VwGH vom 16.01.1991, 89/13/0194
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA 5 - 2123/87, betreffend Lohnsteuernachforderungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betreibt ein Autoserviceunternehmen, in dessen Rahmen sie im wesentlichen für einen Betrieb der Autobranche tätig ist. Die Leistungen ihres Unternehmens bestehen vor allem in der Durchführung von Reinigungsarbeiten an Neu- und Gebrauchtwagen an verschiedenen Standorten.
Zur Besorgung dieser Arbeiten bedient sich die Beschwerdeführerin überwiegend einiger Arbeitskollegen ihres Ehegatten, der hauptberuflich als Flugwettertechniker beim Bundesamt für Zivilluftfahrt auf dem Flughafen X tätig ist.
Einziger Streitpunkt im Beschwerdefall ist die Beantwortung der Frage, ob die genannten Personen für die Beschwerdeführerin im Rahmen von Werkverträgen, und demnach selbständig tätig sind, wie dies die Beschwerdeführerin behauptet, oder ob die in Rede stehenden Betätigungen auf Dienstverträgen beruhen, und die betreffenden Auftragnehmer daher Arbeitnehmer darstellen, welche Ansicht von der Finanzverwaltung unter Zugrundelegung der Feststellungen einer für den Zeitraum vom bis durchgeführten Lohnsteuerprüfung vertreten wird.
Gegen den auf der Basis der Ergebnisse dieser Prüfung erlassenen Haftungs- und Zahlungsbescheid erhob die Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist Berufung, in welcher sie die Auffassung vertrat, daß die für sie tätigen Auftragnehmer im Rahmen von mit ihr geschlossenen Werkverträgen tätig seien. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die in Rede stehenden Personen nur "in ihrer Freizeit bis zu einer Verdienstgrenze von S 10.000,-- im Laufe des Kalenderjahres" tätig geworden seien und nach Erreichen dieser Grenze keine Aufträge mehr angenommen hätten, daß die Reinigungsarbeiten an verschiedenen Standorten mit von den Auftragnehmern selbst beizustellendem Reinigungsmaterial durchzuführen gewesen wären und daß es den Genannten freigestanden sei, sich von Dritten - etwa ihren Ehegattinnen - vertreten zu lassen. Die Bezahlung sei nach festen Honorarsätzen, die sich nach dem Ausmaß der geleisteten Arbeiten orientiert hätten (Außenreinigung, Innenreinigung, Aufpolieren etc.), erfolgt. Die Beschwerdeführerin sei weder verpflichtet ihren Auftragnehmern ein monatliches Fixum zu zahlen noch die mit der Tätigkeit derselben verbundenen Ausgaben (Putzmaterial, Fahrten mit dem eigenen Pkw zu den verschiedenen Arbeitsplätzen etc.) zu tragen.
Diese Ausführungen stimmen im wesentlichen mit den Angaben von niederschriftlich vernommenen, für die Beschwerdeführerin tätigen Personen sowie mit dem Inhalt eines im Verwaltungsakt befindlichen "Musterwerkvertrages" überein.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und änderte den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid insofern ab, als sie die "Lohnsteuer-Fehlberechnung" gegenüber diesem Bescheid verminderte. In der Begründung, die im wesentlichen in theoretischen Erörterungen sowie der Zitierung von hg. Judikatur besteht, in der aber nur am Rande auf den konkret gegebenen Sachverhalt eingegangen wird, kommt die belangte Behörde zu dem Schluß, daß "das Gesamtbild laut Aktenlage ... daher ein erhebliches Überwiegen der für ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmale, nicht der Zahl nach wohl aber nach der Gewichtung der Argumente" zeige.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen
Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 47 Abs. 3 EStG 1972 liegt ein Dienstverhältnis vor,
wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber (z.B. öffentlich-rechtliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvorstand) seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
Nach Lehre und Rechtsprechung (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zu § 47 EStG 1972, Tz 5, z.B. hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/14/0063, und vom , Zl. 85/13/0099) sind bei Abgrenzungsfragen zwischen selbständiger und nicht selbständiger Tätigkeit wesentliche Merkmale einerseits das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses, andererseits das Vorliegen einer Weisungsgebundenheit, d.h. die Verpflichtung einer natürlichen Person - als Dienstnehmer -, bei ihrer Tätigkeit den Weisungen eines anderen - des Dienstgebers - zu folgen. Zu beachten ist allerdings hinsichtlich des Merkmales der Weisungsgebundenheit, daß nicht schon jede Unterordnung unter den Willen eines anderen die Arbeitnehmereigenschaft einer natürlichen Person zur Folge haben muß; denn auch der Unternehmer, der einen Werkvertrag erfüllt, wird sich in aller Regel bezüglich seiner Tätigkeit zur Einhaltung bestimmter Weisungen seines Auftraggebers verpflichten müssen, ohne hiedurch allerdings seine Selbständigkeit zu verlieren.
Wenn ein Auftragnehmer sich bei seiner Arbeitsleistung vertreten lassen kann und das Bestimmungsrecht darüber nicht dem Auftraggeber zusteht, sondern im Belieben des Auftragnehmers liegt, ist grundsätzlich kein Dienstverhältnis, sondern in der Regel ein Werkvertragsverhältnis gegeben (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch,
2. Auflage, Seite 797 sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/14/0089).
Analysiert man auf der Basis dieser Rechtsauffassung, von welcher abzugehen der Gerichtshof keine Veranlassung sieht, den im Beschwerdefall gegebenen Sachverhalt, dann ist der Beschwerdeführerin beizustimmen, wenn sie sinngemäß die Auffassung vertritt, daß vorliegendenfalls jene Merkmale überwiegen, welche für eine selbständige Tätigkeit ihrer in Rede stehenden Auftragnehmer sprechen; denn weder aus dem im Verwaltungsakt befindlichen "Musterwerkvertrag", von welchem nicht einmal die belangte Behörde behauptet, daß sein Inhalt nicht die Vertragsverhältnisse zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Auftragnehmern richtig wiedergeben würde, noch aus den sonst getroffenen Sachverhaltsfeststellungen läßt sich schlüssig ableiten, daß die genannten Personen organisatorisch hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort in dem Betrieb der Beschwerdeführerin eingegliedert sind oder deren Weisungen in größerem Umfang nachkommen müßten, als dies auch ein selbständiger Unternehmer im Rahmen eines Werkvertrags zu tun verpflichtet wäre. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf jene, von der belangten Behörde nie in Frage gestellten Bestimmungen des "Musterwerkvertrages" hinzuweisen, wonach der jeweilige Auftragnehmer, welcher seine Entgeltforderungen in Form von Honorarnoten in Rechnung zu stellen hat, wobei sich das Entgelt "inklusive der gesetzlichen Umsatzsteuer" versteht, bei Kundenreklamationen verpflichtet ist, die fehlerhaften Arbeiten auf SEINE KOSTEN zu korrigieren und wonach es ihm jederzeit freisteht, unter seiner Verantwortung Hilfskräfte zu beschäftigen, es demnach in sein Belieben gegeben ist, sich bei seinen Arbeitsleistungen von Dritten vertreten zu lassen.
Sprechen schon diese nicht in Streit stehenden Tatsachen für eine selbständige Tätigkeit der Auftragnehmer der Beschwerdeführerin, so rundet sich dieses Bild in der vorliegenden Richtung noch mehr ab, wenn man ins Kalkül zieht, daß die Vertragspartner der Beschwerdeführerin von dieser kein fixes Gehalt beziehen, sondern die Höhe ihrer Einkünfte von der Art und dem Umfang der geleisteten Arbeiten, aber auch von den von ihnen im Rahmen ihrer Arbeitsleistungen zu tätigenden Aufwendungen, die ihnen ja von der Beschwerdeführerin nicht ersetzt werden, abhängig sind. Die Auftragnehmer haben bei dieser Sachlage die Möglichkeit, die Höhe ihrer Einkünfte zu beeinflussen, was bedeutet, daß sie auch ein Unternehmerwagnis tragen.
Dafür, daß es sich bei den in Rede stehenden Personen um selbständig Tätige handelt, spricht aber schließlich auch die unbestritten gebliebene Behauptung der Beschwerdeführerin, daß ihre Auftragnehmer nur "bis zu einer Verdienstgrenze von S 10.000,-- im Laufe eines Kalenderjahres" Arbeiten für sie verrichten, nach Erreichung dieser Grenze jedoch - offenbar aus steuerlichen Gründen - keine Aufträge von ihr mehr entgegen nehmen würden. Eine derartige "Arbeitsverweigerung" erscheint im Rahmen eines bestehenden Dienstverhältnisses wohl kaum möglich.
Da die belangte Behörde nach dem Dargelegten im angefochtenen Bescheid zu Unrecht zu dem Schluß gelangte, daß im Streitzeitraum zwischen der Beschwerdeführerin und den in Rede stehenden, von ihr beschäftigten Personen Dienstverhältnisse bestanden, erweist sich dieser Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.