VwGH vom 24.01.2002, 2001/16/0372

VwGH vom 24.01.2002, 2001/16/0372

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der B in L, vertreten durch Hopmeier, Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rathausstraße 15, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. AO 720/43-09/01, betreffend Aufhebung eines Erbschaftssteuerbescheides im Aufsichtsweg, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist zu einem Drittel gesetzliche Erbin nach ihrem am verstorbenen Ehegatten.

In dem dem Finanzamt vom Bezirksgericht Eisenstadt übermittelten Verlassenschaftsakt befindet sich unter anderem ein Schreiben einer Bank vom an den die Verlassenschaftsabhandlung durchführenden Notar. Dieses Schreiben lautet auszugsweise:

"Betreff: Verl.n..., verst. ... Sehr geehrter Herr Notar!

Wir geben folgenden Saldo des erblasserischen Kontos per Todestag bekannt:

Kreditkonto Nr. ... lautend auf den Verstorbenen und einer

weiteren Mitverpflichtung:


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Saldo per Todestag
S
572.605,48
im Soll
Bewegungen nach Todestag in Unkenntnis des Todes:
Quartalsabschluss
―S
6.764,66
Kreditrate
+S
4.712,--
Kreditrate
+S
4.560,--
Realisierung Lebensvers.
+S
440.137,80
Realisierung Lebensvers.
+S
999.283,50
Saldo derzeit
S
869.323,16
im Haben"

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (Finanzamt) schrieb der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom gemäß § 8 Abs. 5 ErbStG Erbschaftssteuer von S 103,-- vor. Als Bemessungsgrundlage wurde der maßgebliche Wert der Grundstücke von S 5.160,-- herangezogen. Die Bemessungsgrundlage wurde wie folgt aufgeschlüsselt:


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"Erbanfall zu 1/3
Einheitswert der Grundstücke
(steuerlich maßgeblicher Wert der Grundstücke)...
5.166,67 S
bezugsberechtigte Versicherung...
82.195,00 S
Guthaben bei Banken...
300.359,67 S
sonstige Forderungen...
21.179,65 S
Kosten der Bestattung...
―61.054,07 S
Kosten der Regelung des Nachlasses...
―9.328,67 S
sonstige Kosten...
―236,67 S
Darlehen...
―81.864,01 S
Freibetrag gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG...
―30.000,00 S
Freibetrag gemäß § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG...
―300.359,67 S
_____________
steuerpflichtiger Erwerb...
0,00 S"

Der Ansatz für die Bemessungsgrundlage "Guthaben bei Banken" in der Höhe von S 300.359,67 ergab sich aus dem Drittel der Summe der Bankguthaben von S 869.323,16 und von S 31.755,86. Dieses im Zeitpunkt der Errichtung des Inventars bestehende Bankguthaben war nach dem im Verlassenschaftsakt befindlichen Schreiben der genannten Bank vom unter anderem durch die nach dem Todestag realisierten Lebensversicherungen entstanden.

Nach Ergehen des Bescheides erster Instanz langte beim Finanzamt am ein Schreiben der Lebensversicherungs AG vom ein, wonach der Erblasser auf den Betrag von insgesamt S 1,453.000,00 lebensversichert gewesen sei. Als Versicherungsleistung sei infolge des Ablebens der versicherten Person ein Betrag von S 1,440.175,70 fällig geworden. Dieser Betrag sei an die Beschwerdeführerin als begünstigte Person zur Überweisung gebracht worden.

Mit Bescheid vom nahm das Finanzamt das Verfahren in der Erbschaftssteuersache betreffend Erwerb von Todes wegen nach Franz G von Amts wegen gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf, hob den Bescheid vom auf und schrieb der Beschwerdeführerin unter Heranziehung der Bemessungsgrundlage von S 1,440.175,70 die Erbschaftssteuer von S 82.077,-- vor. Die Wiederaufnahme sei auf Grund der Tatsache erfolgt, dass neues Vermögen hervorgekommen sei.

Der gegen diesen Bescheid erhoben Berufung gab die belangte Behörde Folge und hob den Bescheid vom mit der Begründung auf, durch die Einsichtnahme des Finanzamtes in den Verlassenschaftakt sei das Schreiben der Bank vom dem Finanzamt vor Bescheiderlassung bekannt gewesen. Es sei demnach der Wiederaufnahmegrund der neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel nicht gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Erbschaftssteuerbescheid des Finanzamtes vom im Aufsichtsweg gemäß § 299 Abs. 1 lit. b BAO auf. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, im Zuge der Bemessung der Erbschaftssteuer sei fälschlicher Weise für den gesamten auf dem Kreditkonto befindlichen Betrag die Begünstigungsvorschrift des § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG angewendet worden, weil übersehen worden sei, dass es sich bei den auf dem Konto befindlichen Beträgen um Zuflüsse aus Lebensversicherungen nach dem Todestag des Erblassers gehandelt habe. Durch die Einsichtnahme des Finanzamtes in den Verlassenschaftsakt, insbesondere durch die richtige rechtliche Würdigung des Schreibens der Bank für Arbeit und Wirtschaft vom wäre die Existenz einer vom Erblasser abgeschlossenen Lebensversicherung ersichtlich gewesen. Somit sei der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen worden. Die belangte Behörde habe sich bei Ausübung des ihr nach § 299 BAO eingeräumten Ermessens von Zweckmäßigkeitserwägungen insoweit leiten lassen, als einerseits das Prinzip der Rechtsrichtigkeit den Vorrang vor dem Prinzip der aus der Rechtskraft fließenden Rechtsbeständigkeit und Rechtssicherheit habe, andererseits die Aufhebung der Sicherung des öffentlichen Interesses an der Gleichmäßigkeit der "Verwaltung" diene.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtaufhebung des Erbschaftsteuerbescheides vom verletzt.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 299 Abs. 1 lit. b BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde in Ausübung des Aufsichtsrechtes aufgehoben werden, wenn der dem Bescheid zugrundeliegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde.

Der Aufhebungsgrund der aktenwidrigen Annahme eines Sachverhaltes liegt vor, wenn die Behörde bei Gestaltung des Bescheides von einem Sachverhalt ausgegangen ist, welcher mit den in den Verwaltungsakten festgehaltenen Tatsachen nicht im Einklang steht. Ergeben die aktenmäßigen Unterlagen ein anderes Sachverhaltsbild als das, das schließlich dem Bescheid zugrunde gelegt wurde, dann liegt im Widerspruch zwischen dem aktenmäßigen und dem bescheidgemäß vertretenen Sachverhalt der Mangel der aktenwidrigen Sachverhaltsannahme begründet, der zur Aufhebung nach § 299 Abs. 1 lit. b BAO führen kann (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2883).

Aus dem Schreiben der Bank vom ist der Saldo des Bankguthabens zum Todestag zu ersehen. Weiter geht aus diesem Schreiben unmissverständlich hervor, dass die Realisierung von Lebensversicherungen in Höhe von S 440.137,80 und S 999.283,50 zu Kontenbewegungen nach dem Todestag führten und der "Saldo derzeit" S 869.323,48 betragen habe. Dieses Schreiben befand sich in dem dem Finanzamt übermittelten Verlassenschaftsakt, der nach einem Vermerk in dem von der belangten Behörde dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakt an das Verlassenschaftsgericht nach Erlassung des Bescheides erster Instanz am wieder zurückgesendet worden ist.

Entgegen der im Verlassenschaftakt festgestellten Tatsache der nach dem Todestag realisierten Lebensversicherungen ging das Finanzamt bei der Erlassung des Erbschaftssteuerbescheides in seiner Sachverhaltsannahme vom "Saldo derzeit" sowie von der Nichtrealisierung der zu versteuernden Lebensversicherungen aus und ließ diese in der Aufstellung der Bemessungsgrundlage des Erbschaftssteuerbescheides unberücksichtigt. Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Erbschaftssteuerbescheides nach § 299 Abs. 1 lit. b BAO lagen somit entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin wegen dieser aktenwidrigen Sachverhaltsannahme vor.

Die Beschwerdeführerin rügt auch die Ermessensübung der belangten Behörde.

Die belangte Behörde hat ihre Zweckmäßigkeitserwägungen in nachprüfbarer Weise in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegt und ist dabei nicht ausdrücklich auf etwaige Billigkeitsgründe eingegangen. Darin liegt jedoch kein relevanter Begründungsmangel (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/16/0133). Im Übrigen wurden in der Beschwerde keine im angefochtenen Bescheid allenfalls unberücksichtigt gebliebenen Billigkeitsgründe, die eine Rechtswidrigkeit der Ermessensübung aufzeigen könnten, vorgebracht.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde in einem im Hinblick auf die durch die bisherige Rechtsprechung klargestellten Rechtsfragen gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am