VwGH vom 21.12.2005, 2001/14/0154
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der G J in W, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. RV 1217/1-10/2000, betreffend Haftung für Abgabenschulden, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war Geschäftsführerin der M GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss vom das Konkursverfahren eröffnet worden war. Mit Beschluss vom wurde das Konkursverfahren nach Verteilung des Massevermögens gemäß § 139 KO aufgehoben.
Mit Haftungsbescheid vom zog das Finanzamt die Beschwerdeführerin für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft (vornehmlich Lohnabgaben und Umsatzsteuer) im Ausmaß von S 1,052.799,-- in Anspruch. In einer dagegen erhobenen Berufung wurde ausgeführt, dass mit dem Finanzamt Zahlungsvereinbarungen betreffend die Abgabenrückstände getroffen worden seien und der Gesellschaft aus den letzten Steuererklärungen ein Steuerguthaben bzw. Rückforderungsanspruch zustehe. Unter der Voraussetzung, dass diese Unterlagen vom Masseverwalter bzw. dem von diesem beauftragten Steuerberater "rechtzeitig eingebracht" würden, werde sich der Saldo durch diese Gutschriften um erhebliche Beträge vermindern. Weiters seien Zahlungen teilweise erst nach Konkurseröffnung fällig geworden.
Das Finanzamt gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom dahingehend Folge, dass die Haftungssumme auf S 1,038.059,51 eingeschränkt wurde. In einer umfangreichen Begründung wurde zunächst darauf hingewiesen, dass der Haftungsbescheid ausschließlich Abgaben enthalte, deren Fälligkeit vor Konkurseröffnung liege. Eine Zahlungsfrist zur Begleichung bereits fällig gewordener Abgaben vermöge nichts daran zu ändern, dass bereits fällige Abgaben eben nicht zum Fälligkeitszeitpunkt entrichtet worden seien.
Weiters stellte das Finanzamt eine Missachtung des Gleichbehandlungsgebotes durch die Beschwerdeführerin bei der Verfügung über die Gesellschaftsmittel fest. Im Oktober 1994 sei bei einem aushaftenden Rückstand von nahezu S 800.000,-- keine einzige Einzahlung an das Finanzamt geleistet worden. Im gleichen Zeitraum seien jedoch Eigenerlagsbuchungen auf einem näher bezeichneten Bankkonto geleistet und Überweisungen durchgeführt worden. Der Auszug aus dem Kassabuch betreffend das Geschäftslokal M vom 13. bis weise alleine in diesem Zeitraum Einnahmen von rund S 59.000,-- aus. Der Kassabuchauszug des Marktcafe W für den Zeitraum
10. bis weise Bareinnahmen im Ausmaß von rund
S 50.000,-- auf, aus dem Kassabuchauszug des Restaurant S für den Zeitraum 14. bis seien Betriebseinnahmen in Höhe von rund S 43.000,-- ersichtlich. Aus den vorliegenden Kassabuchauszügen gehe überdies die Befriedigung anderer andrängender Gläubiger eindeutig hervor. Auch im Monat Juli 1994 seien keinerlei Zahlungen auf den aushaftenden Abgabenrückstand geleistet worden. Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass auch in diesem Zeitraum andere andrängende Gläubiger nicht zumindest teilweise befriedigt worden seien, da vor allem im Zusammenhang mit der ausgeübten gewerblichen Tätigkeit Bareinnahmen in nicht unerheblichem Ausmaß erzielt worden seien. Eine Benachteiligung der Finanzbehörde liege daher auf der Hand.
Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Lohnabgaben sei außerdem auf § 78 EStG zu verweisen. Reichten die Mittel zur vollen Auszahlung der vereinbarten Löhne und zur Entrichtung der darauf entfallenden Lohnsteuer nicht aus, so seien die zur Auszahlung gelangenden Löhne soweit zu vermindern, dass diese und die davon zu berechnenden Lohnsteuerbeträge in den zur Verfügung stehenden Mitteln Deckung fänden. Die Unterlassung der Abfuhr der Lohnsteuer könne daher nicht mit dem Hinweis auf nicht ausreichende Mittel gerechtfertigt werden.
Im rechtzeitig gestellten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass das Finanzamt in der Begründung der Berufungsvorentscheidung offenkundig zu Unrecht sämtliche Betriebe der Beschwerdeführerin und die aus diesen Betrieben stammenden Belege wie Kassabuchauszüge des Marktcafes W und des Restaurants S zum Anlass genommen habe, festzustellen, dass im haftungsrelevanten Zeitraum zumindest eine teilweise Befriedigung anderer Gläubiger erfolgt sei. Diesbezüglich sei klarzustellen, dass die Betriebe teilweise durch die Beschwerdeführerin persönlich, vor allem aber durch die G GmbH in W geführt worden seien und es sich dabei selbstverständlich um eigenständige Betriebe und nicht um eine Identität des Rechtssubjektes mit der insolvent gewordenen M GmbH gehandelt habe. Im Übrigen könne eine Haftung dort nicht zum Tragen kommen, wo eine "absolute Zahlungsverpflichtung" gemäß der getroffenen und rechtswirksamen Ratenzahlungsvereinbarung erst zu einem Zeitpunkt eingetreten sei, als bereits das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Da demgemäß zuvor bereits eine rechtswirksame Ratenzahlungsvereinbarung vorgelegen sei, könne nicht von einer Benachteiligung der Finanzbehörde gegenüber anderen Gläubigern ausgegangen werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung insofern Folge gegeben, als der Betrag, für den die Beschwerdeführerin zur Haftung herangezogen wurde, auf S 1,032.259,21 eingeschränkt wurde. Im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Begründend wies die belangte Behörde zum Berufungsvorbringen, aus (nicht näher bezeichneten) Steuererklärungen stehe ein Guthaben bzw. ein Rückforderungsanspruch zu und zufolge (gleichfalls nicht näher dargestellter) Gutschriften seien die Abgabenrückstände zum Großteil getilgt worden, darauf hin, dass damit die Richtigkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenforderung gegen die Primärschuldnerin bestritten werde. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei im Haftungsverfahren jedoch die Richtigkeit der Abgabenvorschreibung nicht zu erörtern. Gegenstand des Berufungsverfahrens gegen den Haftungsbescheid sei einzig und allein die Frage, ob der Geschäftsführer zu Recht als Haftender für Abgaben der Gesellschaft herangezogen worden sei oder nicht. Gemäß § 248 erster Satz BAO sei es der Beschwerdeführerin freigestanden, innerhalb der Frist für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid auch gegen die an die Gesellschaft ergangenen und dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Abgabenbescheide zu berufen. Im Übrigen seien keine Steuererklärungen hinsichtlich des haftungsrelevanten Zeitraumes aktenkundig, aus denen sich allfällige Gutschriften hätten ergeben können. Vom steuerlichen Vertreter der Gesellschaft sei zwar zunächst um Erstreckung der Frist zur Einbringung einer Berufung gegen die Umsatzsteuer-, Alkoholsteuer-, Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1991 und 1992 ersucht worden, das Finanzamt habe die begehrte Fristerstreckung auch bewilligt, eine Berufung sei in weiterer Folge aber nicht eingebracht worden. Ferner habe der Masseverwalter mitgeteilt, dass auf Grund fehlender Massemittel eine Aufarbeitung der Buchhaltung und eine Erstellung der Steuererklärung für das Jahr 1994 nicht möglich sei, die Abgaben mögen daher geschätzt werden.
Die Stellung der Beschwerdeführerin als verantwortliche Geschäftsführerin der Gesellschaft werde nicht bestritten. Fest stehe ferner die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin. Das Konkursverfahren sei nach Verteilung des Massevermögens aufgehoben und die Gesellschaft am im Firmenbuch gelöscht worden. Zur Frage des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung wies die belangte Behörde darauf hin, dass die Beschwerdeführerin in keiner Weise dargetan habe, dass sie mangels ausreichender Mittel alle aushaftenden Schulden anteilig befriedigt habe. Wie sich aus den Feststellungen des Prüfers aus einer durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung, den Berichten des Masseverwalters sowie der Mitteilung des alpenländischen Kreditorenverbandes anlässlich der Konkurseröffnung ergeben habe, handle es sich bei den drei in der Berufungsvorentscheidung angeführten Lokalen - entgegen dem Berufungsvorbringen - ausschließlich um solche, die von der Primärschuldnerin betrieben worden seien. Selbst wenn das Berufungsvorbringen insofern zutreffend gewesen sei, hätte dies nichts an der Pflicht der Beschwerdeführerin geändert, die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel darzutun. Auch im angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG hin. Dem wiederholten Hinweis auf die mit dem Finanzamt abgeschlossene Zahlungsvereinbarung sei entgegenzuhalten, dass zum Einen dieselbe nicht eingehalten worden sei und die Beschwerdeführerin kurz nach Abschluss derselben für die Primärschuldnerin den Konkursantrag eingebracht habe, zum Anderen werde durch die Bewilligung einer Zahlungserleichterung lediglich der Zeitpunkt der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben hinausgeschoben. Ein nach Eintritt der Fälligkeit eingebrachtes Ratenansuchen ändere nichts daran, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung vorliege. Schließlich habe das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass sämtliche haftungsgegenständlichen Abgaben vor Konkurseröffnung fällig gewesen seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Die nicht näher begründete Behauptung der Beschwerdeführerin, wenn die Verjährungsfrist richtigerweise vom Fälligkeitstermin der Abgaben berechnet werde, stehe hinsichtlich der während des Jahres 1991 fällig gewordenen Abgaben fest, dass "zumindest in diesem Umfang bereits eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides gegeben" sei, ist nicht nachvollziehbar. Zutreffend hat die belangte Behörde zu diesem Vorwurf in ihrer Gegenschrift zur Beschwerde darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der diesbezüglichen Abgaben eine Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO frühestens mit Ablauf des Jahres 1996 eingetreten wäre, der Haftungsbescheid aber bereits im April 1995 zugestellt wurde.
Ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zeigt die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen auf, das Marktcafe W und das Restaurant S seien nicht von der M GmbH geführt worden. Von der Beschwerdeführerin wird nicht in Abrede gestellt, dass jedenfalls das dritte von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang erwähnte Lokal von der M GmbH geführt worden war und dass die im angefochtenen Bescheid angeführten Einnahmen dort erzielt hat. Wurden diese unbestritten erzielten Einnahmen aber - wie die belangte Behörde dies dargetan hat - nicht zumindest anteilsmäßig auch zur Abstattung der Abgabenverbindlichkeiten herangezogen, so durfte die belangte Behörde schon deshalb von einer Benachteiligung des Abgabengläubigers ausgehen. Ob die beiden anderen Lokale ebenfalls von der M GmbH geführt worden waren, wie dies die belangte Behörde nach dem Ergebnis der ihr vorliegenden Beweise als erwiesen angenommen hat, ist daher nicht mehr von entscheidender Bedeutung.
Zutreffend hat die belangte Behörde bereits im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, dass die Frage einer allfälligen Unrichtigkeit der bescheidmäßig festgesetzten Abgaben nicht im Rahmen des Berufungsverfahrens gegen den Haftungsbescheid zu beurteilen war. Auch die von der Beschwerdeführerin behauptete Verpflichtung, sie "in rechtlicher Hinsicht entsprechend aufzuklären und diese aufzufordern, ihr Einspruchsvorbringen inhaltlich zu konkretisieren und/oder auch konkrete Beweismittel für ihr Vorbringen anzuführen" lag gemäß § 113 BAO schon im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten war, nicht vor.
Die Rüge, die belangte Behörde habe ebenso wenig wie die Unterinstanzen "Konstatierungen darüber getroffen", wer "zum fraglichen Zeitpunkt" Geschäftsführer der M GmbH gewesen sei, sowie ob und welche Vertretungsbefugnis tatsächlich jedem einzelnen Geschäftsführer im Rahmen der internen Geschäftsverteilung tatsächlich zugekommen sei, ist verfehlt. Bereits im erstinstanzlichen Haftungsbescheid gegenüber der Beschwerdeführerin wurde diese unter Hinweis auf ihre Funktion als Geschäftsführerin der M GmbH zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten dieser Gesellschaft herangezogen. Dass diese zur Wahrnehmung der abgabenbehördlichen Pflichten zuständig gewesen sei, wurde in der Folge nie in Abrede gestellt. Auch in der Beschwerde wird nicht konkret behauptet, dass eine andere Person als die Beschwerdeführerin zur Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen berufen gewesen wäre. Auf welche Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde die Beschwerdeführerin ihre in der Beschwerde in den Raum gestellte Annahme gründet, die belangte Behörde wäre davon ausgegangen, dass ab dem keine Zahlungen mehr an andere Gläubiger geleistet worden seien, wird in der Beschwerde nicht dargetan.
Soweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde - wie schon in der Berufung - auf die abgeschlossenen Ratenzahlungsvereinbarungen hinweist, trifft es zu, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem im angefochtenen Bescheid zitierten Erkenntnis vom , 95/14/0034, zum Ausdruck gebracht hat, dass durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen lediglich der Zeitpunkt der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben hinausgeschoben wird. Ein nach Eintritt der Fälligkeit von Abgaben eingebrachtes Ratenansuchen ändert nichts daran, dass bei Unterlassung der Zahlung ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung vorliegt.
Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet die Beschwerdeführerin dahingehend, dass eine "Schlechterbehandlung der Abgabenbehörde als sonstige Gesellschaftsschulden" nicht angenommen werden könne, weil im Zuge des Berufungsverfahrens sämtliche "diesbezüglich gestellten konkreten" Beweisanträge der Beschwerdeführerin ohne nähere Begründung negiert worden seien. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die einzigen von der Beschwerdeführerin gestellten Beweisanträge die Behauptung von getroffenen Zahlungsvereinbarungen und die Behauptung, es bestünden Steuerguthaben bzw. Rückforderungsansprüche, betreffen. Welcher "konkrete" Beweisantrag die Frage der unzutreffenden "Schlechterbehandlung der Abgabenbehörde" betrifft, wird in der Beschwerde nicht dargelegt.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am