VwGH vom 09.05.1989, 89/14/0033
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1990, 57;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des JH in L, vertreten durch Dr. Helmut Valenta, Rechtsanwalt in Linz, Schillerstraße 4, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 6/171/1-BK/Fu-1988, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1984 bis 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Gesellschafter - Geschäftsführer einer GmbH. Sein Anteil am Stammkapital betrug in den Jahren 1982 bis 1986 - wie schon im Jahre der Errichtung des Gesellschaftsvertrages vom - 25 v.H., der seiner Ehegattin 75 v.H. Laut Gesellschaftsvertrag bedürfen Beschlussfassungen in der Generalversammlung einer Mehrheit von 80 v. H. Die Verpfändung sowie die Abtretung von Geschäftsanteilen oder Teilen hievon an Nichtgesellschafter ist laut Gesellschaftsvertrag nur mit Zustimmung der Gesellschaft zulässig. Am Tag der Errichtung des Gesellschaftsvertrages bot die Mehrheitsgesellschafterin für sich, ihre Erben und Rechtsnachfolger im Besitz ihres Geschäftsanteiles diesen dem Beschwerdeführer um den im Zeitpunkt der Annahme des Anbotes auf die Stammeinlage eingezahlten Betrag an und sagte zu, dem Beschwerdeführer mit diesem Anbot während dessen ganzer Lebensdauer im Wort zu bleiben. Sie übernahm die Haftung dafür, dass dritten Personen an dem Geschäftsanteil keine Rechte zustehen würden. Mit Notariatsakt vom hob die Ehegattin des Beschwerdeführers im Einvernehmen mit diesem das Anbot auf.
Das Finanzamt behandelte für die erwähnten Jahre die Einkünfte des Beschwerdeführers aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH nicht der Abgabenerklärung gemäß als solche aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern als solche aus selbstständiger Arbeit; dies mit der Begründung, wegen des Abtretungsanbotes und der Sperrminoritätsregelung des Gesellschaftsvertrages sei der Beschwerdeführer als wirtschaftlicher Eigentümer des Geschäftsanteiles seiner Ehegattin und damit steuerlich als Alleineigentümer aller Geschäftsanteile anzusehen.
Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie berief sich für die Richtigkeit der Ansicht des Finanzamtes auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 83/14/0089, 0094 (ÖStZB 1987, 162); außersteuerliche Gründe für die Vertragsgestaltung und der Umstand, dass der Beschwerdeführer keine Erträge aus dem Geschäftsanteil seiner Ehegattin gezogen habe, seien für die Frage des wirtschaftlichen Eigentums an diesem Geschäftsanteil ebenso bedeutungslos wie "gesellschaftsrechtliche Ausnahmetatbestände (etwa bei unredlicher Geschäftsführung)". Der Beschwerdeführer sei daher bis zur Anbotsaufhebung am an der GmbH wesentlich beteiligt gewesen; da gemäß § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG die wesentliche Beteiligung in einem Zeitpunkt des Veranlagungszeitraumes genüge, seien die Einkünfte aus der Geschäftsführung auch im Veranlagungsjahr 1986 zur Gänze dieser Einkunftsart zuzuordnen.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Behandlung der Einkünfte aus seiner Geschäftsführertätigkeit als solche aus nichtselbstständiger Arbeit verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung nur damit begründet, dass der Beschwerdeführer als wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. d BAO des Geschäftsanteiles seiner Ehegattin anzusehen sei. Die Verwirklichung des Missbrauchstatbestandes gemäß § 22 BAO durch die Vertragsgestaltung oder ein Scheingeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 BAO hat die belangte Behörde nicht angenommen. Für beides haben sich auch Anhaltspunkte im Verfahren nicht geboten.
Die Ausführungen in der Beschwerde über die "außersteuerlichen Gründe für die Wahl der konkreten Beteiligungsverhältnisse und das Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Gattin" gehen daher ins Leere, weil sie mit der entscheidungswesentlichen Frage des wirtschaftlichen Eigentums in keinem Zusammenhang stehen.
Der Beschwerdeführer ist jedoch mit seiner Behauptung im Recht, dass dem angefochtenen Bescheid im Hinblick auf die "ab 1982 geschaffene Rechtslage" inhaltliche Rechtswidrigkeit anhaftet.
Die belangte Behörde beruft sich für ihren Standpunkt zu Unrecht auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom . Dieses bezog sich nur auf die Veranlagungsjahre 1976 bis 1980 und damit auf einen Zeitraum, für den noch eine andere Rechtslage galt, nämlich die vor dem AbgÄG 1981, BGBl. Nr. 620. Der Beschwerdefall betrifft jedoch die Veranlagungsjahre 1982 bis 1986; er ist daher bereits auf Grund der geänderten Rechtslage zu beurteilen. Nach dieser ist eine Person dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft in einem Zeitpunkt des Veranlagungszeitraumes mehr als 25 v.H. beträgt (§ 22 Abs. 1 Z. 2 EStG); als Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden Dienstverhältnis und damit als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Arbeitslohn) gelten auch Bezüge und Vorteile von Personen, die an Kapitalgesellschaften nicht wesentlich im Sinne des § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG beteiligt sind, auch dann, wenn bei einer sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 3) aufweisenden Beschäftigung die Verpflichtung, den Weisungen eines anderen zu folgen, auf Grund gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmung fehlt (§ 25 Abs. 1 Z. 1 EStG). Nach dieser durch das AbgÄG 1981 geänderten Rechtslage ist daher das Fehlen der Weisungsgebundenheit auf Grund gesellschaftsvertraglicher Bestimmung für die Eigenschaft der Bezüge und Vorteile als Arbeitslohn unschädlich, solange die Beteiligung der Person am Stammkapital 25 v.H. nicht übersteigt. Auch gesellschaftsvertragliche Abstimmungsregeln, die so genannte Sperrminoritäten vorsehen, fallen unter die vom Gesetz genannten gesellschaftsvertraglichen Sonderbestimmungen (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer Handbuch, 2. Auflage, Tz 38 zu § 22 und Tz 17 zu § 25; Hofstätter-Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, Tz 53a zu § 22 EStG 1972; Werndl, Der Geschäftsführervertrag im Abgabenrecht, SWK 1987, A I, S. 139).
Aus der Tatsache, dass ein Gesellschaftsvertrag dem Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH eine "Sperrminorität" gewährt, lässt sich nach dieser Rechtslage nicht der Schluss ziehen, der Geschäftsführer-Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil 25 v.H. am Stammkapital nicht übersteigt, sei wegen dieser Abstimmungsregeln des Gesellschaftsvertrages bereits wirtschaftlicher Eigentümer der übrigen Geschäftsanteile. Andernfalls liefe nämlich die erwähnte Vorschrift des § 25 Abs. 1 Z. 1 EStG stets leer. Abgesehen davon erlaubt es die Sperrminorität einem Minderheitsgesellschafter an und für sich nicht, im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. d BAO die Herrschaft über Geschäftsanteile anderer gleich einem Eigentümer auszuüben. Er kann über sie nämlich weder rechtsgeschäftlich (sei es durch Verpfändung, sei es durch Veräußerung) verfügen, noch die aus dem fremden Geschäftsanteil erfließenden Gewinne beziehen, noch das Stimmrecht für sie ausüben.
Zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der durch das AbgÄG 1981 geschaffenen Rechtslage ist der Verwaltungsgerichtshof bisher auch nie - auch nicht in seinem Erkenntnis vom , Zl. 86/14/0107 (ÖStZB 1987, 246), gelangt. Das in der zuletzt angeführten Entscheidung zitierte Erkenntnis vom , Zl. 83/14/0143 (ÖStZB 1985, 36), betraf noch die Rechtslage vor dem AbgÄG 1981. In dem oben erwähnten Erkenntnis vom hat sich der Verwaltungsgerichtshof nicht mit der Frage befasst, was rechtens gewesen wäre, hätte der Gesellschaftsvertrag eine Sperrminorität vorgesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass die Option auf den Erwerb von Geschäftsanteilen an einer GmbH allein wirtschaftliches Eigentum an diesen Geschäftsanteilen nicht verschafft (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 85/14/0169 = ÖStZB 1987, 164, das bereits zitierte Erkenntnis vom und das Erkenntnis vom , Zl. 88/14/0184). Auch ein Abtretungsanbot ändert nämlich nichts daran, dass der anbietende Gesellschafter sein Gesellschaftsrecht (Stimmrecht) bis zur Abtretung ohne Rücksicht auf die Wünsche des Abtretungsberechtigten ausüben kann und die Ausübung des Stimmrechtes - gerade bei einem Mehrheitsanteil - von entscheidendem Einfluss auf die wirtschaftliche Gestion der Gesellschaft ist, können doch jedenfalls gegen die Stimme des Mehrheitsgesellschafters Gesellschafterbeschlüsse nicht zustandekommen.
Die beiden einzigen von der belangten Behörde für ihren Standpunkt, der Beschwerdeführer sei als wirtschaftlicher Eigentümer des Geschäftsanteils seiner Ehegattin anzusehen, herangezogenen Umstände, nämlich Sperrminorität einerseits und Veräußerungsanbot andererseits, vermögen daher jeweils für sich betrachtet diese Schlussfolgerung der belangten Behörde nicht zu stützen.
Es bleibt daher noch zu prüfen, ob etwa das Zusammenwirken beider Tatsachen die belangte Behörde dazu berechtigte, wirtschaftliches Eigentum des Beschwerdeführers am Geschäftsanteil seiner Ehegattin anzunehmen. Auch dies ist nicht der Fall:
Um eine dem zivilrechtlichen Eigentümer eines Geschäftsanteiles vergleichbare wirtschaftliche Stellung im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. d BAO annehmen zu dürfen, müsste die Herrschaftssituation der als wirtschaftlicher Eigentümer in Betracht gezogenen Person auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse so geartet sein, dass dem Betreffenden die Ausübung der wesentlichen Eigentümerfunktionen zustünde. Es müsste ihm also nicht nur eine der Veräußerung und Verpfändung des Geschäftsanteiles vergleichbare wirtschaftliche Verfügung über diesen möglich sein, sondern auch die Stimmrechtsausübung unter Bezug allfälliger Früchte aus dem Geschäftsanteil. All dies vermittelt das Veräußerungsanbot auch im Zusammenwirken mit der Sperrminorität dem Beschwerdeführer als Minderheitsgesellschafter nicht. Die Stimmrechtsausübung für den Geschäftsanteil der Ehegattin stand ihm allein auf Grund der von der belangten Behörde festgestellten Tatsachen nicht zu; der Beschwerdeführer konnte daher nur durch Ausübung seines Minderheitsvotums Beschlüsse der Generalversammlung hindern, nicht jedoch, und zwar auch nicht in Verbindung mit seinen Rechten aus dem Anbot, das Stimmrecht für den Geschäftsanteil seiner Ehegattin ausüben. Die Ehegattin des Beschwerdeführers war aber auch durch das Anbot nicht daran gehindert, selbst ihre Rechte zur Abtretung ihres Geschäftsanteiles an Nichtgesellschafter laut Gesellschaftsvertrag auszuüben, solange der Beschwerdeführer das Abtretungsanbot nicht angenommen, er aber auch von seinem Aufgriffsrecht im Sinne des Punktes Zehntens, Ziffer 4., des Gesellschaftsvertrages fristgerecht keinen Gebrauch machte. Mit Zustimmung der Gesellschaft stand der Ehegattin des Beschwerdeführers ungeachtet ihres Abtretungsanbotes sowohl die Verpfändung von Geschäftsanteilen als auch deren Abtretung an Nichtgesellschafter zu. Insofern unterscheidet sich auch der hier zu beurteilende Sachverhalt von jenem, der dem von der belangten Behörde herangezogenen hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/14/0089, 0094 (ÖStZB 1987, 162) zu Grunde lag. Zwischen Abtretungsanbot und Sperrminorität ergibt sich ferner kein Zusammenhang mit der Wirkung des Übergangs allfälliger Gewinnanteilsansprüche aus dem Geschäftsanteil der Ehegattin des Beschwerdeführers an diesen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Tätigkeit der GmbH sich auf die Geschäftsführung in einer KG beschränkte und aus dieser Gewinne nicht zu erwarten waren.
Die Behauptung in der Gegenschrift, die Ehegattin des Beschwerdeführers habe gewissermaßen nur "Strohmannfunktion" für die mit dem Beschwerdeführer gemeinsamen Kinder gehabt, spricht ebenfalls nicht dafür, dass der Beschwerdeführer wirtschaftlicher Eigentümer an dem Geschäftsanteil seiner Ehegattin war. Daraus könnte sich nämlich - unter der Voraussetzung der Beachtung der Regeln über die steuerliche Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen - nur ergeben, dass der Geschäftsanteil der Ehegattin des Beschwerdeführers steuerlich nicht dieser, sondern gemäß § 24 Abs. 1 lit. c BAO den Kindern zuzurechnen ist.
Es fehlt daher an einer tragfähigen Begründung dafür, dem Beschwerdeführer für die strittigen Veranlagungszeiträume als wirtschaftlicher Eigentümer den Geschäftsanteil seiner Ehegattin zuzurechnen und ihn deshalb, wie dies die belangte Behörde getan hat, gemäß § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG als eine Person anzusehen, die mit mehr als 25 v.H. am Stammkapital der GmbH beteiligt war.
Die belangte Behörde hat daher durch die von ihr vertretene unrichtige Rechtsansicht ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet und solcherart den Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten verletzt. Der Bescheid musste deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243. Das Aufwandersatzbegehren für die einen Betrag von S 540,-- übersteigenden Stempelgebühren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorgelegt werden musste (§ 28 Abs. 5 VwGG) und die Eingabengebühr je Beschwerdeausfertigung nur S 120 , beträgt. Wien, am