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VwGH vom 23.11.2004, 2001/15/0103

VwGH vom 23.11.2004, 2001/15/0103

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des Dr. P in M, vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in 8530 Deutschlandsberg, Kirchengasse 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , GZ. RV 455/1-8/00, betreffend Umsatzsteuer 1996 bis 1998, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat sich im Jahr 1996 als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in M. niedergelassen. Mit Schreiben vom teilte die Stadtgemeinde M. dem Beschwerdeführer mit, dass der Gemeinderat der Stadtgemeinde M. in seiner Sitzung vom auf Grund des Ansuchens des Beschwerdeführers vom anlässlich der Errichtung einer Zahnarztpraxis mit Standort in M. eine Förderung in einer Gesamthöhe von 400.000 S beschlossen habe. Die Auszahlungsmodalitäten und Bedingungen möge er der Vereinbarung entnehmen. Zum Zeichen seines Einverständnisses wurde der Beschwerdeführer gebeten, die Kopie der Vereinbarung zu unterfertigen und an die Stadtgemeinde M. zurückzusenden. Diese mit datierte, vom Beschwerdeführer und vom Bürgermeister der Stadtgemeinde M. unterzeichnete Vereinbarung zwischen der Stadtgemeinde M. als Förderungsgeber und dem Beschwerdeführer als Förderungsnehmer lautet:

"1. Gemäß Beschluss des Gemeinderates der Stadtgemeinde M., vom gewährt die Stadtgemeinde M., anlässlich der Errichtung einer Zahnarztpraxis mit Standort M., G.-Straße 1, eine Gesamtförderung in Höhe von S 400.000,--.

2. Die Auszahlung erfolgt in drei Raten, wobei die erste Zahlung in Höhe von S 200.000,-- abzüglich der Leistungen der Gemeindearbeiter unmittelbar nach Eröffnung der Praxis erfolgt. Die weiteren Förderungsraten zu je S 100.000,-- werden jeweils im März der Jahre 1997 und 1998 ausbezahlt.

Über die Gesamthöhe des Förderungsbetrags sind bezahlte Rechnungen vorzulegen. Weiters ist der Nachweis der Planstelle von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse zu erbringen.

3. Der Förderungsnehmer verpflichtet sich wie folgt:

a) Die zur Verfügung gestellten Mittel ausschließlich für die Errichtung der Zahnarztpraxis in Mureck zu verwenden.

b) Nach Möglichkeit ortsansässige Firmen mit der Adaptierung der Räumlichkeiten zu beauftragen.

c) Die gewährten Förderungsmittel bei Schließung der Ordination vor Ablauf von 10 Jahren innerhalb von drei Monaten nach Schließung zurückzuzahlen, wobei diesbezüglich folgendes vereinbart wird:


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Schließung in den ersten 5 Jahren: Rückzahlung von 100 % des Förderungsbetrages;
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Schließung im 6. Jahr: Rückzahlung von 90 % des Förderungsbetrages;
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Schließung im 7. Jahr: Rückzahlung von 80 % des Förderungsbetrages;
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Schließung im 8. Jahr: Rückzahlung von 70 % des Förderungsbetrages;
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Schließung im 9. Jahr: Rückzahlung von 60 % des Förderungsbetrages;
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Schließung im 10. Jahr: Rückzahlung von 50 % des Förderungsbetrages."
Im Anschluss an eine beim Beschwerdeführer durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung der Aufzeichnungen setzte das Finanzamt mit Bescheiden vom die Umsatzsteuer 1996 bis 1998 der Ansicht der Prüferin folgend fest und wertete die in den Streitjahren dem Beschwerdeführer von der Stadtgemeinde M. zugeflossenen Beträge als umsatzsteuerpflichtige Entgelte für Leistungen.
Dagegen berief der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit der Begründung, dass er im Gegensatz zu vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen - aus seiner Sicht nicht vergleichbaren - Fällen auf Grund der mit der Stadtgemeinde M. geschlossenen Vereinbarung keine Verpflichtung eingegangen sei, die Ordination für einen bestimmten Zeitraum zu betreiben. Daher habe er keine Leistung an die Stadtgemeinde M. erbracht. In der Gemeinderatssitzung vom sei zum Ansuchen des Beschwerdeführers festgehalten worden, dass der Gemeindevorstand unter Zugrundelegung der bisherigen Förderungen bei Facharztansiedelungen über das vorliegende Ansuchen vom beraten und dem Gemeinderat eine Förderung in der Gesamthöhe von 400.000 S im Rahmen der nachstehenden Vereinbarung vorgeschlagen habe. Daraus sei ersichtlich, dass die Stadtgemeinde M. kein Interesse daran gehabt hätte, mit dieser Subvention einen weiteren Facharzt an das Gemeindegebiet zu binden, sondern sich eher verpflichtet gefühlt habe, jeden Arzt gleich zu behandeln. Zudem gebe es im Gemeindegebiet eine Überbesetzung an Zahnärzten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Auszügen aus den Bestimmungen des § 1 Abs. 1 Z 1 und § 4 Abs. 1 EStG 1994 führte die belangte Behörde aus, für das Vorliegen eines Leistungsaustausches, der zur Annahme eines steuerbaren Umsatzes führe, sei entscheidend, dass Leistung und Gegenleistungen in einem inneren Zusammenhang, in gegenseitiger Abhängigkeit stünden. Sei es zweifelhaft, ob eine Subvention vorliege, müsse geprüft werden, ob die Zuwendung auch ohne Gegenleistung des Empfängers gegeben worden wäre. Die belangte Behörde sehe zwischen der Niederlassung des Beschwerdeführers als Arzt in der Stadtgemeinde M. und der Gewährung des strittigen Zuschusses einen inneren Zusammenhang. Der klare und eindeutige Inhalt der zwischen dem Beschwerdeführer und der Gemeinde abgeschlossenen Vereinbarung lasse nach Ansicht der belangten Behörde lediglich die Auslegung zu, dass Leistung und Gegenleistung im Verhältnis der Wechselbeziehung stünden. Von der Gemeinde M. sei die Leistung nur im Hinblick auf die Ordinationsöffnung durch den Beschwerdeführer erbracht worden. Aus diesem Grund sei auch zur Sicherheit unter Punkt 2 der Vereinbarung der Nachweis der Planstelle von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse gefordert worden. Die in der Vereinbarung aufgeschlüsselten Rückzahlungsmodalitäten seien keine Bedingungen, die den Beschwerdeführer zu einer bestimmungsgemäßen Verwendung des Zuschusses hätten verhalten sollen, sondern es ergebe sich daraus die Verpflichtung, seine Praxis mindestens zehn Jahre in M. zu betreiben.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Als Dienstleistung gilt gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom (Sechste Mehrwertsteuer-Richtlinie) jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstandes im Sinne des Artikels 5 ist. Diese Leistung kann unter anderem auch in der Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden, oder in der Ausführung eines Dienstes auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes bestehen.
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Sonstige Leistungen sind nach § 3a Abs. 1 leg. cit. Leistungen, die nicht in einer Lieferung bestehen. Eine sonstige Leistung kann auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen.
Nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Bst. a der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie ist die Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subvention.
§ 4 Abs. 1 UStG 1994 bestimmt, dass der Umsatz für Lieferungen und sonstige Leistungen nach dem Entgelt bemessen wird. Entgelt ist nach dieser Bestimmung alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten. Zum Entgelt gehört nach § 4 Abs. 2 UStG 1994 auch
1. was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung freiwillig aufwendet, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten,
2. was ein anderer als der Empfänger dem Unternehmer für die Lieferung oder sonstige Leistung gewährt.
Dass im Beschwerdefall ein Zusammenhang zwischen der in Rede stehenden Subvention durch die Stadtgemeinde M. und den Preisen für die vom Beschwerdeführer insb. seinen Patienten gegenüber erbrachten Leistungen bestanden hätte, wurde weder behauptet noch festgestellt. Ein Fall des § 4 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 bzw. einer Subvention im Sinne des Art. 11 Teil A der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie (siehe dazu auch die (Office des produits wallons ASBL), vom in der Rs C-353/00 (Keeping Newcastle Warm Limited) und vom in der Rs C-495/01 (Trockenfutterbeihilfe)) liegt daher nicht vor.
Der Beschwerdeführer trägt - wie im Verwaltungsverfahren - vor, er habe sich nicht verpflichtet, die Ordination für zehn Jahre zu betreiben, sondern sich nur verpflichtet, die Mittel ausschließlich für die Errichtung der Zahnarztpraxis in M. zu verwenden und die Mittel bei Schließung der Ordination aliquot zurückzuzahlen. Aus dieser Rückzahlungsverpflichtung könne keine Verpflichtung zur Führung der Ordination gesehen werden.
Die belangte Behörde hat zwischen der vom Beschwerdeführer erhaltenen Förderung durch die Stadtgemeinde M. und der Niederlassung als Arzt in M. einen inneren Zusammenhang im Sinne einer umsatzsteuerrechtlich relevanten Gegenleistungsbeziehung gesehen und sich dabei auf die oben wiedergegebene Vereinbarung zwischen der Stadtgemeinde M. und dem Beschwerdeführer gestützt.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob nach der von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für sich in Anspruch genommenen, jedoch Sachverhalte im Geltungsbereich des UStG 1972 betreffenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnisse vom , 82/15/0003, vom , 89/14/0071, VwSlg 6.529/F, vom , 95/14/0084, VwSlg 7.067/F, und vom , 97/14/0100, VwSlg 7.242/F) die Annahme berechtigt wäre, dass ein Leistungsaustausch zwischen der Stadtgemeinde M. und dem Beschwerdeführer stattgefunden hat.
Der EuGH hat im Urteil vom in der Rs C- 215/94 (Jürgen Mohr) auf den Charakter der Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer auf Gegenstände und Dienstleistungen hingewiesen (Rn 19). Im damals vorliegenden Fall hat er keinen Verbrauch im Sinne des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems gesehen (Rn 20) und ausgeführt, dass die Gemeinschaft dadurch, dass sie Landwirten, die sich zur Aufgabe ihrer Milchproduktion verpflichten, einen Ausgleich gewährt, keine Gegenstände erwirbt und keine Dienstleistungen zur eigenen Verwendung erhält, sondern im allgemeinen Interesse an der Förderung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Milchmarktes in der Gemeinschaft handelt (Rn 21). In der Verpflichtung eines Landwirtes zur Aufgabe seiner Milchproduktion sah der EuGH unter diesen Umständen keinen Vorteil für die Gemeinschaft (nach deren Bestimmungen der Landwirt dafür eine Vergütung erhalten hatte) oder für die zuständigen nationalen Stellen, auf Grund dessen sie als Empfänger einer Dienstleistung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie angesehen werden könnten (Rn 22).
Im hat der EuGH in der Rs C- 384/95 (Landboden Agrardienste) auf sein Urteil in der Rs C-215/94 (Jürgen Mohr) verwiesen und ausgesprochen, dass ein in der von einem Landwirt eingegangenen Verpflichtung zur Verringerung seiner Produktion bestehender Umsatz zu keinem Verbrauch führt, und dass der Landwirt keinem identifizierbaren Verbraucher Dienstleistungen erbringt und keinen Vorteil verschafft, der einen Kostenfaktor in der Tätigkeit eines anderen Beteiligten am Wirtschaftsleben bilden könnte (Rn 23). Da die vom Landwirt eingegangene Verpflichtung weder den zuständigen Behörden noch anderen identifizierbaren Personen Vorteile verschafft, aufgrund deren sie bezüglich einer Dienstleistung als die Verbraucher angesehen werden könnten, stufte der EuGH die vom Landwirt eingegangene Verpflichtung zur Verringerung seiner Produktion nicht als Dienstleistung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie ein (Rn 24).
Auf dem Boden dieser Rechtsprechung, deren Aussagen nicht bloß für Unterlassungsleistungen gelten, und ausgehend von dem von der belangten Behörde festgestellten oben wiedergegebenen Sachverhalt kann der Verwaltungsgerichtshof keinen Vorteil finden, welchen der Beschwerdeführer durch die Errichtung und den Betrieb seiner Facharztpraxis in M. der Stadtgemeinde M. in ihrer Eigenschaft als Verbraucherin oder Beteiligte am Wirtschaftsleben verschafft hätte. Somit war die erhaltene Subvention nicht als Gegenleistung für eine Dienstleistung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie zu sehen.
Die belangte Behörde hat dies verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am