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VwGH vom 14.01.1991, 89/15/0092

VwGH vom 14.01.1991, 89/15/0092

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der X-GmbH gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11 - 842/1/89, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft m.b.H. wurde im Jahre 1984 mit einem Stammkapital von S 20 Mio gegründet. Am teilte sie dem Finanzamt mit, daß sie mit Jahresende 1985 von ihren Gesellschaftern einen nicht rückzahlbaren Zuschuß in der Höhe von S 40 Mio zur Deckung des voraussichtlichen Verlustes erhalten habe.

Das Finanzamt setzte gegenüber der Beschwerdeführerin zunächst mit vorläufigem Bescheid gemäß § 2 Z. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes vom , DRGBl. I 1058 (KVG) Gesellschaftsteuer im Betrage von S 400.000,-- fest.

Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer unter anderem die Auffassung, bei der Beurteilung, ob die Leistung zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital oder einer Überschuldung erforderlich gewesen sei, sei die in der Handelsbilanz der Beschwerdeführerin zum ausgewiesene Forderung auf Gewährung einer Investitionsprämie in der Höhe von S 32,062.097,-- zu berücksichtigen. Der Tatbestand, auf den sich die Forderung gründe, nämlich das Vorliegen der in den §§ 1 bis 4 des Investitionsprämiengesetzes genannten Voraussetzungen, sei im maßgeblichen Zeitpunkt bereits verwirklicht gewesen. Dieser Auffassung des Prüfers folgend setzte das Finanzamt die Gesellschaftsteuer gegenüber der Beschwerdeführerin mit endgültigem Bescheid mit S 781.489,-- fest, wobei es davon ausging, daß ein Teilbetrag von S 1,851.077,23 dem ermäßigten Steuersatz (§ 9 Abs. 2 KVG) und ein Teilbetrag von S 38,148.922,77 dem Regelsteuersatz (§ 9 Abs. 1 KVG) unterliege.

Mit der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin unter anderem (soweit im Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung) geltend, bei der auf den Tag der Gesellschafterleistung zu erstellenden Berechnung der Überschuldung bzw. des Verlustes am Stammkapital müsse die in der Handelsbilanz der Beschwerdeführerin zum ausgewiesene Forderung für die Investitionsprämie 1985 außer Ansatz bleiben, da die Beschwerdeführerin die Prämie erst durch Abgabe der Verzeichnisse gemäß § 5 des Investitionsprämiengesetzes für das 1. bis 4. Quartal 1985 am beantragt habe. Für die Entstehung des Anspruches auf Investitionsprämie seien zwei Voraussetzungen erforderlich, nämlich die Durchführung der begünstigten Investitionen und die Stellung eines Antrages; nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt wären, liege ein bewertungsrechtlich relevanter Abgabenanspruch bzw. Abgabenerstattungsanspruch vor, der bei der hier strittigen Berechnung der Überschuldung bzw. des Verlustes am Stammkapital zu berücksichtigen wäre. Im gegenständlichen Fall sei der zweite Tatbestand, nämlich die Geltendmachung durch Vorlage der Verzeichnisse, im Zeitpunkt der Erbringung der Gesellschafterleistung am noch nicht erfüllt gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei auch in keiner Weise gewiß gewesen, ob für die Investitionen des Jahres 1985 tatsächlich eine Investitionsprämie in Anspruch genommen werde. Erst mit der Einreichung der Verzeichnisse am sei der eindeutige Wille der Beschwerdeführerin dokumentiert worden, die Investitionsprämie in Anspruch zu nehmen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise - im Sinne von Berufungsbegehren, die im Beschwerdeverfahren nicht mehr von Bedeutung sind, nämlich betreffend die "Aliquotierung" der zum ausgewiesenen Forderung auf Investitionsprämie, bezogen auf den , und deren Abzinsung - Folge und setzte die Gesellschaftsteuer mit insgesamt S 761.364,-- fest, wobei sie einen Teilbetrag der Gesellschafterleistung von S 36,136.420,-- dem Normalsteuersatz und einen Teilbetrag von S 3,863.580,-- dem ermäßigten Steuersatz unterzog. Im übrigen gab sie der Berufung nicht Folge. Die im Beschwerdeverfahren noch strittige Frage betreffend vertrat sie im wesentlichen die Auffassung, der Anspruch auf Investitionsprämie entstehe im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsgutes. Die entsprechende Forderung sei daher bei der Beurteilung der Überschuldung zu berücksichtigen.

Mit der vorliegenden Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 KVG beträgt die Steuer 2 v.H. Die Steuer ermäßigt sich zufolge § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG auf 1. v.H. beim Erwerb von Gesellschaftsrechten, bei der Veräußerung eigener Gesellschaftsrechte und bei Leistungen, soweit sie erforderlich sind:

a) zur Deckung der Überschuldung einer inländischen Kapitalgesellschaft,

b) zur Deckung eines Verlustes am ... Stammkapital einer inländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Im Beschwerdefall ist zunächst strittig, ob bei der Beurteilung des Ausmaßes der Überschuldung der Beschwerdeführerin deren Forderung auf Gewährung einer Investitionsprämie zu berücksichtigen ist. Die Beschwerdeführerin vertritt dazu im wesentlichen den Standpunkt, es sei auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erbringung der gesellschaftsteuerpflichtigen Leistung am abzustellen. An diesem Tag sei ein Antrag auf Gewährung der Investitionsprämie noch nicht gestellt gewesen. Der Anspruch sei von einer diesbezüglichen Antragstellung und von der Einhaltung materiell-rechtlicher Voraussetzungen (Vorlage eines Verzeichnisses im Sinne des § 5 des Investitionsprämiengesetzes) abhängig; vor Antragstellung bestehe daher kein (auch kein bedingter) Anspruch.

Das Entstehen der Steuerschuld ist im Gesellschaftsteuerrecht nach der Generalklausel des § 4 Abs. 1 BAO zu beurteilen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/15/0323, und die darin zitierte Vorjudikatur). Danach entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht wird, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Bei Leistungen entsteht die Steuerschuld mit dem tatsächlichen Bewirken der Leistung (vgl. z.B. Egly - Klenk, Gesellschaftsteuer, Kommentar4, Rz 489).

Nach den unstrittigen Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde ist somit der Abgabenanspruch mit dem entstanden; auf diesen Zeitpunkt ist im vorliegenden Fall auch die Beurteilung des Ausmaßes der Überschuldung der Beschwerdeführerin abzustellen.

Überschuldung liegt vor, wenn die Schulden der Gesellschaft die vorhandenen Vermögenswerte übersteigen. Maßgebend für die Bewertung (sowohl der Schulden als auch der Vermögenswerte) sind dabei nicht die Wertansätze der Handels- oder Steuerbilanz, sondern die wahren Vermögenswerte (vgl. Egly - Klenk, aaO Rz 468; Kinnebrock - Meulenbergh, Kapitalverkehrsteuergesetz5, § 9 Rz 9; Brönner - Kamprad, Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz4 § 7 Rz 32). Bei deren Ermittlung sind die Vorschriften des ersten Teiles des Bewertungsgesetzes 1955 (BewG) heranzuziehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/15/0032, und die darin zitierte Lehre und Rechtsprechung).

Nach bewertungsrechtlichen Grundsätzen ist unter anderem auch die Frage zu entscheiden, ob - im vorliegenden Fall bei der Prüfung des Ausmaßes der Überschuldung der Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitpunkt - eine Kapitalforderung dem Grunde nach anzusetzen ist (vgl. Rössler - Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar15 § 95 Rz 43). Dabei ist die rechtliche Entstehung der Forderung nicht Voraussetzung; eine Kapitalforderung, mit deren Erfüllung sicher zu rechnen ist, ist daher auch dann anzusetzen, wenn sie (noch) nicht "rechtsverbindlich entstanden" ist (vgl. z.B. Rössler - Troll aaO § 95 Rz 43 und die dort zitierte Rechtsprechung).

Nach dem Investitionsprämiengesetz (BGBl. Nr. 110/1982) kann bei Anschaffung oder Herstellung abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine Investitionsprämie in Höhe eines Prozentsatzes der steuerlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden. Die Prämie wird auf dem Abgabenkonto gutgeschrieben und gehört nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1972 (§ 7). Eine Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 6 Z. 10 EStG 1972 ist nicht vorzunehmen. Die Investitionsprämie kann nur für Wirtschaftsgüter geltend gemacht werden, die in einem dem Finanzamt spätestens mit der Erklärung über den Gewinn des entsprechenden Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) vorgelegten Verzeichnis einzeln angegeben werden.

Der Auffassung der Beschwerdeführerin, ein Rechtsanspruch auf die Investitionsprämie setze unter anderem die Stellung des Antrages und die Vorlage des Verzeichnisses voraus, ist somit zuzustimmen. Dies ist aber, wie schon dargelegt wurde, für die Beurteilung der hier vorliegenden Frage nicht ausschlaggebend. Maßgeblich ist vielmehr, ob mit der Erfüllung der Forderung aus der Sicht des Zeitpunktes der Entstehung der Steuerschuld sicher zu rechnen ist. Dies ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise hier der Fall, weil die entscheidenden materiellen Voraussetzungen, nämlich die Anschaffung oder Herstellung von begünstigten Wirtschaftsgütern, im maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorlagen und davon auszugehen war, daß der Abgabepflichtige den erforderlichen Antrag stellen werde (vgl. z. B. im Zusammenhang mit der Bilanzierung des Anspruches auf Investitionszulage nach dem deutschen Investitionszulagengesetz Knobbe - Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht560; zur Bilanzierung eines Anspruches auf Prämie nach § 5 Abs. 4 Invalideneinstellungsgesetz vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0119). Umstände, die im maßgeblichen Zeitpunkt dafür gesprochen hätten, die Beschwerdeführerin werde trotz ihrer durch die Herstellung bzw. Anschaffung begünstigter Wirtschaftsgüter konkretisierten Anwartschaft auf Gewährung einer Investitionsprämie ihren Anspruch, dessen Realisierung sich kein Unternehmer vernünftigerweise entgehen läßt, nicht geltend machen, wurden gar nicht behauptet.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann auch aus § 7 letzter Satz des Investitionsprämiengesetzes idF BGBl. Nr. 128/1984, wonach bei der Bewertung von Wirtschaftsgütern (§ 6 EStG 1972), für deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten die erhöhte Investitionsprämie geltend gemacht wurde, diese in Abzug zu bringen ist, nicht abgeleitet werden, daß die Berücksichtigung des Anspruches auf Investitionsprämie bei der Beurteilung des Ausmaßes der Überschuldung im Sinne des § 9 Abs. 2 KVG von der erfolgten Antragstellung abhinge.

Auch der auf § 8 des Investitionsprämiengesetzes gestützten Ansicht der Beschwerdeführerin, der wahre gemeine Wert eines Anspruches auf Investitionsprämie sei mit einem "gravierenden Abschlag" (vom Nennwert) anzunehmen, kann nicht zugestimmt werden. Nach der zitierten Vorschrift ist die Investitionsprämie, die auf die betreffenden Wirtschaftsgüter entfällt, vom Steuerpflichtigen (von der Gesellschaft) zurückzuzahlen, wenn die Wirtschaftsgüter, für deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten eine Investitionsprämie geltend gemacht wurde, vor Ablauf der fünf auf das Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) ihrer Anschaffung oder Herstellung folgenden Jahre aus dem Betriebsvermögen ausscheiden, vor Ablauf dieser Frist in eine im Ausland gelegene Betriebsstätte verbracht werden oder der Betrieb (Teilbetrieb) vor Ablauf dieser Frist veräußert oder aufgegeben wird.

Nach § 14 Abs. 1 BewG sind Kapitalforderungen mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Ob "besondere" (nur für den Einzelfall zutreffende) Umstände im Sinne der zitierten Vorschrift vorliegen, ist grundsätzlich nach den Verhältnissen am Stichtag zu beurteilen (vgl. Rössler - Troll aaO § 12 Anm 17). Daß im vorliegenden Fall bereits nach den Verhältnissen am Stichtag mit dem Eintritt von Umständen, die zur Rückforderung der Investitionsprämie nach § 8 des Investitionsprämiengesetzes hätten führen können, zu rechnen gewesen wäre, hat die Beschwerdeführerin aber ebenfalls nicht behauptet. Der Abzug der Rückzahlungsverbindlichkeit als Schuld kommt im Hinblick auf § 6 Abs. 1 BewG ebenfalls erst dann in Betracht, wenn die zur Rückzahlung führenden Umstände bereits eingetreten sind (Rössler - Troll aaO § 103 Anm 63e).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.