VwGH vom 26.06.1990, 89/14/0106
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1991, 41;
Betreff
N gegen Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 1/1/4-BK/Hd-1989, betreffend Einkommensteuer 1987:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Lehrer an einer Handelsakademie für die Unterrichtsfächer "spezielle Betriebswirtschaftslehre-Außenhandel" und "Volkswirtschaftslehre". In seiner Einkommensteuererklärung für 1987 machte er als Werbungskosten gemäß § 16 EStG 1972 einen Betrag von S 22.915,-- (S 13.915,-- Reisekosten, S 9.000,-- Tagesdiäten) geltend, der ihm durch eine Fortbildungsreise nach New York in der Zeit von 9. bis erwachsen sei.
Laut vorgelegten Programm wurde diese Reise vom Pädagogischen Institut des Bundes in Salzburg, Abteilung für Lehrer an berufsbildenden Schulen, in Zusammenarbeit mit der Salzburger Sparkasse und der Salzburger volkswirtschaftlichen Gesellschaft organisiert. Schwerpunktthema war die "New Yorker Börse" für die Zielgruppe Lehrer an berufsbildenden Schulen, insbesondere Lehrer der kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Unterrichtsgegenstände.
Für die Aufenthaltstage (der 9. und der waren zur Gänze Reisetage) galt folgendes Programm:
Freitag, :
8.00 Uhr Transfer zu Merrill Lynch und Prudential Bache.
Gespräch mit Brokern. Anschließend: Besuch der
Börse: New York Exchange, Stock Exchange.
14.00 Uhr Transfer zur Girozentrale.-Gespräch mit dem Leiter
der Außenstelle New York. Themen: Aufbau einer
amerikanischen Außenstelle; Aufgaben derselben;
Erwartungen, die in eine solche Stelle gesetzt
werden; Bedeutung für die Österreichische
Wirtschaft insgesamt.
Samstag, :
10.00 Uhr Beginn der Stadtrundfahrt
Sonntag, :
Tag zur freien Verfügung
Montag, :
9.00 Uhr Besuch bei der Müllentsorgungszentrale
(Gummistiefel werden zur Verfügung gestellt).
15.00 Uhr Gespräch mit dem Handelsdelegierten:
Schwerpunktthemen:
- Warenaustausch: Österreich - USA
- Bedeutung der Handelsvertretung
- Ausweitung der Devisenschwankungen auf
Österreichische Hartwährungspolitik (HWP)
- Bonität der österreichischen Währung
- Auswirkung der Bundespräsidentenwahlen,
Weinkrise etc.
- Dollarsturz
Dienstag, :
Vormittag: Besuch von Colleges: Diskussion mit Lehrkräften:
- Das amerikanische Bildungssystem im Vergleich
mit Österreich
- Fachdiskussion über die bisher gemachten
Erfahrungen
Nachmittag: Besuch der Morgan Bank: technische Ausstattung,
Dienstleistungen, Marktstrategien, Probleme mit
Krediten an Mexiko, Südamerika, Dritte Welt
(Umschuldungen etc.)
Mittwoch, :
9.00 Uhr Abfahrt nach Philadelphia.
14.00 Uhr Stadtrundfahrt und Besuch des Münzinstitutes mit
Vortrag. (Münzgeschichte)
Donnerstag, :
8.00 Uhr Abfahrt nach Washington
11.30 Uhr Ankunft im Hotel Shoreham
12.30 Uhr Stadtrundfahrt: Gespräch mit Beamten des Weißen
Hauses über die öffentliche Verwaltung und das
neue Steuersystem. (Vermittlung durch
österreichische Botschaftsangehörige)
Freitag, :
8.30 Uhr Besuch des Raumfahrtmuseums
10.30 Uhr Besuch der Notenbank (Dollarschwäche etc.)
15.00 Uhr Transfer zum Flughafen Washington
18.05 Uhr Abflug.
Das Finanzamt qualifizierte die Reisekosten als gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 nicht abzugsfähig.
In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, Planung und Durchführung der Reise hätte im Rahmen einer lehrgangsmäßigen Organisation stattgefunden. Die ausschließlich berufliche Bedingtheit sei einwandfrei zu erkennen. Die Kenntnisse, die durch die Reise zu gewinnen gewesen seien, seien in seiner beruflichen Tätigkeit als Lehrer an einer Handelsakademie konkret zu verwerten gewesen. Reiseprogramm und Durchführung seien einseitig und ausschließlich auf seine berufliche Tätigkeit als Lehrer ausgerichtet gewesen. Das angeführte Programm enthalte keine allgemein interessierenden Programmpunkte.
In der Folge erging eine abweisende Berufungsvorentscheidung, worauf der Beschwerdeführer einen Antrag gemäß § 276 Abs. 1 BAO stellte. Er brachte im Verfahren vor der belangten Behörde ergänzend vor, die Information über Müllentsorgung, der Besuch des Münzinstitutes in Philadelphia, der Besuch der Notenbank in Washington sowie das Gespräch mit Beamten des Weißen Hauses zu Steuerproblemen seien im Hinblick auf den Lehrplan der Handelsakademie (Umweltschutz, Geldtheorie, Steuersysteme/Steuerlehre) von grundlegender Bedeutung. Er sei auch Mitarbeiter der einschlägigen Lehrplankommission (für Bürgerkunde, Volkswirtschaftslehre, Verkehrswirtschaftslehre u.a.). Der Besuch von Fortbildungsveranstaltungen finde auch bei der Bewerbung um höhere Dienstposten Anerkennung.
In der mündlichen Berufungsverhandlung gab er unter anderem noch an, für die Reisetage außerhalb der Osterferien (9./) sei er dienstfrei gestellt worden. Er könne seine Reiseerfahrungen auch als Lehrbuchautor gut verwerten.
Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme des Pädagogischen Institutes des Bundes in Salzburg ein, in der auf die Bedeutung, Notwendigkeit und Freiwilligkeit der Lehrerfortbildung hingewiesen wurde. Es würden nur für die Erfüllung des Unterrichtszweckes nötige Fortbildungsveranstaltungen geplant und durchgeführt. Die Exkursion zur New Yorker Börse sei eine aus der Verstaltungsreihe "Börsenfahrten" (Wien, Zürich, London, künftig Paris) gewesen. Für derartige Auslandsexkursionen seien keine Dienstreiseaufträge vorgesehen und möglich.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Ausgehend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Studienreisen betonte die belangte Behörde, daß ein allgemeines berufliches Interesse auf keinen Fall ausreiche, um die Kosten einer Studienreise als Werbungskosten zu qualifizieren. Von den acht Aufenthaltstagen wären drei auf Besichtigungen und Diskussionen entfallen, die die Unterrichtsgegenstände des Beschwerdeführers tangieren würden, nämlich der 10. und der 14. April zur Gänze, sowie jeweils teilweise der 13. (Besuch beim Handelsdelegierten) und der 17. April (Besuch der Notenbank). Sämtliche anderen Besichtigungspunkte würden Anziehungskraft auch für andere als in der spezifischen Richtung interessierte Teilnehmer bieten. Eine dienstliche Verpflichtung zur Vornahme der Reise habe mangels Dienstauftrages nicht bestanden. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, daß der Beschwerdeführer die Reise unternommen habe, um seine Einkunftsquelle als Handelsakademielehrer zu sichern oder zu erhalten. Auch die Reiseorganisation durch das Pädagogische Institut des Bundes für die genannte Zielgruppe qualifiziere die Reise noch nicht als Studienreise. Ein fünftägiger Freizeitraum sei bei einem achttägigen Auslandsaufenthalt offenkundig unüblich.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in der vorliegenden Beschwerde durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, die Kosten der genannten Studienreise "im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 1987" als erhöhte Werbungskosten abzuziehen. Er beantragt diesen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 dürfen Aufwendungen für die Lebensführung, welche die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, auch wenn sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Aus diesem Grunde muß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gerade bei Aufwendungen, die auch in den Kreis der privaten Lebensführung fallen können, ein strenger Maßstab angelegt und eine genaue Unterscheidung vorgenommen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/14/0031).
Über die Abzugsfähigkeit des Aufwandes für die Teilnahme an Studienreisen liegt eine umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer § 16 Abs. 1 EStG 1972 allgemein Seite 36 ff, § 20 EStG 1972 Seite 22/5 ff mit zahlreichen Judikaturhinweisen). Zu den Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit, die alle zusammen erfüllt sein müssen, soll nicht das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z. 2 EStG zum Zug kommen, zählt unter anderem, daß das Reiseprogramm und seine Durchführung derart einseitig und nahezu ausschließlich auf interessierte Teilnehmer der Berufsgruppe des Steuerpflichtigen abgestellt seien müssen, daß sie jeglicher Anziehungskraft auf andere als in der spezifischen Richtung beruflich interessierte Teilnehmer entbehren (vgl. aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/14/0100). Der Verwaltungsgerichtshof hat dementsprechend die Kosten von Studienreisen, deren Gegenstand ein sogenanntes Mischprogramm ist, in den Bereich der privaten Lebensführung verwiesen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom ).
Andere allgemein interessierende Programmpunkte ("Privatzeiten") dürfen jeweils nicht mehr Raum einnehmen als jenen, der während der laufenden Berufsausübung als Freizeit regelmäßig zu anderen als beruflichen Betätigungen verwendet wird; hiebei ist auf eine "Normalarbeitszeit" von durchschnittlich acht Stunden täglich abzustellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 86/14/0019, und vom , Zl. 88/14/0002).
Was die Reise des Beschwerdeführers im Beschwerdefall anlangt, so ist vom durch ihn selbst vorgelegten Programm auszugehen, welches die belangte Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Soweit die Beschwerde zum Teil abweichende oder ergänzende Angaben enthält, handelt es sich hiebei um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen. Dies gilt beispielsweise für die vom Beschwerdeführer erst jetzt genannten Endzeiten von Veranstaltungen. Aus dem Programm ergibt sich auch keineswegs, daß die Stadtrundfahrt in der vom Beschwerdeführer als Kleinstadt bezeichneten Millionenstadt Philadelphia nur eine Stunde gedauert hätte, der Besuch des Münzinstitutes hingegen von 15.00 bis 18.30 Uhr. Vielmehr handelt es sich hiebei um einen einheitlichen Programmpunkt. Gleiches gilt auch für die Stadtrundfahrt in Washington, in deren Zuge es bei Besichtigung des Weißen Hauses zu einem Fachgespräch mit Beamten gekommen ist. Daß die Stadtrundfahrt zwei Stunden gedauert und sich auf nur zwei Sehenswürdigkeiten beschränkt hätte, das erwähnte Gespräch hingegen drei Stunden gedauert hätte, ist ebenfalls eine unzulässige Neuerung. Dem Programm ist schließlich auch eine Dauer des Besuches der Notenbank bis 15.00 Uhr nicht zu entnehmen, was bedeuten würde, daß sich der Beschwerdeführer unmittelbar von dort zum Flughafen hätte begeben müssen.
Betrachtet man nun das vorliegende Programm - ob man dieses als "Reiseprospekt" oder als "Fortbildungsprogramm" bezeichnet, ist ebenso unerheblich wie der Umstand, daß die Reise nicht zur Gänze, sondern überwiegend in den Osterferien stattgefunden hat -, so ergibt sich im Lichte der dargestellten Rechtsprechung folgendes:
Die "Privatzeiten" am Wochenende (11./) haben bei einem (ohne Reisetage) achttägigen Auslandsaufenthalt außer Betracht zu bleiben, da das Wochenende - wenn man auf eine "Normalarbeitszeit" von durchschnittlich acht Stunden täglich abstellt - auch während der laufenden Berufsausübung im Inland als Freizeit zur Verfügung stünde.
Die ersten drei Tage des Fortbildungsprogrammes in New York (10., 13. und ) halten einer Überprüfung nach den angeführten Regeln stand. Derartige, jeweils den ganzen Tag umfassende Programmpunkte hätten auf andere als in der spezifischen Richtung beruflich interessierte Teilnehmer keine Anziehungskraft. Hiezu zählt entgegen der Ansicht der belangten Behörde auch die halbtägige Besichtigung einer Müllentsorgungszentrale; ein bloß allgemein interessierter Amerika-Tourist wird einer solchen Einrichtung kaum Zeit widmen. Der Zusammenhang mit ökonomischen Unterrichtsfächern ist auch ohne Einsicht in den Lehrplan erkennbar. Die übrigen Programmpunkte an diesen drei Tagen sind auch der belangten Behörde unbedenklich erschienen.
Hingegen erweckt das Programm an den folgenden drei Tagen (15., 16. und ; am letzten Tag war der Aufenthalt durch den Beginn der Abreise etwas verkürzt) einen ganz anderen Eindruck: Im Anschluß an den "Schwerpunkt New Yorker Börse" wurden noch die Städte Philadelphia und Washington besichtigt. Wohl hat sich während dieser Besichtigungen jeweils eine Anknüpfung an die Unterrichtsfächer des Beschwerdeführers finden lassen, jedoch handelt es sich hiebei jeweils nur um einen von mehreren Teilen des Tagesprogrammes.
So wurde im Zuge der Stadtrundfahrt in Philadelphia auch das Münzinstitut aufgesucht, wo münzgeschichtliche Erläuterungen gegeben wurden, wie dies auch bei einem bloß allgemein interessierten Besucher vorstellbar ist. Während der Stadtrundfahrt in Washington wurde auch das Weiße Haus besichtigt. Zwar wird der durchschnittliche Tourist hiebei keine Gelegenheit zu einem Gespräch mit Beamten bekommen; der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren aber nicht behauptet, dieses Gespräch hätte einen so erheblichen Teil des Tages in Anspruch genommen, daß dies - selbst bei Berücksichtigung des Ortswechsels - mit der Arbeitszeit während der laufenden Berufsausübung im Inland vergleichbar wäre. Bei diesem Vergleich ist zu bedenken, daß sich bei einem Lehrer die berufliche Tätigkeit nicht im Abhalten der Lehrstunden erschöpft, sondern notwendigerweise durch Vorbereitungsstunden, Korrektur von Schülerarbeiten etc. ergänzt wird (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom ).
Am letzten Tag des Aufenthaltes schließlich stand dem Besuch der Notenbank der eindeutig der Privatsphäre zuzurechnende Besuch des Raumfahrtmuseums gegenüber.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Eindruck gewonnen, daß nach dem Aufenthalt in New York, wo das touristische Programm am Wochenende absolviert werden konnte, die "Verlegung des Exkursionsortes" nicht erfolgte, um das "Fortbildungsprogramm zu erfüllen", sondern um noch andere Städte der amerikanischen Ostküste von allgemeinem Interesse besichtigen zu können. Insgesamt gesehen lag daher ein Mischprogramm vor.
Hieran ändert sich auch nichts dadurch, daß Aufwendungen für die Fortbildungsreise eines Lehrers an sich - unter den von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen - als Werbungskosten Berücksichtigung finden können, und daß hiefür ein Dienstauftrag nicht vorliegen muß, sondern auch die freiwillige Fortbildung begünstigt sein kann. Auch die Ansichten des Reiseveranstalters über die Notwendigkeit von Lehrerexkusionen vermögen kein anderes Ergebnis herbeizuführen. Welches relevante Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen haben soll, wird vom Beschwerdeführer nicht näher ausgeführt.
Die belangte Behörde ist somit nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie der Reise des Beschwerdeführers die steuerliche Anerkennung versagt hat. Dem angefochtenen Bescheid haftet demnach die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.