VwGH vom 29.09.1993, 93/02/0107
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-04/22/00420/92, betreffend Übertretungen des KJBG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Spruchpunkte 1 bis 8 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen (somit hinsichtlich des Spruchpunktes 10) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
An den Beschwerdeführer wurde im Instanzenzug ein Bescheid der belangten Behörde vom gerichtet, dessen Spruch im wesentlichen wie folgt lautet:
Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der als Arbeitgeberin und Lehrberechtigte der Jugendlichen Christine W. fungierenden N.-Ges.m.b.H., etabliert in Wien ..., zu verantworten, daß diese Gesellschaft, welche in der Zeit vom bis zum ein aufrechtes Lehrverhältnis zur obgenannten Jugendlichen unterhielt, folgende Verwaltungsübertretungen begangen hat:
1) wurde am Mittwoch, dem , durch eine Arbeitszeit von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr (minus eine Stunde Pause), also von 11 Stunden, die mit 8 Stunden begrenzte Tagesarbeitszeit um drei Stunden überschritten.
2) wurde in der Woche vom bis durch eine Wochenarbeitszeit von 44 Stunden und 50 Minuten (inklusive Schulbesuchszeiten) die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden um vier Stunden und 50 Minuten überschritten.
3) wurde in der Woche vom bis durch eine Wochenarbeitszeit von 46 Stunden und 50 Minuten (inklusive Schulbesuchszeiten) die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden um 6 Stunden und 50 Minuten überschritten.
4) wurde in der Woche vom bis durch eine Wochenarbeitszeit von 45 Stunden und 35 Minuten (inklusive Schulbesuchszeiten) die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden um 5 Stunden und 35 Minuten überschritten.
5) wurde in der Woche vom bis durch eine Wochenarbeitszeit von 47 Stunden und 5 Minuten (inklusive Schulbesuchszeiten) die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden um 7 Stunden und 5 Minuten überschritten.
6) wurde am Montag, dem , durch eine Arbeitszeit von 8.00 Uhr bis 18.30 Uhr (minus eine Stunde Pause), also von 9 Stunden und 30 Minuten, die mit 8 Stunden begrenzte Tagesarbeitszeit um eine Stunde und 30 Minuten überschritten.
7) wurde am Dienstag, dem , durch eine Arbeitszeit von 8.00 Uhr bis 18.45 Uhr (minus eine Stunde Pause), also von 9 Stunden und 45 Minuten, die mit 8 Stunden begrenzte Tagesarbeitszeit um eine Stunde und 45 Minuten überschritten.
8) wurde in der Zeit vom bis für die entgegen den Bestimmungen des KJBG geleisteten Überstunden kein Normallohn und darüberhinaus auch kein Zuschlag nach § 14 Abs. 2 KJBG bezahlt, obwohl folgende Überstunden von Christine W. geleistet worden sind: (es folgt eine Aufstellung nach Datum und Anzahl der Überstunden).
9) ... (dieser Spruchpunkt ist - diesbezüglich erfolgte eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens - nicht Beschwerdegegenstand vor dem Verwaltungsgerichtshof)
10) war die Arbeitszeit der Jugendlichen Christine W. so eingeteilt, daß sie am bis 20 Uhr 30 und demnach nach 20 Uhr in der Kanzlei beschäftigt war, obwohl Jugendliche in der Nachtzeit von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr nicht beschäftigt werden dürfen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
Verwaltungsübertretungen nach:
ad 1) bis 7) § 11 Abs. 1 und 3 KJBG
ad 8) § 14 Abs. 1 und 2 KJBG
ad 10) § 17 Abs. 1 KJBG,
jeweils in Verbindung mit § 30 KJBG.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie gemäß
§ 30 KJBG folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Schilling falls diese uneinbringlich ist,
Ersatzfreiheitsstrafe von
ad 1) 3.000,-- drei Tagen
ad 2) 3.000,-- drei Tagen
ad 3) 3.000,-- drei Tagen
ad 4) 6.000,-- sechs Tagen
ad 5) 7.000,-- sieben Tagen
ad 6) 1.800,-- einem Tag 12 Stunden
ad 7) 3.500,-- drei Tagen 12 Stunden
ad 8) 1.500,-- 36 Stunden
ad 10) 1.500,-- 36 Stunden.
Gegen diesen Bescheid (mit Ausnahme des Spruchpunktes 9)
richtet sich die vorliegende Beschwerde an den
Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
I. Zu den Spruchpunkten 1 bis 7:
§ 11 Abs. 1 bis 3 KJBG lautet:
§ 11. (1) Die tägliche Arbeitszeit der Jugendlichen darf
acht Stunden, ihre Wochenarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird.
(2) Die nach Abs. 1 zulässige Wochenarbeitszeit kann zur Erreichung einer längeren Freizeit, die mit der Wochenfreizeit zusammenhängen muß, abweichend von der nach Abs. 1 zulässigen täglichen Arbeitszeit verteilt werden. Weiters kann durch Kollektivvertrag zugelassen werden, daß die nach Abs. 1 zulässige Wochenarbeitszeit auf die Werktage abweichend von der nach Abs. 1 zulässigen täglichen Arbeitszeit aufgeteilt wird. Durch Kollektivvertrag kann ferner zugelassen werden, daß die Wochenarbeitszeit innerhalb eines mehrwöchigen Zeitraumes so verteilt wird, daß sie im wöchentlichen Durchschnitt die nach Abs. 1 zulässige Dauer nicht übersteigt.
(3) Bei einer Verteilung der Arbeitszeit nach Abs. 2 darf die Tagesarbeitszeit neun Stunden nicht überschreiten.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0084) handelt es sich bei der Überschreitung der zulässigen täglichen Arbeitszeit (§ 11 Abs. 1 KJBG erster Fall) und der zulässigen Wochenarbeitszeit (§ 11 Abs. 1 zweiter Fall leg. cit.) um zwei verschiedene Delikte, die auch gesondert zu bestrafen sind. Insoweit erfolgte die gesonderte Bestrafung - der ART des Deliktes nach - sohin zu Recht. Allerdings hat die belangte Behörde die Rechtslage insoweit verkannt, als sie übersehen hat, daß die Tathandlungen zu den Spruchpunkten 1, 6 und 7 einerseits und zu den Spruchpunkten 2 bis 5 andererseits, die jeweils gegen dieselben Verwaltungsvorschrift verstoßen und dieselbe Jugendliche betreffen, zufolge des engen zeitlichen Zusammenhanges und des diesbezüglich erkennbaren Gesamtkonzeptes des Beschwerdeführers zu einer Einheit zusammentreten; diese Tathandlungen bilden somit insgesamt nur zwei Verwaltungsübertretungen, nämlich je eine nach § 11 Abs. 1 erster (Spruchpunkte 1, 6 und 7) und zweiter Fall (Spruchpunkte 2 bis 5) KJBG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0316).
Eine weitere inhaltliche Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides in diesem Umfang ergibt sich aus dem Zitat des Absatzes 3 des § 11 KJBG im Spruch (§ 44a Abs. 1 Z. 2 VStG): Was zunächst dieses Zitat in Hinsicht auf die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Überschreitungen der zulässigen Tagesarbeitszeit anlangt, so sollte ihm - wie sich aus den jeweiligen diesbezüglichen Tatanlastungen ergibt - jeweils eine Überschreitung der täglichen Arbeitszeit von 8 (und nicht von 9) Stunden angelastet werden. Das jeweils zusätzliche Zitieren des Absatzes 3 (neben Absatz 1) bewirkt hier deshalb eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, weil § 11 Abs. 3 KJBG einen eigenen Tatbestand einer Verwaltungsübertretung bildet (vgl. allgemein zum Mitzitieren einer nicht verletzten Norm das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/18/0175, und zu § 11 Abs. 3 KJBG das
hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/08/0302). Gleiches gilt sinngemäß hinsichtlich der dem Beschwerdeführer jeweils angelasteten Überschreitung der zulässigen Wochenarbeitszeit.
Der angefochtene Bescheid war daher aus diesen Gründen im vorbezeichneten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren sei allerdings auf folgendes verwiesen:
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers vermag der Verwaltungsgerichtshof einen wesentlichen Verfahrensmangel nicht zu erkennen. Was zunächst die von ihm vermißte "persönliche Einvernahme" vor der belangten Behörde anlangt, so wurde er zu Handen seines Rechtsvertreters zur mündlichen Verhandlung entsprechend § 51e Abs. 1 VStG ordnungsgemäß geladen; einer zusätzlichen "persönlichen" Ladung des Beschwerdeführers bedurfte es nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/02/0233). Wenn er es trotz dieser Ladung ohne ersichtlichen Grund unterließ, persönlich zu erscheinen, wobei es zu der vom Beschwerdeführer vermißten "Gegenüberstellung" mit der Zeugin Christine W. gekommen wäre, so hat er dies selbst zu verantworten.
Auch die vom Beschwerdeführer gerügte Unterlassung der Einvernahme der Zeugin Ursula M. ist nicht wesentlich. Der Beschwerdeführer hatte dies nämlich zum Beweis der Richtigkeit seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren begehrt, wobei allerdings sein Vorbringen nicht geeignet war, eine weitere Ermittlungspflicht der belangten Behörde auszulösen: Da der belangten Behörde als Beweismittel die insoweit durchaus konkrete, zeitlich präzisierte Aussage der betroffenen Jugendlichen Christine W. bezüglich der von ihr eingehaltenen Arbeitszeit zur Verfügung stand, wäre es dem Beschwerdeführer im Rahmen seiner ihn treffenden Mitwirkungspflicht oblegen, von sich aus konkret darzulegen, inwieweit die Aussage der erwähnten Jugendlichen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0286); mit den bloß allgemein gehaltenen Hinweisen auf "Freistunden, Freizeit, Zeitausgleich, Urlaub etc." ist der Beschwerdeführer seiner diesbezüglichen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Damit aber fehlte es auch an einem genügend konkreten Beweisthema für die Einvernahme der Zeugin Ursula M., hatte doch der Beschwerdeführer nicht etwa behauptet, diese Zeugin könne insoweit konkrete Zeitangaben liefern. In diesem Zusammenhang sei im übrigen vermerkt, daß Pausen, die nicht von vornherein festgelegt waren, schon deshalb nicht als Ruhepausen im Sinne des § 15 KJBG gewertet hätten werden können (vgl. das zit. hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0084).
II. Zum Spruchpunkt 8:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0093, näher dargelegt, daß § 14 KJBG keine Übertretungsnorm enthält. Es genügt daher, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses zu verweisen.
Der angefochtene Bescheid war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes 8 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
III. Zu Spruchpunkt 10:
Zunächst sei in Hinsicht auf die vom Beschwerdeführer gerügte Unterlassung seiner persönlichen Einvernahme und jener der Zeugin Ursula M. auf das zu I. Gesagte verwiesen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers vermag der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm insoweit zustehenden Kontrolle (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen, konnten doch die von der belangten Behörde einvernommenen Entlastungszeugen keine konkreten Angaben hinsichtlich einer "Betriebsfeier" am Tattag machen. Was aber den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Grundsatz "in dubio pro reo" anlangt, so genügt der Hinweis, daß dieser Grundsatz nur dann zur Anwendung gelangt, wenn nach dem Ergebnis der Beweiswürdigung noch Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten bleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/02/0031), was die belangte Behörde allerdings zu Recht verneint hat. Der Schuldspruch ist daher frei vom Rechtsirrtum.
Aber auch die Strafbemessung begegnet keinen Bedenken:
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers konnte die belangte Behörde von jenen Angaben des Beschwerdeführers (S 14.000,-- monatlich netto, kein Vermögen, keine Sorgepflicht) ausgehen, die er anläßlich seiner Einvernahme am gemacht hat. Die davon abweichenden Steuerbescheide, welche die Festsetzung der Einkommensteuer für frühere Jahre betreffen, mußte sie daher nicht berücksichtigen. Selbst wenn - so der Beschwerdeführer - "keinerlei wie immer gearteten Schäden" bei der Jugendlichen eingetreten sein sollten, kann von einer Überschreitung des der Behörde eingeräumten Ermessensspielraumes keine Rede sein.
Die Beschwerde war sohin in diesem Spruchpunkt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
IV. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.