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VwGH vom 12.06.1990, 89/14/0085

VwGH vom 12.06.1990, 89/14/0085

Betreff

S gegen Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 84-GA4-DScha/88, betreffend Zurücknahme einer Berufung gegen die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide 1983 bis 1985

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Gegen die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide für 1983 bis 1985 brachte der Beschwerdeführer durch einen Steuerberater, dessen Vollmacht beim Finanzamt nicht auflag, eine nur vom Steuerberater unterschriebene Berufung ein. Mit Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer die Beibringung der Vollmacht bis aufgetragen; bei Versäumung dieser Frist gelte die Berufung als zurückgenommen. Dieser Mängelbehebungsauftrag wurde an den Beschwerdeführer adressiert und am von dessen Sohn G übernommen. Der Übernehmerunterschrift auf dem Rückschein wurde das Wort "Sohn" beigefügt; die Rubrik "Mitbewohner der Abgabestelle" wurde nicht angekreuzt. Mit Bescheid vom sprach das Finanzamt in der Folge aus, daß die Berufung des Beschwerdeführers mangels Mängelbehebung gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen gelte; dieser Bescheid wurde von der Ehegattin des Beschwerdeführers übernommen.

Gegen diesen Bescheid erhob am der Steuerberater des Beschwerdeführers in dessen Namen unter Beifügung einer Vollmacht Berufung. Er führte aus, der Mängelbehebungsauftrag hätte an ihn als Einschreiter und nicht an den Beschwerdeführer zugestellt werden müssen. Da er selbst den Mängelbehebungsauftrag erst am vom Beschwerdeführer erhalten habe, sei die Vollmachtsvorlage fristgerecht.

Das Finanzamt wies diese Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Der Verbesserungsauftrag habe an den Beschwerdeführer als vertretene Partei gerichtet werden müssen.

Daraufhin stellte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers einen Vorlageantrag. Er verwies auf die Übernahme des Mängelbehebungsauftrages durch ihn am sowie auf die Rechtzeitigkeit der Verbesserung und ersuchte, ihn wegen allenfalls weiterer diesbezüglicher Fragen zu verständigen und ihm vor einer eventuellen Abweisung der Berufung Parteigehör zu geben. Ergänzend brachte er vor, die Ehegattin des Beschwerdeführers habe ihm mitgeteilt, sie habe den Mängelbehebungsauftrag am übernommen, jedoch vergessen, ihn dem Beschwerdeführer zu übergeben. Dies sei erst am anläßlich seines Besuches, als er danach fragte, geschehen. Er ersuche die Übernahmsbestätigung dahin zu überprüfen, ob sie von der Ehegattin des Beschwerdeführers unterfertigt worden sei und diese als Zeugin zu vernehmen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Mängelbehebungsauftrag sei an die Partei und nicht an deren nicht ausgewiesenen Vertreter zuzustellen gewesen. Die Übernahme sei nicht durch die Ehegattin des Beschwerdeführers, sondern durch dessen Sohn erfolgt, somit durch ein volljähriges Familienmitglied am Familienwohnsitz, was gemäß § 16 Abs. 1 und 2 Zustellgesetz als Zustellung an den Empfänger gelte.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch diesen Bescheid in seinem Recht auf "Nichtzurückweisung" der in angemessener Frist verbesserten Berufung verletzt. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 85 Abs. 2 BAO berechtigen Formgebrechen von Eingaben an sich die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Gemäß § 85 Abs. 4 BAO gelten für die nachträgliche Beibringung der Vollmacht die Bestimmungen des Abs. 2 sinngemäß, wenn ein Anbringen nicht vom Abgabepflichtigen selbst vorgebracht wird, ohne daß sich der Einschreiter durch eine schriftliche Vollmacht ausweisen kann und ohne daß § 83 Abs. 4 BAO Anwendung findet.

Im Beschwerdefall ist strittig, wer als "Einschreiter" im Sinne des § 85 Abs. 2 BAO anzusehen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 13 Abs. 3 AVG schon mehrmals ausgesprochen, daß Einschreiter (von den hier nicht in Betracht zu ziehenden, im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 11.633/A, genannten besonderen Fällen der Einbringung von Anbringen durch eine juristische Person, eine Personengesellschaft des Handelsrechtes oder einen Winkelschreiber abgesehen) derjenige ist, der das Anbringen bei der Behörde stellt, sei es für sich oder für einen anderen, wer also der Behörde gegenüber tätig wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 10.523/A, vom , Zl. 87/09/0174, vom , Zl. 88/18/0003, vom , Zl. 88/08/0290, und vom , Zl. 89/05/0226).

In gleicher Weise ist auch die Bestimmung des § 85 Abs. 2 BAO auszulegen. Die gegenteilige Ansicht von Stoll (BAO Handbuch Seite 200) ist mit dem klaren Gesetzeswortlaut nicht in Einklang zu bringen. Auch der Zweck des Gesetzes gebietet es nicht zwingend, den Mängelbehebungsauftrag nicht an den einschreitenden Vertreter, sondern an den angeblich Vertretenen zu richten. Soweit sich Stoll (a.a.O.) insoweit auf den hg. Beschluß vom , Slg. 4.676/F, beruft, ist zu bemerken, daß sich der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung lediglich mit der Frage, an wen die bescheidmäßige Feststellung, daß eine Berufung wegen fruchtlosen Ablaufes der für den Nachweis der Vollmacht bestimmten Frist als zurückgenommen gilt, zu ergehen hat, und nicht mit der Frage des Adressaten eines Mängelbehebungsauftrages auseinander gesetzt hat. Im damaligen Beschwerdefall war vielmehr die Aufforderung zur Beibringung einer schriftlichen Vollmacht an den steuerlichen Vertreter des Abgabepflichtigen gerichtet worden.

Im vorliegenden Fall ist der Mängelbehebungsauftrag nicht an den Einschreiter im oben dargestellten Sinn, sondern an den Beschwerdeführer selbst ergangen. Nach den von der belangten Behörde nicht bestrittenen Angaben des eingeschrittenen Steuerberaters ist diesem der Mängelbehebungsauftrag erst am zugegangen, weshalb die Vollmachtsvorlage vom rechtzeitig war.

Damit waren die Voraussetzungen der Zurücknahmefiktion des § 85 Abs. 2 BAO nicht gegeben, sodaß sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig erweist. Er war somit infolge inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Danach gebührt dem Beschwerdeführer für Schriftsatzaufwand lediglich ein Betrag von S 10.110,--. Stempelgebührenersatz wurde nicht begehrt.