutachten mit der Flächenwidmung in Einklang stehe. Auch der ärztliche Sachverständige habe in seinem Gutachten ausgeführt, daß störende Schallereignisse sich nicht so sehr aus dem Inneren der Anlage ergeben würden (insoweit würde sogar eine Reduzierung der Schallemission eintreten), sondern vor allem durch zu- und abfahrende Autos und laute Gäste verursacht werden könnten, weshalb er eine Betriebszeitbeschränkung bis 22.00 Uhr vorschlage. Auch der gewerbe- und maschinenbautechnische Sachverständige sei zum Ergebnis gekommen, daß durch den Gästelärm im Lokal eine Veränderung der tatsächlich herrschenden örtlichen Lärmverhältnisse nicht erzielt werde. Allfällige Veränderungen aus lärmtechnischer Sicht, die durch gleichzeitig auftretende Fahrbewegungen auf den geplanten neun PKW-Abstellflächen gegeben sein könnten, würden aus lärmtechnischer Sicht nicht als unzulässig angesehen werden können.

Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg.Nr. 8275/A (Hotelneubau mit Restaurationsbetrieb im erweiterten Wohngebiet), hielt die belangte Behörde das Bauvorhaben im erweiterten Wohngebiet für zulässig. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers handle es sich um eine Erweiterung der Gasträume und "um ganze 40 m2". Es könne nicht nachvollzogen werden, aus welchen Gründen die geplante Betriebserweiterung in einer nicht nur regional bekannten Fremdenverkehrsgemeinde nicht zulässig sein solle. Von einer massiven Störung der betroffenen siedlungs- und lebensraumprägenden Strukturen könne keine Rede sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegede, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Darin wird nach einer umfangreichen Darstellung des Verwaltungsgeschehens zusammengefaßt und sinngemäß vorgetragen, daß das Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei deshalb der Widmung als "erweitertes Wohngebiet" im Sinne des § 12 Abs. 1 Z. 2 lit. c SROG widerspreche, weil es eine die zulässige Grenze überschreitende, erhebliche Lärmbelästigung für die Nachbarschaft verursache. Diese Lärmbelästigung erblickt der Beschwerdeführer - nach seinen sich mehrfach wiederholenden, aber immer wieder auf diesen Punkt verweisenden, weitwendigen Ausführungen - ausdrücklich in der "Gesamtlärmproblematik", die sich daraus ergebe, daß nicht genug Parkplätze vorhanden seien, sowie in "betriebskausalen Einzellärmereignissen" zur Nachtzeit, die durch das Zu- und Abfahren von Kraftfahrzeugen, und die damit einhergehenden "Nebengeräusche" wie "Kavalierstarts" sowie Unterhaltungslärm von "angeheiterten und alkoholisierten Gästen" entstünden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 12 Abs. 1 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977

(SROG 1977) , LGBl. Nr. 26 (zuletzt geändert durch die Novelle LGBl. Nr. 22/1991), lautete:

"§ 12

(1) Zum Bauland gehören und können besonders ausgewiesen werden:

1. reine Wohngebiete, das sind Flächen, die bestimmt sind für


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
Wohnbauten;
b)
hiezu gehörige, dem Bedarf der Bewohner dienende eingeschoßige Nebenanlagen (Garagen, Gartenhäuschen u.dgl.) sowie
c) Betriebe, die keine Geruchs- oder Lärmbelästigung, sonstige Luftverunreinigung oder Erschütterung für die Nachbarschaft und keinen erheblichen Straßenverkehr und keine Gefährdung der Umgebung durch Explosion oder Strahlung zu verursachen geeignet sind und die sich der Eigenart des Wohngebietes entsprechend in die Umgebung einordnen lassen;
2. erweiterte Wohngebiete, das sind Flächen, die bestimmt sind für
a)
Wohnbauten;
b)
hiezu gehörige, dem Bedarf der Bewohner dienende Nebenanlagen (Garagen, Gartenhäuschen, Gewächshäuser u.dgl.);
c) Betriebe, die keine erhebliche Geruchs- oder Lärmbelästigung, sonstige Luftverunreinigung oder Erschütterung für die Nachbarschaft und keinen übermäßigen Straßenverkehr verursachen und im übrigen die in Z. 1 lit. c angeführten Merkmale aufweisen, sowie
d) Bauten für Erziehungs-, Bildungs- und sonstige kulturelle Zwecke, für soziale Zwecke und für Zwecke der öffentlichen Verwaltung;
3. Kerngebiete, das sind Flächen, die bestimmt sind
a) vorwiegend für Bauten der in Z. 2 lit. d genannten Art und Betriebe des Handels und des Gewerbes, auf die die Voraussetzungen der Z. 2 lit. c zutreffen, sowie für Versammlungs-, Vergnügungs- und Veranstaltungsstätten sowie Bauten des Fremdenverkehrs samt den dazugehörigen Anlagen und Einrichtungen;
b) daneben für sonstige in Z. 1 und 2 angeführte Bauten mit besonderer Verdichtung;
4.
Gewerbegebiete ...
5.
Industriegebiete ...
...."
Strittig ist im Beschwerdefall, ob der - schon seit längerer Zeit an diesem Ort bestehende - gastgewerbliche Betrieb des Mitbeteiligten im "Bauland-erweitertes Wohngebiet" im Sinne des § 12 Abs. 1 Z. 2 SROG 1977 zulässig ist; dies wieder hängt - unter dem Blickwinkel des Beschwerdevorbringens - davon ab, ob es sich um einen Betrieb handelt, der keine erhebliche Geruchs- oder Lärmbelästigung, sowie keinen übermäßigen Straßenverkehr verursacht und sich der Eigenart des Wohngebietes entsprechend in die Umgebung einordnen läßt.
Den folgenden Erörterungen ist allerdings vorauszuschicken, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Mitspracherecht der Nachbarn in Bausachen in zweifacher Weise beschränkt ist. Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg.Nr. 10.317/A, u.v.a.).
Gemäß § 7 Abs. 1 lit. a des Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 117/1973, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 108/1983, haben bei den im § 2 Abs. 1 lit. a leg. cit. angeführten baulichen Maßnahmen (das ist die Errichtung von oberirdischen und unterirdischen Bauten einschließlich der Zu- und Aufbauten) neben dem Bewilligungswerber und dem Grundstückseigentümer, sowie unter der weiteren Voraussetzung, daß der umbaute Raum mehr als 300 m3 beträgt, auch die Eigentümer von Grundstücken, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind, als Nachbarn Parteistellung.
Gemäß § 9 Abs. 1 lit. g leg. cit. ist die Baubewilligung zu versagen, wenn durch die baulichen Maßnahmen ein subjektiv-öffentliches Recht einer Partei verletzt wird. Solche Rechte werden durch jene baurechtlichen Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und die Lage der Bauten im Bauplatz. Soweit jedoch Bestimmungen des Bautechnikgesetzes, LGBl. Nr. 75/1976, in Betracht kommen, ist das Mitspracherecht der Nachbarn auf die im § 62 taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechte beschränkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/06/0212).
Bezogen auf die Zulässigkeit des gegenständlichen Vorhabens unter raumordnungsrechtlichen Gesichtspunkten kommen als nachbarschützende Bestimmungen jene über die zulässige Flächennutzung in Betracht, soweit sie auch einen Immissionsschutz gewährleisten (vgl. Hauer, Salzburger Baurecht, S. 64 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung sowie die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 8275/A, vom , Slg. Nr. 9266/A und vom , Zl. 06/0401, 0402/80).
Dies trifft auf § 12 Abs. 1 Z. 2 SROG u.a. insoweit zu, als die Nachbareinwendung der übermäßigen Geruchs- und Lärmbelästigung, sowie der Verursachung übermäßigen Straßenverkehrs gilt.
Die in der Beschwerde behauptete Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des Beschwerdeführers beruht im wesentlichen auf der Behauptung, die Erweiterung des Betriebes des Mitbeteiligten verursache eine übermäßige Lärmbelästigung, vor allem durch vermehrte Zu- und Abfahrten von Kraftfahrzeugen, durch alle mit diesen Fahrbewegungen einhergehenden Lärmbelästigungen, wie das "Schlagen von Türen (und) der Unterhaltungslärm von Personen"; dies alles spiele sich - wegen Fehlens ausreichender Parkplätze - in unmittelbarer Nähe zum Wohnhaus des Beschwerdeführers ab.
Zu diesen Einwendungen ist zunächst - und grundsätzlich - anzumerken, daß die jeweils zulässige Belästigungstoleranz in den im § 12 Abs. 1 SROG 1977 angeführten Baugebieten vom reinem Wohngebiet über das erweiterte Wohngebiet, und das Kerngebiet bis zum Industrie- bzw. Gewerbegebiet zunimmt. Betriebe, die im erweiterten Wohngebiet nicht zulässig sind, sind daher umsoweniger im reinen Wohngebiet zulässig. Hinsichtlich der Zulässigkeit von Betrieben, die nicht "Versammlungs-, Vergnügungs- und Veranstaltungsstätten, Bauten des Fremdenverkehrs" (vgl. § 12 Abs. 1 Z. 3 lit. a SROG 1977) sind, verweist auch § 12 Abs. 1 Z. 3 lit. a SROG 1977 auf Z. 2 lit. c; dies bedeutet - fallbezogen -, daß Gewerbebetriebe, die wegen übermäßiger Geruchs- und Lärmentwicklung im erweiterten Wohngebiet nicht zulässig sind, nicht nur im reinen Wohngebiet, sondern auch im Kerngebiet unzulässig sind.
Nach der Aktenlage handelt es sich im Beschwerdefall um den Zubau zu einem Gasthaus mit (auch nach dem Zubau unverändert) rund 45 Sitzplätzen. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß von diesem Betrieb als solchem eine übermäßige Lärmentwicklung ausgeht. Den befürchteten Störungen zur Nachtzeit durch undisziplinierte Gäste kann jedoch nicht mit den Mitteln des Baurechts, sondern nur mit jenen des Gewerberechts (z.B. durch die Festlegung einer früheren Sperrstunde entsprechend den Anregungen des medizinischen Sachverständigen) gesteuert werden (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 83/05/0049, BauSlg. 170, vom , Zl. 87/05/0206, BauSlg. Nr. 1117, und vom , Zlen. 82/06/0005, 0006, 0008). Es muß jedenfalls nach der dargelegten Systematik des § 12 Abs. 1 SROG 1977 davon ausgegangen werden, daß ein Gasthaus dieser Größe schon nach seiner Betriebstype nicht etwa erst im Kern- oder im Gewerbegebiet, sondern jedenfalls im Prinzip auch im erweiterten Wohngebiet zulässig ist. Geräusch- und Geruchsimmissionen von Gastwirtschaften dieser Art und Größe sind daher - im allgemeinen - als nicht "erhebliche Belästigung" im Sinne des § 12 Abs. 1 Z. 2 lit. c SROG 1977, im erweiterten Wohngebiet hinzunehmen.
Ob sich der Betrieb mit der Eigenart des umliegenden Wohngebietes in Einklang bringen läßt, kann - soweit dies der Beschwerdeführer in seiner Argumentation nicht als zusätzliche Beschränkung der zulässigen Geräuschimmissionen mißversteht - unerörtert bleiben, weil die Einordenbarkeit in die nähere Umgebung kein NACHBARSCHÜTZENDES Erfordernis ist: Dabei handelt es sich nämlich um die Berücksichtigung der die Umgebung kennzeichnenden baulichen (allenfalls auch gewerblichen) Nutzungen, mit anderen Worten, um alle Umstände, die für den Charakter und die Funktion (mit anderen Worten: für die Eigenart) der in der Umgebung vorhandenden Bebauung objektiv von Bedeutung sind. Ein subjektiv-öffentliches Recht des einzelnen Nachbarn auf die Beibehaltung der Eigenart der Umgebung besteht daher ebensowenig wie im Hinblick auf das Ortsbild oder das Landschaftsbild (vgl. dazu die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht3, S. 226 zitierte Rechtsprechung).
Da sich somit die Argumentation der Beschwerde schon im Ansatz als verfehlt erweist, bedarf es keiner näheren Erörterung der darin behaupteten - erst aus den verfehlten Prämissen abgeleiteten - Verfahrensverstöße der belangten Behörde.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.