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VwGH vom 07.08.1992, 89/14/0160

VwGH vom 07.08.1992, 89/14/0160

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Schubert sowie die Hofräte Dr Hnatek, Dr Karger, Dr Baumann und Mag Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr Kirchmayr, über die Beschwerde der M GmbH in K, vertreten durch Dr P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten, Berufungssenat, vom , B 13/2 - 4/88, betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 1982, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 9.810 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht je zur Hälfte im Eigentum der G-Bank AG (in der Folge: Bank) und der C Ltd (in der Folge: Ltd). Laut Punkt 11 a) des Gesellschaftsvertrages obliegt den Gesellschaftern ua der Beschluß über die Gewinnverteilung.

Mit Umlaufbeschluß der Generalversammlung vom 27. September/ wurde der handelsrechtliche Gewinn für das Jahr 1982 in der Höhe von 53,737.198,53 S festgestellt und beschlossen, an die Ltd einen Gewinnanteil in der Höhe von 8,000.000 S und an die Bank einen in der Höhe von 45,737.198,53 S auszuschütten. Der letztgenannte Betrag wurde der Bank am überwiesen.

Auf Grund eines Vorstandsbeschlusses vom erklärte sich die Bank mit Schreiben vom bereit, der Beschwerdeführerin einen Gesellschafterzuschuß zur Verbesserung ihrer Eigenkapitalbasis in der Höhe von 37,737.198,53 S zu gewähren. Die Überweisung erfolgte am und wurde bei der Beschwerdeführerin als freie Rücklage verbucht.

Die aktenkundig ausgeschütteten Gewinnanteile für die Jahre 1983 bis 1986 sind für beide Gesellschafter gleich hoch.

Anläßlich einer im Jahr 1987 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung versagte das Finanzamt im wiederaufgenommenen Verfahren für den an die Bank über den Gewinnanteil der Ltd hinaus ausgeschütteten Betrag in der Höhe von 37,737.198,53 S die Zuerkennung des ermäßigten Steuersatzes nach § 22 Abs 2 KStG 1966. Der Prüfer qualifizierte die Ausschüttung dieses Betrages als Scheingeschäft zwecks Inanspruchnahme einer steuerlichen Begünstigung für bei der Beschwerdeführerin verbleibende Gewinnanteile. Dies ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, daß bereits vor der Beschlußfassung über die Ausschüttung eine verbindliche Zusage der Bank auf Leistung eines Gesellschafterzuschusses in der Höhe der Differenz der an die beiden Gesellschafter ausgeschütteten Beträge vorgelegen sei.

Mit Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, die besondere Ausprägung der vorliegenden "Schütt-aus-Hol-zurück" Politik - insbesondere die ungleiche Gewinnverteilung - sei durch die unterschiedlichen Gesellschafterbeiträge in der Vergangenheit (vor Eintritt der Ltd als Gesellschafter habe die Bank die Beschwerdeführerin saniert) und die verschiedene Bilanzpolitik der Gesellschafter begründet. Mißbrauch im Sinn des § 22 BAO liege nicht vor; die objektive Gestaltung sei rechtlich zulässig und wirtschaftlich weder unangemessen noch widersinnig. In subjektiver Hinsicht sei neben der Abgabenersparnis die Bilanzpolitik der Gesellschafter Motiv für die gewählte Vorgangsweise. Für die Bank sei die Ertragssituation durch die höheren Beteiligungserträge verbessert worden. Dabei sei unerheblich, ob mit den Rentatibilitätssteigerungen eine dauernde Verbesserung der Liquidität verbunden sei. Für die Beschwerdeführerin sei die Aufrechterhaltung der betriebsnotwendigen Liquidität bzw die Erhöhung der Eigenmittel außersteuerliches Motiv. Ein Scheingeschäft im Sinn des § 23 BAO liege schon deswegen nicht vor, weil die "Schütt-aus-Hol-zurück" Politik gewollt sei und die beabsichtigten Folgen tatsächlich eingetreten seien.

In weiterer Folge des Ermittlungsverfahrens nahm die Beschwerdeführerin detailliert zum wirtschaftlichen Hintergrund der gewählten "Schütt-aus-Hol-zurück" Politik Stellung. Aus bilanztechnischen und ertragspolitischen Gründen sei die Bank an möglichst hohen Gewinnausschüttungen - als Ausdruck der erfolgreichen Sanierungspolitik - interessiert gewesen; diese Gewinnausschüttungen hätten im Fall eines Kapitalbedarfes der Beschwerdeführerin als Gesellschafterzuschüsse verwendet werden können. Dadurch werde zwar der Cash-flow der Bank letztendlich nicht geändert, in bilanzieller Hinsicht seien jedoch einerseits höhere Erträge, anderseits ein höherer Ausweis auf dem Beteiligungskonto (Aktivierung der Gesellschafterzuschüsse) Folgen der gewählten Vorgangsweise. Im Zug der erhöhten Ausschüttung habe die Bank auf Grund der vorangegangenen Wertsteigerungen keine Teilwertabschreibung vom Bilanzansatz der Beteiligung vorgenommen, sodaß im Ergebnis die Differenz zwischem dem historischen Buchwert und dem Verkehrswert der Beteiligung vermindert worden sei. Im Gegensatz zur Bank habe die Ltd höhere Gewinnausschüttungsbeschlüsse verbunden mit allfälligen späteren Einzahlungsverpflichtungen verweigert. Für diese Haltung seien Befürchtungen, durch Gesellschafterzuschüsse japanische Schenkungssteuer auszulösen, und die konzerninterne Verrechnung kalkulatorischer Zinsen auf Basis der bilanzmäßig ausgewiesenen Beteiligung maßgeblich gewesen. Auf Grund dieser divergierenden Interessenslage sei es zu der ungleichen Ausschüttung mit nachfolgendem Kapitalzuschuß seitens der Bank gekommen.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies die belangte Behörde die Berufung ab. Die wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin hätte eine Ausschüttung in der tatsächlich vorgenommenen Höhe an die Bank ohne Absprache über den Rückfluß nicht zugelassen. Im Hinblick auf die Obsorgepflichten der Gesellschafter als ordentliche Kaufleute sei die Ausschüttung von unbedingt nötigen Mitteln als Verstoß gegen die Schutzbedürfnisse der Gläubiger zu qualifizieren. Da der Ausschüttungsbeschluß somit für den 16,000.000 S übersteigenden Teil nicht im Einklang mit dem Handelsrecht stehe, sei die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 22 Abs 2 KStG 1966 für den Betrag in der Höhe von 37,737.198,53 S ausgeschlossen. Daneben sei auch - unter Außerachtlassung des Verstoßes gegen das Handelsrecht - der Mißbrauchstatbestand des § 22 BAO verwirklicht. Nur die Ausschüttung von zwei betragsmäßig gleichen Gewinnanteilen von je 8,000.000 S sei sowohl gewollt als auch ausgeführt worden. Der kurzfristigen Überlassung eines Mehrbetrages an die Bank komme rechtens die Bezeichnung Darlehen zu. Die von der Beschwerdeführerin angeführten außersteuerlichen Motive seien nicht stichhaltig, weil von einer Abgeltung besonderer Leistungen der Bank in Anbetracht der Rückführungsverpflichtung keine Rede sein könne. Der buchmäßige Ausweis der "Schütt-aus-Hol-zurück" Politik bringe für die Bank keine Vorteile, weil sie den "Gewinn" in Kenntnis der Rückführungsverpflichtung nicht "als Frucht der Gesellschaftsanteile" behandeln dürfte. Bedeutsam sei noch der fehlende - im Wirtschaftsleben sonst allgemein gegebene - Interessensgegensatz zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Gesellschaftern. Bei einer solchen Gegebenheit sei eine fragwürdige Gestaltung einer besonders eingehenden Ausleuchtung zuzuführen.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Anwendung des § 22 Abs 2 KStG 1966 hinsichtlich des Betrages in der Höhe von 37,737.198,53 S verletzt und beantragt unter weitgehender Wiederholung ihrer Ausführungen im Administrativverfahren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde möge als unbegründet kostenpflichtig abgewiesen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 22 Abs 2 KStG 1966 ermäßigt sich die Körperschaftsteuer auf die Hälfte des sich nach Abs 1 leg cit ergebenden Betrages, soweit unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften offene Ausschüttungen auf Grund eines den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vornehmen. ...

Voraussetzung für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 22 Abs 2 KStG 1966 ist ein sowohl formal als auch inhaltlich dem Handelsrecht entsprechender Gewinnverteilungsbeschluß. Zur Prüfung dieser Frage sind die Bestimmungen des Aktiengesetzes 1965 bzw des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1906 in der jeweils geltenden Fassung heranzuziehen. Demnach sind Ausschüttungen nur dann als unzulässig anzusehen, wenn sich die Gewinnverteilung auf einen handelsrechtlich nicht ordnungsgemäß festgestellten Jahresabschluß bezieht bzw wenn der Ausschüttungsbeschluß sonstigen handelsrechtlichen Vorschriften (insbesondere Form- und Fristenregelungen) widerspricht (vgl Gassner, Gewinnausschüttungen aus steuerfreien Gesellschaftereinlagen oder unversteuerten Rücklagen und gespaltener Körperschaftsteuersatz, ÖStZ 1976, 158f).

Die Ansicht der belangten Behörde, die Ausschüttung von unbedingt nötigen Mitteln sei als Verstoß gegen Gläubigerschutzvorschriften und zwingendes Handelsrecht anzusehen, erweist sich als nicht zutreffend.

Liegt - wie im gegenständlichen Fall - eine handelsrechtlich zulässige Ausschüttung mit nachfolgender Rückzahlung im Rahmen eines freiwilligen Zuschusses vor, so ist das "Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren" steuerlich grundsätzlich anzuerkennen (vgl beispielsweise die hg Erkenntnisse vom , 314/77, vom , 445/79, Slg Nr 5566/F, und vom , 89/14/0064). Zu prüfen bleiben die nach Lage des Einzelfalles zu ziehenden Grenzen nach den §§ 22 und 23 BAO.

Für die Ansicht der belangten Behörde, in der Überlassung des Betrages in der Höhe von 37,737.198,53 S seitens der Beschwerdeführerin an die Bank sei ein Darlehen zu erblicken, weswegen die Ausschüttung ein Scheingeschäft darstelle, fehlen entsprechende Feststellungen. Überdies war die von der Beschwerdeführerin und ihren Gesellschaftern gewählte Vorgangsweise gewollt, wobei die beabsichtigten wirtschaftlichen Wirkungen dieser Geschäftspolitik tatsächlich eingetreten sind. Es spricht auch nichts dafür, daß abweichend vom erklärten Willen der Beschwerdeführerin und der Bank in Wahrheit Darlehensgeschäfte bzw darlehensähnliche Geschäfte beabsichtigt gewesen seien. Im übrigen spricht der von der belangten Behörde ins Treffen geführte Umstand der kurzfristigen Verfügbarkeit der Mittel zwischen Ausschüttung und Rückführung gegen den Darlehenscharakter der Transaktion.

Ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes im Sinn des § 22 BAO ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn zur Erreichung eines bestimmten Zieles ein nach bürgerlichem Recht ungewöhnlicher Weg gewählt wird, dem für die Gestaltung wirtschaftliche oder sonstige beachtliche Gründe fehlen, und der bestrittene Weg ohne das Ziel der Steuerersparnis einfach unverständlich wäre.

Als außersteuerliche Gründe für die gewählte Vorgangsweise nennt die Beschwerdeführerin die Interessenlage der Gesellschafter, insbesondere das Interesse der Bank an möglichst hohen Erträgen sowie die Abgeltung der besonderen Leistungen im Zusammenhang mit der Sanierung der Beschwerdeführerin und bilanzpolitische Überlegungen seitens der Bank. Diesen Argumenten entgegnet die belangte Behörde, daß der Betrag in der Höhe von 37,737.198,53 S angesichts der Rückzahlungsverpflichtung nicht als "Gewinn" behandelt werden dürfe. Daher sei dieser Betrag weder als Honorierung für besondere Leistungen noch als handelsrechtlich zulässiger Ertrag anzusehen.

Dem ist entgegenzuhalten, daß ausgeschüttete Gewinne unabhängig von bereits bestehenden Dispositionen als Erträge der Gesellschafter gelten. Die bereits vorher festgelegte Weiterverwendung der Beträge - im gegenständlichen Fall bilanz- und nicht erfolgswirksam - ist ein eigenständig auszuweisender Geschäftsfall. Eine Vorabverrechnung von zwei voneinander unabhängigen Buchungsvorgängen, die darüber hinaus buchhalterisch als qualitativ verschieden anzusehen sind, ist jedenfalls unzulässig. Im Ergebnis ist somit das Interesse der Bank an möglichst hohen Erträgen verwirklicht. Der weiters angeführte Aspekt, der Zuschuß habe eine Erhöhung des Wertansatzes des Beteiligungskontos in der Bilanz der Bank - eine Teilwertabschreibung wurde nicht vorgenommen - ermöglicht, ist ein weiteres bilanzpolitisch beachtliches Argument. Denn entgegen der Ansicht der belangten Behörde, die Buchungsvorgänge seien als Selbstzweck anzusehen, haben sowohl Erträge als auch ein erhöhter Ausweis von Aktivvermögen in der Bilanz wirtschaftlich Bedeutung. In Anbetracht dessen und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse verbundener Unternehmen ist die Anwendbarkeit der Mißbrauchsvorschriften im Sinn des § 22 BAO ausgeschlossen (vgl nochmals die bereits zitierten hg Erkenntnisse vom , vom und vom ).

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was zur Aufhebung dieses Bescheides gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG führen mußte. Es erübrigte sich daher, auf die in der Beschwerde geltend gemachte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften einzugehen.

Von einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich unter besonderer Bedachtnahme auf § 59 Abs 1 VwGG auf die §§ 47 ff leg cit in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991. Stempelgebührenersatz konnte nur im Ausmaß von 540 S gewährt werden (drei Beschwerdeausfertigungen 360 S, eine Kopie des angefochtenen Bescheides 180 S). Die Vorlage einer weiteren Kopie des angefochtenen Bescheides war zur Rechtsverfolgung nicht erforderlich (vgl § 28 Abs 5 VwGG). Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß der als steuerliche Vertreterin ausgewiesenen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft ebenso wie den bereits im Administrativverfahren eingeschrittenen Rechtsanwälten KEINE Zustellvollmacht erteilt wurde. Die Vorlage des Telefax zum Nachweis der fristgerechten Beschwerdeerhebung war daher zur Rechtsverfolgung ebenfalls nicht erforderlich. Die Urkunde über die Erteilung der Vollmacht wurde bereits im Verfahren 17 Cg 98/82 dem Handelsgericht Wien vorgelegt.