VwGH vom 19.02.2002, 2001/14/0207
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Mag. Siegfried Riegler und Mag. Jasmine Riegler, Rechtsanwälte in 8720 Knittelfeld, Herrengasse 23, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , RV225/1-4/00, betreffend Haftung nach § 9 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird, soweit sie die Haftung für Umsatzsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Nebengebühren betrifft, als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug gemäß § 9 Abs. 1 BAO zur Haftung für aushaftende Abgabenschulden der O-GmbH im Ausmaß von 139.065 S (Umsatzsteuer 12/93 und 4/94, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 3-5/94 samt Nebengebühren sowie Kraftfahrzeugsteuer 4-12/93) herangezogen. Der Beschwerdeführer sei seit Februar 1993 alleiniger Geschäftsführer der O-GmbH gewesen, über deren Vermögen am der Konkurs eröffnet worden sei. Mittlerweile sei der Konkurs nach Ausschüttung einer Konkursquote von 1,28% aufgehoben und die O-GmbH von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht worden.
Dem Beschwerdeführer werde vorgeworfen, dass er nicht für eine zumindest anteilige Erfüllung der Abgabenverbindlichkeiten Sorge getragen habe. Der Beschwerdeführer habe keine nähere Aussage über die Verwendung der vorhandenen Mittel bzw die Gleichbehandlung der Gläubiger getätigt. Er behaupte zwar, eine bewusste Gläubigerbevorzugung nicht vorgenommen zu haben, habe hiezu jedoch keine Unterlagen vorgelegt. Der Beschwerdeführer sei aufgefordert worden, die ihm zur Verfügung gestandenen Mittel und deren Verwendung darzulegen. Er sei dieser Aufforderung aber nicht nachgekommen. Er habe allerdings vorgebracht, es sei ihm nicht möglich, Unterlagen beizubringen. Diesbezüglich verweise die belangte Behörde darauf, dass der Vertreter des Beschwerdeführers zugleich Vertreter (Steuerberater) der O-GmbH gewesen sei. Nach Ansicht der belangten Behörde wäre es dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, innerhalb eines Zeitraumes von mehr als zwei Jahren (seit Ergehen des erstinstanzlichen Haftungsbescheides) entsprechende Unterlagen beizubringen.
Einreden gegen die Abgabenfestsetzung seien nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen, sondern in dem die Abgabenfestsetzung betreffenden Verfahren. Dem vom Beschwerdeführer erhobenen Einwand, die Abgabenbescheide seien dem Masseverwalter zugestellt worden und es hätten seinerzeit die finanziellen Mittel für eine steuerliche Vertretung gefehlt, halte die belangte Behörde die Bestimmung des § 248 BAO entgegen, wonach der Haftungspflichtige innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Abgabenbescheid berufen könne. Der Beschwerdeführer habe gegen die Abgabenbescheide nicht berufen. Ergänzend werde darauf verwiesen, dass die Umsatzsteuer 12/93 der Selbstanzeige der O-GmbH entsprechend festgesetzt worden sei. Die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer 4/94 habe geschätzt werden müssen.
Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, er habe trotz mehrwöchiger Krankenhausaufenthalte versucht, das Unternehmen der O-GmbH zu retten. Er habe allerdings nicht die Frage beantwortet, in welcher Weise er für die Zeit seines Krankenhausaufenthaltes für eine ordnungsgemäße Vertretung gesorgt habe bzw die eingesetzte Vertretung überwacht habe. Das Finanzamt habe dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass seine Krankenhausaufenthalte keinen Anhaltspunkt für die Annahme bieten würden, er wäre zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten oder zur Niederlegung der Geschäftsführung nicht in der Lage gewesen; diesen Vorhalt habe der Beschwerdeführer unwidersprochen gelassen. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer im Finanzstrafverfahren betreffend die Selbstbemessungsabgaben des Zeitraumes 12/93 bis 5/94 sein schuldhaftes Verhalten eingestanden; er habe eingeräumt, trotz des schlechten Gesundheitszustandes versucht zu haben, den Betrieb der O-GmbH weiterzuführen, sich aber zu wenig gekümmert und aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten die Abgaben nicht entrichtet zu haben.
Die belangte Behörde gelange zu der Auffassung, dass der Beschwerdeführer keine geeigneten Gründe vorgetragen habe, die gegen seine schuldhafte Pflichtverletzung sprechen würden. Sie nehme daher eine schuldhafte Pflichtverletzung an, die für die Uneinbringlichkeit der Abgaben, für welche die Haftung geltend gemacht worden sei, ursächlich sei.
Die Heranziehung zur Haftung sei eine Ermessensentscheidung. Es sei im gegenständlichen Fall unbestritten, dass die Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich seien. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, die Geltendmachung der Haftung sei aufgrund seiner finanziellen Situation unbillig, halte die belangte Behörde dem entgegen, es sei bei Nettoeinkünften von monatlich 17.000 S und Fehlen von Unterhaltslasten durchaus möglich, dass die Abgabenschulden eingebracht würden. Dem Beschwerdeführer sei die Nichtentrichtung der Abgaben anzulasten. Es sei daher dem öffentlichen Anliegen an der Einbringung der Abgaben der Vorzug gegenüber den Interessen der Partei zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 96/14/0080).
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Behörde sei verpflichtet, von Amts wegen den Sachverhalt zu erforschen mit dem Ziel, "die materielle Wahrheit als tragendes Prinzip zu sehen", ist ihm entgegenzuhalten, dass es - wie oben ausgeführt - Sache des Vertreters ist, konkret die Gründe anzuführen, die ihn an der Entrichtung der Abgaben gehindert haben. Der zur Haftung Herangezogene hat das Fehlen ausreichender Mittel für die Abgabenentrichtung nachzuweisen. Der Haftende erfährt nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/14/0104).
Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, dass die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers nicht bedeutet, dass die Behörde von jeglicher Ermittlungspflicht entbunden wäre. Entspricht nämlich der Geschäftsführer seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptungen und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2000/14/0149). Wie sich aber aus der im angefochtenen Bescheid enthaltenen - in der Beschwerde nicht beanstandeten - Darstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren ergibt, hat es der Beschwerdeführer unterlassen, konkret die Gründe (etwa das Fehlen liquider Mittel) darzutun, die ihn daran gehindert haben, die Abgaben zu entrichten. Auch in der Beschwerde werden solche Gründe nicht aufgezeigt. Wenn in der Beschwerde in allgemeiner Form auf "diverse Krankenbefunde" hingewiesen wird, wird damit den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, dass der Beschwerdeführer durch seine Krankenstände nicht an der Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten und an der Niederlegung der Geschäftsführerfunktion gehindert gewesen wäre und dass er im Finanzstrafverfahren sein schuldhaftes Verhalten für den maßgeblichen Zeitraum eingestanden habe, nicht entgegengetreten.
Dem Vorbringen, die belangte Behörde habe dem Antrag auf Durchführung amtswegiger Ermittlungen über die "Unschuldigkeit" des Beschwerdeführers nicht entsprochen, ist entgegenzuhalten, dass ein solcher Antrag - mangels einer konkreten Behauptung des Beschwerdeführers über die Verwendung der Mittel - auf einen Erkundungsbeweis hinausliefe. Einen Erkundungsbeweis aufzunehmen ist die Behörde nicht gehalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 98/14/0082).
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die belangte Behörde habe den Antrag auf mündliche Verhandlung nicht rechtzeitig zurückgewiesen und den Beschwerdeführer daher "im Rechtsglauben" gelassen.
Dass eine mündliche Verhandlung nur im Verfahren vor dem Berufungssenat vorgesehen ist (§ 284 BAO) und die Entscheidung über Berufungen gegen Haftungsbescheide nicht in die Zuständigkeit der Berufungssenate fällt (§ 260 Abs. 2 und § 261 BAO), bezweifelt der Beschwerdeführer nicht. Das Vorbringen des Beschwerdeführer ist dahingehend zu verstehen, dass er "im Rechtsglauben" auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zugewartet und sohin keine weiteren (schriftlichen) Einwendungen vorgebracht habe.
Die Beschwerde zeigt aber mit diesem Vorbringen - in gleicher Weise wie mit dem Vorbringen, der Antrag auf amtswegige Einholung von Unterlagen beim Masseverwalter sei nicht rechtzeitig zurückgewiesen worden - die Relevanz eines allfälligen Verfahrensfehlers nicht auf, weil sie in keiner Weise darlegt, welches konkrete Vorbringen zu erstatten der Beschwerdeführer gehindert gewesen ist.
Die belangte Behörde hat im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung auf den Umstand Bedacht genommen, dass es das Verhalten des Beschwerdeführers gewesen ist, das zum Unterbleiben der Entrichtung der Abgaben durch die Primärschuldnerin und letztlich zur Uneinbringlichkeit der Abgaben geführt hat. Sie hat in ihre Überlegungen aber auch auf die Höhe des Haftungsbetrages und die Höhe der Einkünfte des Beschwerdeführers einbezogen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde die ihr vom Gesetz vorgegebenen Grenzen der Ermessensübung überschritten hätte. Da die Haftung nach § 9 BAO einer schadenersatzrechtlichen Haftung vergleichbar ist, aber keinen strafrechtlichen Vorwurf beinhaltet, musste die belangte Behörde den Umstand, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, nicht in ihre Überlegungen einbeziehen.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde, soweit sie Umsatzsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Nebengebühren betrifft, erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie in diesem Umfang gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Soweit die Beschwerde die Haftung für Kraftfahrzeugsteuer betrifft, bleibt die Entscheidung dem zuständigen Senat des Verwaltungsgerichtshofes vorbehalten.
Wien, am