VwGH vom 12.11.1996, 95/19/0735
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
96/19/3221
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über den Antrag des N in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde und über die Beschwerde des Genannten gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 103.583/2-III/11/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. Aufenthaltsbewilligung,
Spruch
1. den Beschluß gefaßt:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
2. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zu 1.: Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers in der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde sowie in der mit datierten Äußerung im Zusammenhalt mit den Bestätigungen des M und des B je vom sowie aufgrund der handschriftlichen Vermerke des S vom 18. und vom steht folgender Sachverhalt fest:
Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer an der Adresse U-Gasse zu eigenen Handen zuzustellen versucht. Nach dem Inhalt des Rückscheines erfolgte der erste Zustellversuch am . Die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches wurde in das Hausbrieffach eingelegt. Der zweite Zustellversuch erfolgte nach dem Inhalt des Rückscheines am . Nach Einlegung einer Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach erfolgte diese beim Zustellpostamt. Beginn der Abholfrist war der . Der Beschwerdeführer hatte die an der Zustelladresse situierte Wohnung Anfang Jänner 1995 geräumt und wohnte in der Zeit vom bis an der Adresse J-Gasse.
Die hinterlegte Sendung wurde vom Zustellpostamt nach Ablauf der Hinterlegungsfrist an die belangte Behörde rückgemittelt.
Im Juni 1995 erreichte den Beschwerdeführer eine Information seitens der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, darüber, daß er sich unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte und seine Ausreise notwendig sei. Der Beschwerdeführer beauftragte sodann die Beschwerdevertreterin mit der Durchführung entsprechender Erhebungen. Diese erteilte ihrem Kanzleiangestellten S den Auftrag, Akteneinsicht zu nehmen. Dieser setzte sich am telefonisch mit der erstinstanzlichen Behörde in Verbindung und vereinbarte mit der Referentin einen Termin am zwischen 14.00 und 15.00 Uhr. Anläßlich dieses Termines fand eine Ausfolgung des angefochtenen Bescheides an den Kanzleiangestellten der Beschwerdevertreterin jedoch nicht statt, weil dieser nicht greifbar war. Am begab sich der Kanzleiangestellte der Beschwerdevertreterin neuerlich zur erstinstanzlichen Behörde, wo er den angefochtenen Bescheid in Kopie ausgefolgt erhielt und ihn am gleichen Tag an die Beschwerdevertreterin übergab.
Anläßlich der Ausfolgung des angefochtenen Bescheides am unterfertigte der Kanzleiangestellte der Beschwerdevertreterin eine von der Referentin bereits am vorbereitete und mit diesem Datum datierte Ausfolgebestätigung.
Der Verwaltungsgerichtshof erachtet das Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund der von ihm vorgelegten Urkunden als bescheinigt, zumal die belangte Behörde weder eine Gegenschrift erstattete, noch von der Möglichkeit Gebrauch machte, sich zu den Behauptungen des Beschwerdeführers in seiner mit datierten Eingabe zu äußern, und somit seinem Vorbringen nicht entgegentrat.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, daß die Zustellung des angefochtenen Bescheides durch Hinterlegung unwirksam war, weil es sich bei der Zustelladresse nicht mehr um die Wohnung des Beschwerdeführers und damit auch nicht mehr um eine Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustellG gehandelt hat. Aus dem Grunde des § 17 Abs. 1 ZustellG kann eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung jedoch nur an der Abgabestelle erfolgen. Eine Heilung dieses Zustellmangels ist erst am erfolgt, wobei es in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben kann, ob diese Heilung schon durch die Ausfolgung des angefochtenen Bescheides in Kopie an den Kanzleiangestellten der Beschwerdevertreterin oder erst mit Übergabe desselben durch den Kanzleiangestellten an die Beschwerdevertreterin und Zustellbevollmächtigte des Beschwerdeführers erfolgte.
Die am zur Post gegebene Beschwerde ist daher rechtzeitig.
Eine - vorliegendenfalls vom Beschwerdeführer gemeinsam mit der genannten Äußerung vom beantragte - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist begrifflich aber nur möglich, wenn tatsächlich eine Frist versäumt wurde. Wurde - wie hier - die Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde nicht versäumt, so ist einem Wiedereinsetzungsantrag schon aus diesem Grunde nicht stattzugeben (vgl. die bei Hauer/Leukauf5, 672, wiedergegebene Judikatur).
Zu 2.: Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Die erstinstanzliche Behörde ordnete die Zustellung dieses Bescheides an der vom Beschwerdeführer in seinem Bewilligungsantrag als derzeitigen Wohnsitz angegebenen Adresse S-Gasse an. Nach dem Inhalt des Rückscheines erfolgte die Zustellung dieses Bescheides nach einem Zustellversuch an der genannten Adresse durch Hinterlegung beim Zustellpostamt. Beginn der Abholfrist war der .
Am wurde der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer beim Landeshauptmann von Wien persönlich ausgefolgt.
Mit einer am bei der erstinstanzlichen Behörde persönlich überreichten Eingabe erhob der Beschwerdeführer erkennbar Berufung gegen den Bescheid vom . Darin brachte er zur Rechtzeitigkeit seiner Eingabe vor, er sei am an die Adresse U-Gasse verzogen. Die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an seiner im Zustellzeitpunkt nicht mehr aktuellen Adresse S-Gasse habe ihn nicht erreicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Dem Vorbringen, wonach die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides nicht an der Abgabestelle des Beschwerdeführers erfolgt sei, sei zu entgegnen, daß aus dem Grunde des § 8 Abs. 1 ZustellG eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen habe. Aus diesem Grund sei die Zustellung durch Hinterlegung am rechtswirksam. Die erst am eingebrachte Berufung sei als verspätet zurückzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Zustellung einer Sendung durch Hinterlegung setzt aus dem Grunde des § 17 Abs. 1 ZustellG jedenfalls voraus, daß diese AN DER ABGABESTELLE nicht zugestellt werden kann. Der Beschwerdeführer hat schon in der Berufung vorgebracht, daß er die Wohnung an der Adresse S-Gasse im Zeitpunkt der Zustellung bereits aufgegeben hatte, also eine Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustellG für ihn an dieser Adresse nicht bestand.
Die belangte Behörde hat dieses Vorbringen für unbeachtlich angesehen, weil sie offenbar die Auffassung vertrat, eine Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG sei auch an einer nicht mehr bestehenden Abgabestelle zulässig, wenn die Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde nicht unverzüglich mitteilt.
Dabei verkennt die belangte Behörde jedoch, daß eine Hinterlegung gemäß § 8 ZustellG einer entsprechenden behördlichen Anordnung gemäß § 23 Abs. 1 ZustellG bedarf, der eine Prüfung der Voraussetzungen durch die Behörde im Sinne des § 8 ZustellG voranzugehen hat. Eine Anordnung durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 ZustellG hat nach der Aktenlage im vorliegenden Fall nicht stattgefunden, weshalb die belangte Behörde auch nicht von einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 8 ZustellG hätte ausgehen dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/10/0176, = Slg. Nr. 11.575/A).
Die belangte Behörde hat es in Verkennung dieser Rechtslage unterlassen, Feststellungen zu den Berufungsbehauptungen über die Aufgabe der bisherigen Abgabestelle des Beschwerdeführers zu treffen. Sie hat hiedurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung wurde aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG Abstand genommen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.